Originalarbeiten - OUP 12/2012
Die lumbale Charcot-Osteopathie – eine seltene und
späte Komplikation der Querschnittlähmung. 4 Fallbeispiele
späte Komplikation der Querschnittlähmung. 4 Fallbeispiele
Diagnosestellung:
Bei Diagnosestellung gab die Patientin keine Symptomatik an, die auf eine Affektion der Lendenwirbelsäule schließen ließ. Der V.a. Charcot-Osteopathie ergab sich als Zufallsbefund im Rahmen einer Röntgenaufnahme der LWS (02.07.2008) die außerhalb durchgeführt worden war. Über die Indikation der Röntgendiagnostik liegen uns keine Informationen vor. Infektionszeichen traten auch im weiteren Verlauf nicht auf.
Zur Diagnosestellung wurde am 01.08.2008 eine Kernspintomographie sowie eine Computertomographie der LWS durchgeführt, mit Darstellung der Destruktion von LWK 4 und 5.
Verlauf:
Man entschied sich für die konservative Therapie, die Patientin hatte bezüglich der Osteopathie keine Beschwerden, zudem bestand aufgrund der ausgeprägten Adipositas ein erhöhtes operatives Risiko. Die computertomografischen und kernspintomografischen Kontrollen zeigten im Verlauf geringe Änderungen. Am 05.02.2009 wird in einer CT-Kontrolle eine geringe Zunahme der Osteopathie beschrieben, in der kernspintomografischen Kontrolle vom 05.02.2009 die Nekrose als langsam progredient sowie am 08.10.2009 die Nekrosehöhle als besser demarkiert.
Symptome der LWS-Affektion sowie Entzündungs- oder Infektionszeichen traten nicht auf.
Als zusätzliche pathogene Faktoren spielen sicher die ausgeprägte Adipositas sowie eventuell auch der Diabetes mellitus eine gewisse Rolle.
Patient D
ist männlich und bei Diagnosestellung 54 Jahre alt.
Die Charcot-Osteopathie in Höhe LWK 2/3, wurde 3,5 Jahre nach Fraktur des 6. und 7. Halswirbelkörpers mit der Folge einer seither bestehenden sensibel inkompletten aber motorisch kompletten Tetraplegie gestellt.
In der Jugend litt er unter Morbus Scheuermann. Seit Jahren hatte er, verursacht durch die Rückenmarksläsion, neurogen bedingte schmerzhafte Missempfindungen.
Diagnosestellung:
Bei Diagnosestellung gab der Patient eine deutliche Verstärkung der Spastik im Bereich der Beine und des Rumpfes an, mit der Folge funktioneller Beeinträchtigungen z.B. beim Transfer.
Am 20.01.2011 wurden eine Kernspintomographie sowie eine Computertomographie der LWS und eine Übersichtsröntgenaufnahme in 2 Ebenen durchgeführt.
Anhand der Übersichtsaufnahme werden in Höhe LWK 2/3 eine „Sklerosierungsreaktion“ mit Unschärfe der Abschlussplatten und der angrenzenden Wirbelkörperabschnitte beschrieben. In der Kernspintomographie wird in Höhe LWK 2/3 eine Usurierung der Abschlussplatten sowie eine Höhenminderung des Zwischenwirbelraumes mit Signalanhebung der Bandscheibe in der TIRM beschrieben, in der Computertomographie ausgeprägte Konturdefekte an den korrespondierenden Schlussplatten mit leichter Umgebungssklerose sowie rechts lateral ein breiter Osteophyt, der den Zwischenwirbelraum fast überbrückt.
Die Veränderungen in Höhe LWK 2 und 3 gehen über eine „erosive Osteochondrose“ hinaus. Diskutiert werden anhand dieser radiologischen Befunde sowohl ein „Low-grade-Infekt“ als auch eine „Spondylodiszitis“. Letztlich waren diese Verdachtsdiagnosen aufgrund der Laborergebnisse und der Histologie nicht haltbar.
CRP und Leukozyten waren bei Diagnosestellung normal. Das am 21.02.2011 operativ gewonnene Gewebe zeigte erstens hochgradig degenerativ verändertes Bandscheibengewebe sowie zweitens hochgradig degenerativ verändertes Bandscheibengewebe mit spärlich spongiösen Knochengewebe mit Zeichen des Knochenumbaus. Entzündliche oder infektiöse Hinweise ergaben sich keine.
Interessanterweise war bereits im Dezember 2005 im Rahmen einer Wirbelsäulenganzaufnahme eine Spondylosis deformans der Deckplatte von LWK 2 und 3 beschrieben worden, im Oktober 2006 osteophytäre Anbauten in Höhe LWK 2 und 3. Die Aufnahmen liegen uns leider nicht vor.
Verlauf:
Die Therapie war operativ. Am 17.02.2011 wurde die ventro-dorsale Dekompressionsspondylodese in Höhe LWK 2 und 3 mit Bandscheibenausräumung und Interposition eines Titankorbes in das Bandscheibenfach LWK 2/3 durchgeführt. 3 Monate postoperativ erhielt der Patient prophylaktisch Clindamycin. Die vom Patienten geschilderte Zunahme der Spastik bildete sich postoperativ leider nicht zurück. Noch 17 Monate postoperativ schildert Patient D eher eine weitere Zunahme der spastischen Tonuserhöhung. Die Röntgenkontrolle und CT-Kontrolle ohne Kontrastmittelgabe ergibt 17 Monate postoperativ einen regelrechten Befund, weiterhin ohne Infektzeichen. Fragliche Lockerungssäume um die Schrauben in LWK 2 sind kontrollbedürftig.
Zusätzliche pathogene Faktoren, die eine Affektion an der LWS begünstigen könnten, lagen keine vor. Der Morbus Scheuermann in der Jugend dürfte hier keine wesentliche Rolle spielen. Interessant sind hier die bereits Jahre zuvor beschriebenen radiologischen Veränderungen in Höhe von LWK 2 und 3 als erste Anzeichen der progredienten Osteopathie.
Zusammenfassung
4 Fallbeispiele mit lumbaler Charcot-Osteopathie als Spätkomplikation im Verlauf einer Querschittlähmung werden dargestellt.
Dabei handelt es sich um 2 Männer und 2 Frauen im Alter von 49 bis 59 Jahren. Der Lähmungseintritt liegt zwischen 3,5 und 40 Jahre zurück. 3 der Betroffenen haben eine sensomotorisch komplette Paraplegie, alle 3 mit einer Charcot-Osteopathie in Höhe LWK 4/5. Ein Betroffener leidet unter einer sensibel inkompletten, aber motorisch kompletten Tetraplegie und entwickelt eine Charcot-Osteopathie in Höhe LWK 2/3. 2 der Paraplegiker sind an der LWS vorinstrumentiert, jeweils von der BWS aus nach caudal bis in Höhe LWK 1 bzw. LWK 4. Die beiden anderen Betroffenen sind an der LWS nicht voroperiert bzw. vorinstrumentiert.
Die Diagnose wird anhand der typischen Lokalisation, der radiologischen, insbesondere computertomografischen und kernspintomografischen Befunde und dem fehlendem Nachweis von Entzündungszeichen gestellt.
Die klinische Symptomatik, die bei Diagnosestellung auf die Charcot-Osteopathie zurückzuführen war, ist vielfältig und in der Regel im Vergleich zum Ausmaß der knöchernen Veränderungen gering. In einem Fall lag keine klinische Symptomatik vor, andererseits wurden eine Zunahme der Bein- und Rumpfspastik, ein Instabilitätsgefühl im Bereich der LWS mit sicht- und tastbarer Schwellung ebenda und in einem Fall ein plötzliches Sistieren der vorbestehenden erheblichen Beinspastik geschildert. Bei der Paraplegikerin mit plötzlich sistierender Spastik versagte gleichzeitig der seit 20 Jahren einwandfrei funktionierende Brindley-Stimulator. Schmerzen im Bereich der LWS wurden in keinem Fall beklagt.