Übersichtsarbeiten - OUP 05/2016
Diagnostische Möglichkeiten der molekularen Histologie für rheumatologische und orthopädische Krankheitsbilder
Jörg Kriegsmann1,2,3, Rita Casadonte2, Mark Kriegsmann4, Carolin Altmann3, Norbert Arens3
Zusammenfassung: Die histopathologische Diagnostik rheumatischer und orthopädischer Krankheitsbilder wurde in den vergangenen Jahren durch immunhistochemische Methoden ergänzt. Die Einordnung der periprothetischen Membran (Abriebtyp, infektiöser Typ, Mischtyp und Indifferenztyp) wird durch Antikörper gegen CD15 (infektiöser Typ) und ß-Cathenin (Arthofibrose versus Indifferenztyp) unterstützt. Erweitert wird das diagnostische Spektrum durch molekularpathologische Methoden zum Nachweis bakterieller oder fungaler DNA, wobei auch die Detektion mykobakterieller Erreger und deren Resistenz möglich ist. Daneben ermöglicht die micro-RNA-Technologie die Einordnung verschiedener Autoimmunerkrankungen. Die technische Revolution in der Pathologie spiegelt sich auch in der Einführung von proteomischen Methoden, wie MALDI Imaging (matrix- assisted laser desorption ionisation time of flight) und Flüssigkeits-Chromatographie/Massenspektrometrie (LC/MS) wider. Im folgenden Beitrag wird die Bedeutung immunhistochemischer, molekularer und proteomischer Methoden skizziert.
Schlüsselwörter: Molekularpathologie, orthopädische Pathologie, Rheumapathologie, Massenspektrometrie
Zitierweise
Kriegsmann J, Casadonte R, Kriegsmann M, Altmann C, Arens N:
Diagnostische Möglichkeiten der molekularen Histologie für
rheumatologische und orthopädische Krankheitsbilder.
OUP 2016; 5: 306–312 DOI 10.3238/oup.2016.0306–0312
Abstract: The histopathological diagnostics of rheumatic and orthopaedic diseases has been complemented at present by immunohistochemical methods. Differentiation of periprosthetic membranes (type with wear particles, infectious type, mixed type and indifferent type) is supported by antibodies against CD15 (infectious type) and ß-Cathenin (arthrofibrosis versus indifference type). Furthermore, molecular methods allow detection of bacterial and fungal DNA as well as verification of mycobacteria and their resistence. Autoimmune diseases can be specifically diagnosed by the micro-RNA pattern. Introduction of proteomic methods such as MALDI Imaging (matrix- assisted laser desorption ionisation time of flight) and liquid chromatography/mass spectrometry mirrors the technical revolution in pathology. The following paper highlights immunohistochemical, molecular and proteomic methods in rheumatological and orthopeadic histopathology.
Keywords: molecular pathology, orthopaedic pathology, rheumatologic pathology, mass spectrometry
Citation
Kriegsmann J, Casadonte R, Kriegsmann M, Altmann C, Arens N:
Diagnostic possibilities of molecular histology in rheumatology and orthopedics
OUP 2016; 5: 306–312 DOI 10.3238/oup.2016.0306–0312
Neue Methoden in der histopathologischen Diagnostik
Die histologische Diagnostik basiert auch heute auf der Hämatoxylin-Eosin-Färbung (H&E-Färbung), die durch basische Farbstoffe die Visualisierung von Nukleinsäuren und durch saure Farbstoffe die Visualisierung zytoplasmatischer Komponenten ermöglicht. Seit vielen Jahren wird diese Technik durch histochemische Methoden ergänzt, die sowohl Glykoproteine nachweisen (PAS-Reaktion) als auch filamentäre Strukturen (Bindegewebsbestandteile) sicher detektieren können (Goldner-Reaktion). In den letzten Jahrzehnten hat die Einführung der immunhistologischen Methoden die histopathologische Diagnostik präzisiert. Dadurch ist die Detektion spezifischer Antigene im Gewebe möglich. Die molekulare Diagnostik, der Nachweis von DNA- und RNA-Molekülen hat diese Entwicklung nochmals beschleunigt und zur exakten Diagnostik verschiedener Entitäten entscheidend beigetragen. So wurde die Diagnose eines Synovialsarkoms bis vor wenigen Jahren nur aufgrund der Morphologie unter Einschluss eines bestimmten immunhistochemischen Musters gestellt. Heute definiert eine spezifische Translokation, die mittels fluoreszenzmikroskopischer Techniken detektiert wird, dieses Sarkom.
Die Polymerase-Kettenreaktion (PCR) zur Amplifizierung von DNA oder von RNA (nach reverser Transkription) wurde mit verschiedenen Detektionstechniken des DNA-Produkts kombiniert. Dazu gehören neben der klassischen Sanger-Sequenzierung heute auch Hybridisierungstechniken, bei denen das PCR-Produkt entweder auf Chips oder Strips, auf vorher aufgebrachte spezifische DNA-Sequenzen, hybridisiert wird. Nur bei genauer komplementärer Übereinstimmung der DNA-Stränge wird ein Signal generiert. Als komplexe Methode des DNA-Nachweises stehen heute die massive parallele Sequenzierung (next generation sequencing/NGS) und auch massenspektrometrische Techniken zur Identifizierung von DNA-Veränderungen zur Verfügung.
Da es eine Reihe molekularer Mechanismen gibt, die bei gleicher genetischer Ausgangsbasis zu verschiedenen Proteinen durch alternatives Splicing von RNA-Molekülen oder durch posttranslationale Modifizierung führen, gewinnen in der jüngsten Vergangenheit Methoden an Bedeutung, die die Identifizierung proteomischer Veränderungen ermöglichen. Auch morphologisch geprägte Pathologen sind durch den Einsatz molekularer Techniken gezwungen, auch Ergebnisse in ihre Diagnosen zu integrieren, die nach Zerstörung des Gewebes und Extraktion von DNA gewonnen wurden. Dadurch wurde die Grundlage geschaffen, dass auch Methoden Akzeptanz gewinnen können, bei denen proteomische Ergebnisse zur Diagnose beitragen.
Dabei ist die Laser-Mikrodissektion bestimmter Gewebsareale mit anschließender Bestimmung des Proteins durch Flüssigkeits-Chromatografie/Massenspektrometrie bereits in der diagnostischen Anwendung zur Klassifizierung von Amyloidosen [1]. Daneben ist die direkte Applikation der Massenspektrometrie an Gewebsschnitten für den Morphologie-fixierten Pathologen eine ideale Ergänzung seines Methodenspektrums, da im Gegensatz zur Immunhistochemie nicht nur ein, sondern zahlreiche Proteine oder Peptide gleichzeitig detektiert werden können. Während Massenspektrometrie im „Profil-Modus“ nur den Nachweis von Molekülen erlaubt, ist die MALDI-Imaging-Technologie in der Lage, neben einer proteomischen Signatur auch eine morphologische Zuordnung zu verschiedenen Gewebskompartimenten zu ermöglichen. Der generelle Workflow wird in Abbildung1 kurz dargestellt. Diese Verfahren wurden in die rheumatologische und orthopädische Diagnostik integriert. Im Folgenden sollen einige Anwendungsbeispiele skizziert werden.
Molekulare Methoden zur Einordnung der
periprothetischen Membran
In den vergangenen Jahren wurde die histopathologische Diagnostik periprothetischer Membranen etabliert und verfeinert [2]. Es wurden 4 verschiedene Typen der periprothetischen Membran beschrieben. Die Diagnostik der periprothetischen Membran vom Abriebtyp ist für den Patholgen nur dann eine Herausforderung, wenn eine exakte Typisierung des Abriebmaterials gefordert wird.
Da das implantierte Prothesenmaterial bekannt ist, kann durch klinisch-pathologische Korrelation schnell ein Ergebnis erzielt werden. Auch die Diagnose des Mischtyps (Infektion und Abrieb) und des infektiösen Typs kann durch exakte Quantifizierung des Anteils neutrophiler Granulozyten (CD15-positiver Zellen) erfolgen [3]. Standard bleibt jedoch die mikrobiologische Kultur, die allerdings bei Low-grade-Infekten eine relativ lange Kulturzeit erfordert oder komplett versagen kann. Dadurch gewinnt die molekulare Diagnostik von Low-grade-Infektionen an Bedeutung.