Übersichtsarbeiten - OUP 07-08/2015

Diätetische Behandlung der symptomatischen Kniegelenkarthrose
Ergebnisse einer placebokontrollierten DoppelblindstudieResults of a placebo-controlled double-blind trial

Hyalines Knorpelgewebe besteht aus Chondrozyten und extrazellulärer Matrix sowie – aufgrund seiner hohen Wasserbindungskapazität – zu ca. 80 % aus Wasser, woraus hohe Belastbarkeit und Elastizität des Knorpels resultieren. Die Gonarthrose beginnt mit einer initialen Gewebeschädigung, in der Regel aufgrund mechanischer Be- bzw. Überlastungen (biomechanische Faktoren) bzw. von Störungen im Knorpelstoffwechsel, die (als nichtbiomechanische Faktoren) sukzessive zur Bildung und Übertragung von Entzündungsmediatoren im Gelenkmilieu und damit im Knorpel führen [7].

Vor allem die aus der Gewebeschädigung resultierenden inflammatorischen Prozesse erklären die Symptomatik der (Gon-)Arthrose im Sinne von Schmerz und Bewegungseinschränkung: Initial sind es bewegungsabhängige Schmerzen, wie Einlauf- oder Anlaufschmerzen, wobei sich mit zunehmender Schwere der Arthrose ein Dauerschmerz mit deutlicher Funktionsminderung des Gelenks mit Steifigkeit und Bewegungseinschränkung manifestiert [3]. Auch nächtliche Schmerzen treten bei fortschreitender Arthrose auf.

Die primäre konservative Therapie ist daher auf Schmerzbeseitigung, gegebenenfalls durch Entzündungsreduktion, und auf eine Verbesserung der Gelenkfunktion ausgerichtet. Neben der Gewichtsreduktion, physiotherapeutischen Maßnahmen und der flankierenden medikamentösen Therapie stehen eine Reihe ernährungsmedizinischer, sogenannter chondroprotektiver Substanzen zur Verfügung.

Zu dieser heterogenen Gruppe von Substanzen zählen z.B. Chondroitinsulfat, Glucosaminsulfat und (orale) Hyaluronsäure, deren Wirkungsweisen bislang noch nicht vollständig geklärt sind. Sie wirken u.a. über eine Entzündungshemmung, Blockade von Schmerzrezeptoren und mögliche Beeinflussung der viskoelastischen Eigenschaften der Synovia [3]. Bezüglich dieser Substanzen wird auch diskutiert, dass sie den Gewebeunterhalt unterstützen und den Knorpelabbau verlangsamen können [8].

Glucosamin ist ein endogenes Aminomonosaccharid, das zum Aufbau von Knorpelbestandteilen dient, z.B. von Glykosaminoglykanen oder Glykoproteinen. Klinisch wirkt es entzündungshemmend und schmerzlindernd, mindert so die Symptome der Arthrose [9, 10, 11] und kann durch „knorpelschützende“ Eigenschaften möglicherweise den Arthroseverlauf verzögern [8]. Eine Analyse der Ergebnisse von insgesamt 45 Studien zur Wirksamkeit von Glucosaminsulfat zur Behandlung der Kniegelenkarthrose bescheinigt der Substanz eine Wirkung auf den Schmerz und die Kniegelenkfunktion [12].

Chondroitinsulfat ist ein Glykosaminoglykan; seine symptomatische Wirksamkeit wurde in vielen klinischen Studien untersucht; es hat laut verschiedener Studien zunehmend Eingang in die symptomatische Arthrosetherapie gefunden. Über randomisierte, kontrollierte klinische Studien hinaus existieren positive Reviews und Metaanalysen [z. B. 13, 14].

Hyaluronsäure, ebenfalls ein Glykosaminoglykan, ist ein physiologischer Hauptbestandteil der Synovia und der Knorpelmatrix. Sie wirkt als Schmiermittel bei allen Gelenkbewegungen und unterstützt die Elastizität des Gelenkknorpels. In einer Doppelblind-Pilotstudie wurde die Wirkung oral applizierter Hyaluronsäure auf die Schmerzsymptomatik bei Patienten mit Gonarthrose untersucht. Dabei konnte gezeigt werden, dass die tägliche Einnahme zu einer Reduktion der Schmerzen und einer Verbesserung der Lebensqualität führte [15].

Weitere Nährstoffe mit „chondroprotektiven“, antioxidativen und antiinflammatorischen Effekten sind [16]:

Kollagenhydrolysat, das die Bildung von Knorpelmatrixproteinen wie Typ-II-Kollagen und Aggrekan stimuliert (s. auch [17]);

Omega-3-Fettsäuren, die an mehreren Stellen die Arachidonsäurekaskade hemmen und dadurch die Bildung proinflammatorischer Eicosanoide wie Thromboxan A2, Prostaglandin E2 und Leukotrien B4 unterdrücken;

die Vitamine E und C, die aufgrund ihres antioxidativen Potenzials der bei Arthrose zu beobachtenden erhöhten Bildung freier Radikale entgegenwirken können.

Die erwähnten Substanzen (Glucosaminsulfat, Chondroitinsulfat, Hyaluronsäure und Kollagenhydrolysat) sind neben Omega-3-Fettsäuren und Mikronährstoffen wie Mineralstoffen und Vitaminen in der untersuchten EBD (ergänzende bilanzierte Diät Orthomol arthroplus, Orthomol pharmazeutische Vertriebs GmbH, Langenfeld) enthalten, einem diätetischen Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke, und zwar zur diätetischen Behandlung von arthrotischen Gelenkveränderungen.

Ziel der hier vorgestellten randomisiert, placebokontrolliert und doppelblind durchgeführten klinischen Studie war die Überprüfung der symptomatischen Wirksamkeit und damit des Nutzens der EBD bei Gonarthrose.

Patienten und Methode

Patienten

Gonarthrose-Patienten beiderlei Geschlechts im Alter von 18–80 Jahren wurden nach unterschriebener Einverständniserklärung in die Studie aufgenommen. Die Gonarthrose war
anamnestisch, klinisch und radiologisch zu diagnostizieren, der Wert des Schmerz- und Funktionsindex von Lequesne [18, 19] musste zur Aufnahme mindestens 3 Punkte und das röntgenologische Arthrosestadium nach Jäger u. Wirth [20] I–III betragen. Dazu musste ein aktuelles Röntgenbild oder ein schriftlicher Befund vorliegen, alternativ musste ein solches innerhalb der letzten 2 Jahre durchgeführt worden sein.

Wesentliche Ausschlusskriterien waren: Knieschmerzen oder Funktionseinschränkung des Kniegelenks anderer Ursache, eine Gicht, knöcherne Verletzungen der unteren Extremitäten (z.B. Oberschenkelhalsfraktur), ein Bandscheibenvorfall, bekannte Allergien bzw. Überempfindlichkeiten gegenüber Wirk- und Inhaltsstoffen des Studienprodukts und gegen Paracetamol, ebenso schwerwiegende organische und/oder systemische Erkrankungen, die – wie eine Reihe weiterer, im Studienplan festgelegter Kriterien – aus Studienarztsicht eine Teilnahme nicht vertretbar erscheinen ließen.

Im Verlauf der Studie war die Behandlung mit Paracetamol bei akuten Schmerzen erlaubt, musste aber ebenso dokumentiert werden wie die Behandlungen begleitender Erkrankungen. Arthroserelevante andere Analgetika und nichtsteroidale Antirheumatika, Kortikosteroide usw. waren nicht erlaubt, ebenso wenig die Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln und Substanzen, die mit einzelnen Inhaltsstoffen des Studienprodukts vergleichbar waren. Die gleichzeitige Behandlung der Gonarthrose mit Magnetfeldtherapie, Stoßwellentherapie, Akupunktur und weitere Maßnahmen, die die Symptomatik der Kniegelenkarthrose beeinflussen konnten, waren ebenso wenig gestattet (Votum der Freiburger Ethik-Kommission International, Freiburg, Code 012/1910).

Studiendesign und Untersuchungen

Die Untersuchung erfolgte als prospektiv angelegte, randomisierte und placebokontrolliert durchgeführte Doppelblindstudie, im Rahmen derer die Patienten (mit symptomatischer Gonarthrose) über 3 Monate hinweg entweder Verum oder Placebo erhielten. Die Studie umfasste eine Screening-Visite (Visite 1), im Anschluss daran eine 14-tägige Vorlaufphase, in der jegliche Medikation, die zur Behandlung der Gonarthrose verordnet worden war, abgesetzt/ausgewaschen wurde.

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