Übersichtsarbeiten - OUP 11/2019

Diagnostische und therapeutische Interventionen an der Lendenwirbelsäule
Eine evidenzbasierte Darstellung

Nach Sicherung der Diagnose eines Facettengelenkschmerzes durch korrekte Durchführung von kontrollierten MBBs, ist die Denervation der Facettengelenke die direkte therapeutische Konsequenz. Für die Kryodenervation existiert nur wenig Literatur und somit auch nur wenig Evidenz. International sehr gut untersucht ist hingegen die Radiofrequenz-Denervation, bei der der Medial Branch mittels Hitze koaguliert wird. Es wird also nicht die Schmerzursache behandelt, sondern die Schmerzweiterleitung langfristig unterbrochen. Der Erfolg dieses Verfahrens ist davon abhängig, dass eine möglichst lange Strecke des Nervs ausgeschaltet wird. Dies wird durch Wahl der Temperatur, der Dauer der Wärmeeinwirkung und durch die Dicke der Nadel (eine dickere Nadel erzeugt ein größeres Feld, empfohlen wird 18 G oder 16 G) erreicht. Ganz besonders wichtig ist aber die Anwendung einer korrekten Technik mit parallel zum Nerven liegender Nadel, damit eine lange Strecke denerviert wird (Abb. 4). Gegebenenfalls muss daher eine Hauteinstichstelle weit kaudal vom Zielpunkt gewählt werden (Abb. 5). Die Nadelposition muss unter Durchleuchtung dokumentiert werden (Abb. 6).

Gute Ergebnisse sind bei guter Patientenauswahl und korrekter Technik zu erwarten. In der Leitlinie „Spezifischer Kreuzschmerz“ [6] findet sich 100 % Konsens, dass die Radiofrequenz-Denervation bei Patienten mit Facettengelenkschmerzen erwogen werden kann. Bei der Auswertung der vorhandenen Literatur muss genau darauf geachtet werden, wie die Indikationsstellung (Patientenauswahl) erfolgte und welche Technik (Nadellage parallel oder orthograd) angewendet wurde. Exemplarisch sollen 2 aktuelle Studien erläutert werden.

Die recht aktuelle MINT-Studie aus Holland [7] erbrachte bei 681 Patienten keinen Vorteil der Radiofrequenz gegenüber rein konservativer Therapie. Allerdings wurden nur einmalige MBBs durchgeführt (nicht kontrollierte oder vergleichende MBBs), und es wurde nur 50 % Schmerzreduktion als Einschlusskriterium verwendet. Somit bestand eine hohe falsch-positive Rate, und Patienten ohne Diagnose eines Facettengelenkschmerzes wurden mit der Radiofrequenz-Denervation behandelt. Zudem wurde eine sehr dünne Nadel verwendet (22 G), die ein nur halb so großes Wärmefeld erzeugt im Vergleich zu einer 18-G-Elektrode. Eine parallele Nadellage wurde nicht beachtet.

Im Gegensatz dazu finden sich bei der Studie von MacVicar et al. [12] sehr strenge Einschlusskriterien und auch strenge Erfolgskriterien. So wurden nur Patienten eingeschlossen, die 100 % Schmerzreduktion des Index-Schmerzes nach 2 vergleichenden MBBs hatten. Es wurde streng auf eine parallele Nadellage geachtet. Als erfolgreich wurde eine Behandlung nur gewertet, wenn der Patient schmerzfrei war, zudem keine Schmerzmedikation benötigte und wieder voll in das Arbeitsleben eingegliedert war. Nach diesen Kriterien war die Radiofrequenz-Denervation bei 56 % der 106 Patienten nach 6 Monaten erfolgreich (Wirkdauer der ersten Denervation 15 Monate, bei Wiederholung 13 Monate).

Transforaminale Injektion (PRT)

Radikuläre Schmerzen oder eine Radikulopathie, bei der es zu einer Fehlfunktion (Sensibilitätsstörung oder Parese) der Nervenwurzel kommt, sind die einzige Indikation für eine PRT. Die Abkürzung meint nämlich periradikuläre Therapie, also eine Applikation von Medikamenten an die Nervenwurzel (Radix), genauer gesagt den ventralen Epiduralraum im Bereich des Spinalganglions ( Abb. 7). Es ist vor der Medikamentengabe unter Durchleuchtung die Kontrastmittelverteilung in das Neuroforamen und den Epiduralraum zu dokumentieren. Nur bei korrekter Darstellung kann von einer transforaminalen Injektion bzw. von einer PRT gesprochen werden.

Typischerweise wird ein Gemisch aus einem Lokalanästhetikum (z.B. Carbostesin) und Kortison verwendet. Es sollte kein kristallines Kortison (wie Triamcinolon) verwendet werden, da die Kristalle größer sind als Erythrozyten und somit bei intravaskulärer Injektion (A. Adamkiwicz) die Gefahr einer Embolie des Rückenmarks besteht. Empfohlen wird die Verwendung von Dexamethason. Zu beachten ist zudem, dass die Anwendung aller Kortikoide epidural off label geschieht.

Beim klassischen Zugang liegt die Nadel kranial der Nervenwurzel direkt unter dem Pedikel (supraneural, subpedikulär, Abb. 8). Als Variante kommt manchmal auch ein infraneuraler Zugang in Höhe des kranialen Nachbarsegments in Frage, bei dem die Medikamentenausbreitung in kaudaler Richtung erfolgt. Es ist wichtig, verschiedene Techniken (wie supraneuraler und infraneuraler Zugang) zu beherrschen, um die beste Möglichkeit für den entsprechenden Befund auswählen zu können.

Nur für korrekt durchgeführte Interventionen besteht eine gute Evidenz. Welche Ergebnisse erwartet werden können, zeigt ein systematischer Review von 12 Studien [13]. 70 % der Patienten erfuhren mindestens 50 % Schmerzreduktion. Bei 25–40 % der Patienten hielt die Wirkung 5–12 Monate an. Die Studie konnte zeigen, dass eine PRT kein Placebo ist, dass tatsächlich Operationen eingespart werden können und dass diese Intervention kosteneffektiv ist. Eine Wiederholung ist bei gutem Ansprechen möglich [14]. PRT-Serien ohne Erfolgskontrolle oder mehr als 3 Injektionen in kurzem Abstand sind nicht sinnvoll. Komplikationen einer PRT sind in einer Studie mit über 26.000 Patienten in 1,9 % der Fälle aufgetreten (davon 1,1 % vasovagale Synkopen) [2]. Durch die gezielte Medikamentenapplikation ist eine PRT auch der kaudalen epiduralen Injektion überlegen [11].

Interessenkonflikte:

Keine angegeben.

Literatur

1. Bogduk N, Dreyfuss P, Govind J: A narrative review of lumbar medial branch neurotomy for the treatment of back pain. Pain Med 2009; 10: 1035–45

2. Carr CM, Plastaras CT, Pingree M et al.: Immediate adverse events in interventional pain procedures: A multi-institutional study. Pain Med 2016; 17: 2155–61

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