Übersichtsarbeiten - OUP 03/2013

Der Humeruskopfersatz mit der Simpliciti-Prothese

O. Rolf1, B. Werner1

Zusammenfassung: Eine einfache Operationstechnik, der größtmögliche Erhalt an Knochensubstanz, die Vermeidung von Schaftproblemen, die einfache Glenoidexposition und die im Revisionsfall vermutlich einfache Wechseloperation machen das Simpliciti-Implantat „verlockend“.

Aufgrund der erst kurz zurückliegenden Markteinführung der Simplicitiprothese liegen zum heutigen Zeitpunkt jedoch noch keine Nachuntersuchungen und Verlaufsdaten vor. Langfristig wird sich das Prothesensystem an den bewährt guten Ergebnissen schaftverankerter Schulterendoprothesensysteme der sog. 3. oder 4. Generation messen müssen.
Erste Resultate von vergleichbar verankerten metaphysären Systemen deuten jedoch darauf hin, dass ähnlich gute
Ergebnisse zu erzielen sind [1, 2].

Schlagwörter: Humeruskopfersatz, Simpliciti-Tornier, schaftfreie Schulterendoprothese

Abstract: A simple implantation technique, maximum
preservation of bone substance, avoidance of stem complications, a simple exposition of the glenoid and the expectancy of an easy revision procedure argue for the application of simpliciti prosthesis.

Because the product placement dates back only a short
period there are no short or middle term results available.
In the long term the simpliciti-system has to measure with the outstanding results of 3rd or 4th generation shoulder
endoprosthesis systems. First analyses of comparable stemless metaphyseal systems indicate that similar outcomes are achievable [1, 2].

Keywords: humeral head replacement, simplicity-tornier,
stemless shoulder arthoplasty,

Für wen welche
Schulterendoprothese?

Angesichts der Vielfalt der auf dem Markt erhältlichen Implantate zur endoprothetischen Versorgung des Schultergelenkes stellt sich für den Anwender zunehmend die Frage, welcher Patient mit welchem Prothesensystem ideal versorgt ist. Kommt grundsätzlich eine sogenannte anatomische Versorgung des Schultergelenkes in Betracht, d.h. müssen Oberarmkopf und häufig auch die Pfanne bei in der Regel intakter Rotatorenmanschette ersetzt werden, stehen neben den bewährten schaftgeführten Prothesen (Standardschaft oder auch Kurzschaft) ebenso Oberflächenersatzsysteme oder neuerdings auch metaphysär verankerte, sogenannte Humeruskopfersatzendoprothesen zur Verfügung.

Zeitliche Entwicklung

Als Goldstandard der endoprothetischen Versorgung der primären und sekundären Omarthrose gelten seit Jahren schaftverankerte Implantate. Diese zeichnen sich dadurch aus, dass individuelle Einstellungen sowohl hinsichtlich der sogenannten Inklination (Winkel zwischen Humerusschaftachse und Kopf), des Offsets (Versatz zwischen Rotationszentrum des Kopfes und der Schaftmitte), als auch der Kopf- und der Glenoidgröße möglich sind. In Multicenterstudien konnten hervorragende Langzeitergebnisse dieser Prothesen der sogenannten 3. und 4. Generation gezeigt werden [3, 4, 5, 6, 7]. Die Lebensdauer einer anatomischen Schulterendoprothese entspricht heutzutage etwa der einer Hüft- oder Knieendoprothese; nach 10 Jahren sind noch mehr als 90 % der Schulterendoprothesen in situ [8, 9, 10, 11, 12]. Ein Großteil der Patienten erreicht mit dem künstlichen Schultergelenk eine Funktion, die der der gesunden Gegenseite entspricht.

Verbesserungspotenzial?

Beim Versagen schaftgeführter Endoprothesenversorgungen, häufig infolge einer Lockerung der Endoprothese, bei periprothetischen Infektionen oder aber auch bei sekundärer Insuffizienz der Rotatorenmanschette, sind Wechseloperationen auch für den Operateur eine Herausforderung und mit schlechteren postoperativen Ergebnissen im Vergleich zur Primärendoprothetik behaftet [13, 14]. Die Revision eines schaftverankerten Implantates, sei es zementiert oder zementfrei, erfordert häufig eine Osteotomie des Schaftes. Diese ist möglich im Sinne einer vertikalen humeralen Osteotomie [15, 16] oder aber auch über ein sog. M. pectoralis gestieltes Knochenfenster [17]. Ein derartiges Vorgehen erfordert eine erhebliche Erweiterung des Zugangsweges und ist mit erhöhten perioperativen Komplikationsraten verbunden [17]. Das Wechselimplantat sollte zudem das angelegte Knochenfenster in der Länge um mind. 3–5 cm überschreiten, sodass die Reimplantation eines längeren Revisionsschaftes unumgänglich ist. Der Wechsel auf ein inverses System erfordert darüber hinaus häufig auch die Entfernung bereits implantierter glenoidaler Komponenten.

Oberflächenersatzsysteme

Die bereits seit langer Zeit erhältlichen Oberflächenersatzsysteme, sei es in zementierter oder zementfreier Version, versprechen eine einfache, schnelle Operationstechnik zur „Überkronung“ des humeralen Gelenkanteils. Dennoch hat sich gezeigt, dass die exakte Positionierung derartiger Implantate nicht einfach und häufig mit einem sog. „Overstuffing“ des Gelenkes vergesellschaftet ist. Zudem ist es technisch sehr anspruchsvoll, bei weitestgehend erhaltener Humeruskopfkalotte einen primären oder sekundären Glenoidersatz durchzuführen. Bei posttraumatischen Humeruskopfnekrosen, die sich z.B. nach osteosynthetischer Versorgung proximaler Humerusfrakturen zeigen, ist die Verankerung einer Oberflächenersatzprothese darüber hinaus häufig nicht mehr möglich [18, 19, 20, 21]. In biomechanischen Untersuchungen konnte gezeigt werden, dass mindestens 60 % des nativen Knochens zur stabilen Verankerung der Kappe erforderlich sind [22, 23, 24].

Entwicklung metaphysär verankerter Humeruskopfersatzsysteme

Erste schaftfreie, metaphysär verankerte Systeme wurden vor allem im Hinblick auf chronische Fraktursituationen entwickelt. Häufig zeigte sich das Problem einer sekundären Humeruskopfnekrose, welche die Verankerung einer Oberflächenersatzprothese unmöglich machte. Andererseits erschwerten posttraumatische Varus- oder Valgusfehlstellungen des Humeruskopfes mit begleitenden Achsabweichungen des Humerusschaftes die Implantation einer schaftgeführten Endoprothese und machten nicht selten Osteotomien erforderlich.

Um darüber hinaus die oben genannten Komplikationsmöglichkeiten schaftgeführter Schulterendoprothesensysteme insbesondere in Wechselsituationen zu vermeiden, wurden metaphysär verankerte, sog. Humeruskopfersatzsysteme entwickelt.

Diese ermöglichen grundsätzlich ein „knochensparendes“ Vorgehen, da lediglich der Humeruskopf am anatomischen Hals reseziert und ersetzt wird. Die Ausrichtung des Kopfes hinsichtlich der Inklination und Retroversion kann dabei möglichst anatomisch, orientierend an der vorgegebenen Humeruskopfposition und nahezu unabhängig von den Gegebenheiten des Humerusschaftes gewählt werden. Voraussetzung ist jedoch eine ausreichend gute metaphysäre Knochensubstanz, um den Verankerungsmechanismus für den Humeruskopf aufzunehmen. Große metaphysäre Zysten oder ein ausgeprägt osteoporotischer/osteopenischer Knochen sind als Kontraindikationen für die Verwendung einer metaphysär verankerten Prothese zu sehen; ebenso können posttraumatisch auftretende metaphysäre Sklerosierungen die Verankerung des metaphysären Systems unmöglich machen.

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