Übersichtsarbeiten - OUP 04/2016
Die fluroskopisch assistierte Injektion am medialen Ast des FacettengelenksEvidente Methode oder Jagd nach einem Phantom?Evident method or hunting a phantom?
Diese neuen Zahlen konnten erst mit dem Wissen evaluiert werden, dass es keine klinische Untersuchungsmethode bezüglich der Facettengelenkschmerzen gibt und erst Studien, die mit doppelten Blocks in größerer Zahl die Prävalenz untersuchten, konnten diese eindrücklichen Zahlen belegen.
Auch die Ausstrahlungen bei Störungen im Facettengelenk wurden entsprechend untersucht. Man untersuchte bei gesunden Patienten, dass die nozizeptive Stimulation der Gelenke Rückenschmerzen mit Ausstrahlung in die unteren Extremitäten auslösen [16, 17] (Abb. 3, Ausstrahlung lumbal).
Im Bereich der Halswirbelsäule wurden solche Untersuchungen durch die intraartikuläre Gabe von Kontrastmittel durchgeführt. Hier kam es bei Stimulation an den jeweiligen Gelenken verschiedener Probanden zu bestimmten schmerzhaften Ausstrahlungen im Sinne eines referred pain patterns [18] (Abb. 1 Ausstrahlung zervical). In weiteren Arbeiten stellte sich heraus, dass der größte Teil der Ausstrahlung in den Hinterhaupt- und Parietalbereich des Kopfs vom Segment C2/3 ausgingen, der Hauptteil der Nacken und Schulterblattschmerzen vom Segment C5/6 [19, 20].
Erwähnenswert in diesem Zusammenhang ist noch eine Arbeit von Manchikanti [21], in die 160 Patienten bei chronischen Nackenschmerzen eingeschlossen wurden. Untersucht wurde mit diagnostischen Blocks zunächst mit 1%-igem Lidocain, dann im Abstand von 2–4 Wochen ein zweiter Block mit 0,25 % Bupivacain. 48 % der Patienten hatten einen traumatischen Hintergrund, meist HWS-Distorsionen, die übrigen degenerative Veränderungen. Insgesamt ergab sich eine Prävalenz von Facettenbeschwerden in dieser Patientengruppe von 60 %, bei denen ein doppelter Block eine Verbesserung erheblichen Ausmaßes ergab.
Warum nicht intra- oder
periartrikulär?
Generell sind an den Facettengelenken der gesamten Wirbelsäule ab C 2/3 nach kaudal 2 Injektionstechniken möglich. Die intraartikuläre Injektion oder die Anästhesie der beiden entsprechenden gelenkinnervierenden Nerven, den Rami mediales der dorsalen Spinalnerven (Abb. 2). Wie weiter vorne bereits berichtet, konnte die zweite Technik erst durch das genauere Wissen der Anatomie der zuführenden Äste entsprechend genutzt werden. Daher trat in einem bestimmten Bereich der interventionellen Schmerztherapie besonders im angloamerikanischen Raum unter Leitung der ISIS (seit Juli 2015 in SIS umbenannten) Gesellschaft, die Blockade des medialen Asts in den Vordergrund. Unabhängig davon verfolgten andere Gruppierungen, insbesondere die Radiologen mit der CT-gesteuerten Infiltration, weiter eine periartikuläre oder intraartikuläre Gabe. Die Wirksamkeit wurde jedoch bereits Ende der 80er bis Anfang der 90er Jahre häufig in Studien angezweifelt [22].
Noch immer verfolgen andere Strömungen in der interventionellen Schmerztherapie, hier insbesondere Radiologen, durch die CT-gesteuerte Facettengelenkinjektion die Idee, eine periartikuläre oder intraartikuläre Injektion durchzuführen [23]. International wird dies jedoch von den großen Schmerzgesellschaften, die auch interventionell arbeiten, heutzutage abgelehnt. Einige Studien zeigen keine Überlegenheit einer intraartikulären Facetteninjektion gegenüber einer Sham-Injektion [24].
In den aktuellen Guidelines der SIS [20, S 101–102] werden folgende Gründe für die Diagnostik der lumbalen und zervikalen Facettengelenke durch Blockade des medialen Asts angeführt:
Ramus medialis – Blockaden sind einfacher durchzuführen.
Ramus medialis – Blockaden sind sicherer und zweckdienlicher.
Ramus medialis – Blockaden sind einfacher in kontrollierter (wiederholter) Form durchführbar.
Intraartikuläre Blockaden haben keine therapeutische Implikation, da keine intraartikuläre Behandlungstechnik existiert.
Im Gegensatz dazu kann nach einer positiven Diagnostik durch die Ramus-medialis-Blockade eine Radiofrequenz-Neurotomie (RFN) derselben erfolgen.
Wie gut sind die Blocks des medialen Ramus in der
medizinischen Evidenz?
Diagnostische Blockaden durch Ausschaltung am Ramus medialis an den Facettengelenken sind struktur- und wirkspezifisch. Man konnte in Studien nachweisen, dass eine Menge von 0,3–0,5 ml Lokalanästhetikum ausreicht, um den Ramus medialis an den Facettengelenken sicher zu umfluten und zu anästhesieren [25, 26]. Gleichzeitig zeigte sich in Arbeiten jedoch auch, dass einzeitige diagnostische Ramus-medialis-Blockaden mit einer deutlich erhöhten Quote von falsch positiven Raten behaftet sind (zervikal 26 %, lumbal 25–38 %) [27, 28].
Aus diesem Grunde wird empfohlen, dass jede positive Ramus-medialis-Blockade kontrolliert werden muss. Hilfreich sind hierfür entsprechende Protokolle, die im Abstand z.B. von 0, 1, 3, 6, 12, 24 und 48 Stunden die Schmerzstärke der Visuellen Analogskala abfragen. Grund hierfür ist, dass die Patienten sich meist nicht erinnern können bei einer Kontrolluntersuchung nach 10–14 Tagen, wie der Verlauf der Schmerzen in den ersten 48 Stunden war.
In der Praxis haben sich 2 Alternativen für Doppelblockaden bewährt. Entweder man benutzt eine vergleichende Blockade mit einmal einem lang wirksam Lokalanästhetikum (z.B. Bupivacain) und bei der 2. Injektion ein kurz wirksames (z.B. Mepivacain) und vergleicht die Dauer der Schmerzlinderung. Zeigt sich in den Aufzeichnungen auch eine entsprechende Wirkzeit, wird ein solcher Block als konkordant bezeichnet. Im placebokontrollierten Vergleich ergab sich eine Sensitivität von 86 % und eine Spezifität von 65 % [29]. Im klinischen Alltag wird jedoch häufig eine Doppelblockade mit dem gleichen Lokalanästhetikum durchgeführt, als positiv wird die Diagnostik gewertet, wenn die Schmerzen deutlich reduziert waren (mindestens 75 % des Ausgangswerts).
Im Rahmen der Wertigkeit und Evidenz von Blocks und auch anderen interventionellen Methoden in der Schmerztherapie soll auf die bereits oben erwähnte Arbeit mit 54 Autoren durch Manchikanti et al. [10] hingewiesen werden, die gleichzeitig die Guidelines der American Association of Interventional Pain Physicians darstellt.