Übersichtsarbeiten - OUP 01/2020
Die endoskopische KarpaldachspaltungHistorische Entwicklung und aktueller Stand
Sozusagen als Dritter im Bunde entwickelte John Agee gemeinsam mit 3M (3M Orthopedic Products Division, St. Paul, MN) ein 1-Portal-System zur endoskopischen Karpaldachspaltung. Das Alleinstellungsmerkmal dieses Designs war das rinnenförmige Instrument, in dem platzsparend ein ausklappbares Messer integriert war. In diese Rinne wurde außerdem die Optik eingeschoben und an einen Pistolengriff mit Abzugsmechanismus für die Klinge gekoppelt. Diese Funktionseinheit wurde dann mit einem Videomonitor verbunden. Der Zugang liegt knapp ulnar der Palmaris-longus-Sehne in einer Handgelenkbeugefalte. Nach Inzision der Unterarmfaszie mit Bildung eines distal gestielten U-förmigen Lappens wird der Raum unter dem LCT mit einem Dilatator aufgeweitet und dann die Messer/Kameraeinheit eingeführt. Die Durchtrennung des LCT erfolgt retrograd von distal nach proximal. Bedingt durch einen Designfehler konnte der Operateur in der Original-Baureihe die ausgefahrene Messerspitze nicht sehen, da das Fenster für die Optik proximal des Ausklappmechanismus platziert war. Nach einer Reihe von Nerven-, Sehnen-, und Gefäßverletzungen nahm M3 Ende 1990 die Serie vom Markt und brachte 1992 eine überarbeitete Version heraus, bei welcher dieser Fehler behoben war.
Diese bahnbrechenden Arbeiten stellen den Beginn der endoskopischen Karpaldachspaltung dar, auf denen im Prinzip alle weiteren endoskopischen Entwicklungen aufbauten, die aber auch die offene Karpaltunnelchirurgie kompetitiv vorantrieben.
Tabellarische Übersicht der
operativen Verfahren zur endos
kopischen Karpaldachspaltung
Zahlreiche Hersteller bieten heute Instrumente zur endoskopischen Karpaldachspaltung an. Rein endoskopische Verfahren können in 1-Portal- oder 2-Portal-Technik durchgeführt werden. Die Präparations- bzw. Schnittrichtung kann dabei anterograd, d.h. in Verlängerung zum Zugang, oder retrograd, d.h. zum Zugang hin erfolgen. Endoskopisch unterstützte Verfahren versuchen, die Vorteile der offenen Chirurgie, man denke an die separate Präparation des motorischen Thenarasts, mit denen der Endoskopie, also einer optimalen bildlichen Darstellung zu verknüpfen. Techniken mit Lichtquelle, aber ohne Optik/Kameraeinheit, wurden in Tabelle 2 nicht berücksichtigt.
1-Portal-Technik der endoskopischen Karpaldachspaltung
Wenn möglich, sollte unserer Meinung nach bei geringerem Zugangstrauma mit nur einem Schnitt die 1-Portal-Technik bevorzugt werden. Der Zugang liegt hinsichtlich der Narbenbildung außerdem in einer unproblematischeren Region als bei einem Hohlhandzugang. Bei der 1-Portal-Technik hat sich die Methode nach Agee mit Modifikationen durchgesetzt. Eine Blutleere ist unserer Meinung nach erforderlich. Blutungen im Karpalkanal sind zu vermeiden! Sie können endoskopisch nicht sicher gestillt werden und führen bei unklaren endoskopischen Sichtverhältnissen zum Umstieg auf ein offenes Verfahren. Die Operation erfolgt bei uns daher in Larynxmaskennarkose oder Plexusanästhesie. Die intravenöse Regionalanästhesie ist ebenfalls möglich, birgt aber bei venöser Stase Blutungsrisiken. Falls der wache Patient die Blutleere für die Operationsdauer toleriert, kann auch der Handblock als Anästhesieverfahren Anwendung finden.
Operative Schritte 1-Portal-Technik modifiziert nach Agee
Lagerung (Abb. 2): Der Arm des Patienten wird auf einem Handtisch ausgelagert. Das Handgelenk ist moderat über einer Unterlage (z.B. zusammengerollte Op-Tücher) extendiert. Beim rechtsseitigen KTS sitzt der rechtshändige Operateur axillär, beim linksseitigen KTS kopfseitig. Die dominante Hand des Operateurs präpariert immer anterograd in Richtung Fingerspitzen. Der Monitor ist gegenüber positioniert.
Zugang (Abb. 3): Der Zugang wird präoperativ angezeichnet. Er befindet sich unmittelbar ulnar der Palmaris-Longus-Sehne und ist 1,5 cm breit. Die Inzision verläuft unauffällig und quer im Hautspaltlinienverlauf, ggf. in der Restrikta. Die Raszetta eignet sich weniger, da dort fibröse Spangen die Präparation erschweren können. Sicherheitshalber wird der Patient über ein offenes Verfahren im Ausweichfall aufgeklärt (gestrichelte Mini-Inzision).
Präparation (Abb. 4): Kleinere Venen werden seitlich abpräpariert oder bipolar elektrokoaguliert. Nerv und A. ulnaris liegen ulnar außerhalb des Präparationsgebietes und werden nicht dargestellt. Unmittelbar ulnar neben der Sehne des PL wird die Unterarmfaszie auf 1,5 cm quer inzidiert und der direkt darunter liegende N. medianus gesichtet.
Tunnelformung (Abb. 5): Mit einem stumpfen Klemmchen wird der Raum zwischen N. medianus und Karpaldach eingefahren und dann schrittweise mit 2 Dilatatoren (4,8 mm und 6,8 mm) aufgedehnt. Die Biegung des Dilatators wird ulnar ausgerichtet, sodass der Hamulus ossis hamati als engste Stelle elegant umfahren werden kann. Mit dem Raspatorium („synovial elevator“) wird dann anhängendes Synovialgewebe von der Unterfläche des LCT geschabt, bis ein waschbrettartiges Feedback erhalten wird. Dieser Schritt ist entscheidend für die spätere klare endoskopische Darstellung des LCT.
Endoskopische Karpaldachspaltung (Abb. 6): Wir verwenden eine Weiterentwicklung des ursprünglichen Agee Instruments, wobei u.a. der Pistolengriff durch ein Einmal-Handstück ersetzt wurde, in welches eine flexible, d.h. ein- und ausklappbare Skalpellklinge integriert ist. In dieses Handstück wird eine übliche 30°-Winkeloptik mit 2,7 mm Durchmesser eingesetzt, an einen Kamerakopf gekoppelt und mit der Videoeinheit verbunden. Ausklappbares Messer und Optikschiene bilden eine funktionelle Einheit. Über einen Triggermechanismus kann die Skalpellklinge unter endoskopischer Sicht beliebig aus- und eingefahren werden (Abb. 7). Das Instrument wird in den Karpaltunnel eingeführt und die Unterseite des LCT visualisiert. Ggf. unter mehrmaligem Vor- und Zurückschieben in Projektion auf den 4. Strahl wird der distale Rand des LCT identifiziert. Ein Abweichen nach radial ist zur Schonung des motorischen Thenarasts zu vermeiden!
Von distal nach proximal wird in mehreren Schritten das LCT vollständig gespalten. Wird zuerst proximal gespalten, kann Fettgewebe prolabieren, was die weitere Präparation erschwert oder verunmöglicht. Photodokumentation der sichtbaren Schnittränder des LCT und des unverletzten N. medianus, der durch Rollen der Optik nach radial gut dargestellt werden kann. Rückzug des Instruments. Sollte proximal des Zugangs die Unterarmfaszie auffällig verdickt sein und den N. medianus einengen, kann diese ergänzend auf wenige Zentimeter gespalten werden (Abb. 8–11).