Übersichtsarbeiten - OUP 06/2017
Die Patella in der Endoprothetik
Armin Keshmiri1, Philip Schöttle1, Joachim Grifka2, Günther Maderbacher2
Zusammenfassung: Zur Vermeidung postoperativer Beschwerden in der Knieendoprothetik ist ein zentraler Lauf der Patella in der Femurkomponente essenziell. Die Ausrichtung der Prothesenkomponenten spielt hierbei eine entscheidende Rolle. Die koronare, sagittale, aber vor allem auch die axiale Ausrichtung sowohl der femoralen als auch der tibialen Komponente sollte sowohl isoliert betrachtet werden, jedoch vor allem kombiniert. Auch die mediolaterale Ausrichtung der Komponenten und die Wahl der chirurgischen Patellaintervention scheinen mögliche Faktoren für das Auftreten postoperativer Beschweren im Bereich des Patellofemoralgelenks darzustellen. Um bei bestehenden Beschwerden eine Komponentenfehlplatzierung oder eine Patella baja/alta auszuschließen gilt es nach erfolgter klinischer Untersuchung des Patellofemoralgelenks, die entsprechende Bildgebung mit konventionellem Röntgen und Computertomografie einzuleiten. Bei verifizierter Pathologie gilt es die Beschwerdesymptomatik für mindestens 3 Monate konservativ zu therapieren bevor eine chirurgische Intervention weichteiladressierend bis hin zum Komponentenwechsel durchgeführt wird.
Schlüsselwörter: Patella, Knieendoprothetik, vorderer
Knieschmerz, Patellatracking, Komponentenausrichtung
Zitierweise
Keshmiri A, Schöttle P, Grifka J, Maderbacher G: Die Patella in der Endoprothetik.
OUP 2017; 6: 328–333 DOI 10.3238/oup.2017.0328–0333
Summary: To prevent discomfort and pain after total knee replacement, a central patella tracking is essential. Positioning of the prosthetic components plays an important role in this manner. Coronar, sagittal and especially axial component alignment of the femoral and tibial component should be analysed isolated but also combined. Furthermore, mediolateral component alignment and the joice of surgical patellar intervention seem to be risk factors regarding the development of postoperative pain in the patellofemoral joint. To analyse component malalignment or a patella baja/alta in the painful knee a conventional radiograph and a computer tomography should be performed after clinical examination of the patellofemoral joint. Even if a pathology could be found, conservative treatment should be performed for at least 3 month before a surgical soft tissue intervention or a component revision surgery is planed.
Keywords: patella, knee replacement, anterior knee pain,
patellar tracking, component alignment
Citation
Keshmiri A, Schöttle P, Grifka J, Maderbacher G: The patella in knee replacement.
OUP 2017; 6: 328–333 DOI 10.3238/oup.2017.0328–0333
Einleitung
Ein nicht unwesentlicher Anteil an Komplikationen nach Implantation eines künstlichen Kniegelenks wird auf das Patellofemoralgelenk zurückgeführt. Diese werden in der Literatur mit bis zu 20 % angegeben [8, 12, 23].
Sowohl die korrekte knöcherne Resektion und Positionierung der Komponenten als auch additiv-weichteiladressierende Maßnahmen reduzieren das Risiko patellofemoraler Komplikationen und beeinflussen das postoperative Ergebnis wesentlich.
Im Folgenden soll sowohl auf die Positionierung der Komponenten als auch auf zusätzliche weichteiladressierende Maßnahmen in Hinblick auf das Patellofemoralgelenk in der Knieendoprothetik eingegangen werden.
Ursachen der Patellaproblematik in der Endoprothetik
Komponentenmalalignment
Koronares Malalignment
Wie in der gelenkerhaltenden Kniechirurgie, beeinflusst auch die in der Knieendoprothetik iatrogen verursachte Valgusfehlstellung die patellofemorale Kinematik und Stabilität sowie die retropatellaren Druckverhältnisse maßgeblich. Eine Valgusdeviation der koronaren Achsausrichtung geht mit einer Vergrößerung des nach lateral gerichteten Kraftvektors einher, der sich aus dem Ligamentum patellae und dem Musculus quadriceps bildet. Diese Fehlstellung gilt es in der Knieendoprothetik aufgrund aller bekannten negativen Konsequenzen für das Patellofemoralgelenk, wie patellare Subluxation und vergrößerter patellarer Tilt mit resultierendem vorderen Knieschmerz zu vermeiden [7].
Die intramedulläre Ausrichtung der Komponenten, insbesondere in der Revisionsendoprothetik, birgt die Gefahr einer koronaren Fehlpositionierung. Außerdem konnte gezeigt werden, dass der präoperativ gemessene Valguswinkel aufgrund der Projektionsungenauigkeit der Ganzbeinstandaufnahme nicht sicher bestimmt werden kann [18]. Die Valguswinkeleinstellung von 7° reproduziert aber im Mittel die geringste koronare Achsabweichung von der geraden Beinachse [19]. Gerade in der Revisionsendoprothetik, wenn lange intramedulläre Schäfte verwendet werden, sollte auf die exakte koronare Ausrichtung der Komponenten geachtet werden und diese zusätzlich extramedullär überprüft werden, um eine Valgusdeviation zu vermeiden (Abb. 1a–b).
Sagittales Malalignment
Auch die sagittale Komponentenplatzierung beeinflusst nachweislich die patellofemorale Stabilität. In einer Kadaveruntersuchung konnte gezeigt werden, dass die Änderung der sagittalen Komponentenausrichtung die mediolaterale Translation der Patella signifikant beeinflußt [11]. Eine Änderung der femoralen Komponentenflexion von 0° auf 5° mit einer Erhöhung des posterioren tibialen Slope um 1° resultierte in einer Lateralverschiebung der Patella von ca. 17 mm. In einer weiteren Untersuchung konnte gezeigt werden, dass die durchschnittliche Flexion der femoralen Komponente unter Verwendung gängiger intramedullärer Ausrichtinstrumentarien 4,4° zur mechanischen Achse beträgt [21]. Ferner wurde nachgewiesen, dass eine zu starke Flexion der Femurkomponente zu schmerzhaftem Kniescheibenreiben und vorderem Knieschmerz führt [26]. In der aktuellen Literatur wird eine Flexion der femoralen Komponente zur Rekonstruktion einer zufriedenstellenden tibiofemoralen Kinematik von 0–3° empfohlen [17]. Die teils propagierte bewusste Flexion der femoralen Komponente zur Beeinflussung des Beugespalts sowie zur Optimierung der Beugefähigkeit sollte jedoch unter patellofemoralen Gesichtspunkten kritisch beäugt werden.
Axiales Malalignment
Genau wie bei angeborenen Rotationsfehlern der unteren Extremität beeinflusst die Rotation der Komponenten in der Knieendoprothetik wesentlich die patellofemorale Stabilität. Hierbei werden unterschiedliche anatomische Orientierungshilfen zur korrekten Ausrichtung der femoralen Komponente bei der „Measured-resection“-Technik herangezogen. Die Ausrichtung nach der chirurgischen transepikondylären Achse (sTEA), der posterioren Kondylenline (PCL) oder der Whitesideline finden hierbei trotz erheblicher Ungenauigkeit am häufigsten Gebrauch. Hinsichtlich der tibialen Komponentenrotation gibt es unterschiedliche Versuche, eine entsprechende Referenz zu finden. Bislang findet hierbei die Ausrichtung nach Akagi, die sich am medialen Drittel der Tuberositas tibiae und dem hinteren Kreuzband orientiert, die breiteste Anwendung [1]. Die von manchen Operateuren propagierte „Selbstausrichtung“ der tibialen Komponente nach mehreren Extensions- und Flexionszyklen stellt eine weitere Möglichkeit dar. Als Standard gilt trotzdem nach wie vor die Betrachtung der kombinierten Komponentenrotation nach Berger [3]. Eine femorale Innenrotation der Komponente zur Epikondylenlinie von mehr als 3° und eine tibiale Innenrotation der Komponente zur Tuberositas tibiae von mehr als 18° wird hierbei bislang als pathologisch beurteilt und sollte demnach auf jeden Fall vermieden werden. Allgemein gehaltene Normwerte wie diese sollten jedoch aufgrund neuerer Datenlage kritisch hinterfragt werden. In einer Kadaveruntersuchung konnte gezeigt werden, dass die größte Änderung der tibiofemoralen Kinematik in der Kombination von forcierter femoraler Innenrotation und tibialer Außenrotation der Komponenten resultiert [20]. Ebenso zeigte die bandspannungsadaptierte Ausrichtung der Femurrotation mit einem mittleren Außenrotationswert von circa 6° in Bezug auf die posteriore Kondylenlinie die bestmögliche Wiederherstellung der natürlichen patellofemoralen Kinematik bei Verwendung eines speziellen Prothesentyps [12].