Übersichtsarbeiten - OUP 01/2020

Die endoskopische Karpaldachspaltung
Historische Entwicklung und aktueller Stand

Alexander Schütz

Vorspann:

Das Karpaltunnelsyndrom ist das häufigste Engpass-Syndrom peripherer Nerven, das je nach
Ausprägung einer operativen Therapie zugeführt wird. Die lange Geschichte der Karpaldachspaltung weist unterschiedliche Zugangswege und Verfahren auf, von denen eines die endoskopische Karpaldachspaltung darstellt. Auch hier werden verschiedene Techniken beschrieben, deren
Vor- und Nachteile kontrovers diskutiert werden. Im vorliegenden Artikel wird die historische
Entwicklung der Karpalchirurgie, insbesondere der endoskopischen Karpaldachspaltung erläutert, Vor- und Nachteile aufgearbeitet und das vom Autor bevorzugte Verfahren illustriert.

Schlüsselwörter:
Karpaltunnelsyndrom (KTS), offene Karpaldachspaltung (OCTR), endoskopische Karpaldachspaltung (ECTR), Ligamentum Carpi Transversum (LCT)

Zitierweise
Schütz A: Die endoskopische Karpaldachspaltung. OUP 2020; 9: 012–021
DOI 10.3238/oup.2019.0012–0021

Summary: Carpal tunnel syndrome is the most common peripheral neuropathy, which can be treated surgically, if indicated. There is a long way of history and technical evolution in carpal tunnel surgery, resulting in different endoscopic carpal tunnel release procedures. The history, advantages and disadvantages of the open carpal tunnel release (OCTR) and endoscopic carpal tunnel release (ECTR) surgery are discussed and the author´s preferred technique is illustrated.

Keywords: carpal tunnel syndrome (CTS), open carpal tunnel release (OCTR), endoscopic carpal tunnel release (ECTR), transverse carpal ligament (TCL)

Citation: Schütz A: The endoscopic carpal tunnel release. OUP 2020; 9: 012–021.
DOI 10.3238/oup.2019.0012–0021

sporthopaedicum Straubing-Regensburg-Berlin-München, Straubing

Besonderer Dank gilt meinem sporthopaedicum-Team, meinen Praxiskollegen und den beiden Senior Partnern Dr. J. Eichhorn und Prof. M. Strobel für die konstruktive Zusammenarbeit über viele Jahre hinweg.

Äthiologie

Das Karpaltunnelsyndrom (KTS) ist das häufigste periphere Nervenkompressionssyndrom. Der N. medianus (C5–C8) ist dabei im Bereich des Karpalkanals eingeengt. Dabei kann das Karpaldach (Lig. carpi transversum) direkt verdickt sein oder die Enge resultiert indirekt aus einer unphysiologischen Gewebevermehrung im Karpalkanal. Erkrankungen des N. medianus selbst können die Symptome eines Karpaltunnelsyndroms imitieren, sind aber nomenklatorisch und therapeutisch davon zu trennen. Etwa jeder 10. Mensch erkrankt im Laufe seines Lebens an einem Karpaltunnelsyndrom. Frauen sind dabei 3-mal so häufig betroffen wie Männer, ihr Erkrankungsgipfel liegt bei 45–54 Jahren, wobei auch gehäuft bei jüngeren Frauen ein KTS verzeichnet wird. Männer erkranken später als Frauen, vermehrt wird ein KTS ab 45 Jahren beobachtet mit einem relativen Erkrankungsgipfel zwischen 75 und 84 Jahren [20] (Tab. 1).

Anatomische Grundlagen

Die Unteramfaszie (Fascia antebrachii) geht auf Höhe des Radiocarpalgelenks, unter der Sehne des M. palmaris longus, direkt in das Karpaldach über, welches sich aus dem oberflächlicheren Lig. carpi palmare und den tieferen Verstärkungszügen, dem Retinakulum flexorum, zusammensetzt [35]. Deren zentrales Segment wird als Lig. carpi transversum (LCT) bezeichnet. Das LCT bildet das Dach des Karpalkanals, in dem 9 Beugesehnen und der N. medianus verlaufen. Drei Muskeln entspringen mit einem Anteil vom LCT. Radial der M. abductor pollicis brevis und M. flexor pollicis brevis, ulnar der M. flexor digiti minimi brevis [29]. Der Boden des Karpalkanals wird von den 8 Handwurzelknochen gebildet. Das LCT ist knapp 30 mm lang, ca. 20 mm breit und im Mittel 2 mm dick. Das distale Ende liegt auf Höhe der Karpometakarpalgelenke. Wenige Millimeter distal davon verläuft der oberflächliche arterielle Hohlhandbogen. Die physiologische Engstelle, die Taille des Kapalkanals, liegt auf Höhe des Hamulus ossis hamati. Der N. medianus gibt variabel am distalen Unterarm, ca. 4–6 cm proximal der Raszetta, den sensiblen R. palmaris ab, der die Hohlhand radialseitig innerviert. Ebenfalls variabel verläuft der motorische R. thenaris, der auf Höhe des Karpalkanals extraligamentär (46 %) subligamentär (31 %) oder transligamentär (23 %) abzweigt [35] (Abb. 1).

Historie

Offene Karpalkanalchirurgie – die Anfänge und
frühe Publikationen

Erstmals wurde von Sir James Paget 1854 die Klinik des Karpaltunnelsyndroms erkannt, als sich ein Patient mit massiver Kallusbildung nach distaler Radiusfraktur vorstellte, die zu einer Kompression des N. medianus geführt hatte. Durch Anlage einer Bandage, die zu einer Entlastung des Nervs führte, verwirklichte Paget ein Konzept der konservativen Therapie, welches bis heute Bestand hat: „A man was at Guy‘s Hospital, who, in consequence to a fracture at the lower end of the radius, repaired by an extensive quantity of new bone, suffered compression of the median nerve. He had ulcerations of the thumb, and fore and middle fingers, which resisted various treatments, and was cured only by so binding the wrist that the parts of the palmar aspect being relaxed, the pressure on the nerve was removed. So long as this was done, the ulcers became and remained well; but as soon as the man was allowed to use his hands, the pressure on the nerves was renewed, and the ulceration of the parts supplied by them returned“ [28]. In einem anderen Fall wurde einem Patienten die Hand amputiert, nachdem er ein Karpaltunnelsyndrom in Folge einer Strangulationsverletzung durch einen Strick entwickelte. Dies setzte sich glücklicherweise nicht als Standardmaßnahme beim Karpaltunnelsyndrom durch. Die typischen Symptome, die wir heute als brachialgia paraesthetica nocturna kennen, wurden 1880 trefflich von James Putnam beschrieben: „... disturbances of a subjective sensibility of the skin, giving rise to what is popularly known as numbness recurring periodically, coming on especially at night ... in some cases simply letting the arm hang out of the bed or shaking it about for some moments would drive the numbness away“ [34].

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