Originalarbeiten - OUP 01/2012
Die periprothetische Gelenkinfektion: Diagnostik und TherapiePeriprosthetic joint infection: diagnosis and treatment
Die Symptomatik der periprothetischen Infektion unterscheidet grundsätzlich zwei Formen, wobei Mischbilder nicht selten in der klinischen Routine gesehen werden (Tab. 4). Die akute Infektion zeigt sich in einer teils fulminanten Verschlechterung der Prothesenfunktion und auch des Gesundheitszustands des Patienten. Fast konträr hierzu zeigt sich die chronische Infektion mit dumpfen Schmerzen, welche vielleicht schon seit der Primärimplantation bestehen. Eine Arthrofibrose kann manchmal sogar das führende Symptom sein [10]. Systemische Entzündungszeichen fehlen in der Regel ganz, lokale sind allenfalls diskret ausgebildet. Septische Krankheitsbilder werden hierbei nur sehr selten beobachtet.
Diagnose
Anhand folgender fünf Parameter gelingt es in der überwiegenden Anzahl der Fälle eine periprothetische Infektion nachzuweisen.
Anamnese
Bildgebung
Blutparameter
Mikrobiologie
Histologie
Bei der klinischen Untersuchung soll hierbei neben dem Lokalbefund auch eine ausführliche Anamnese erhoben werden. Postoperative Komplikationen wie Wundheilungsstörungen oder Hämatome sollen gezielt erfragt werden. Bezüglich des Lokalbefundes gilt nach wie vor, dass nur eine offensichtliche Fistel oder ein mit dem Gelenk kommunizierender Abszess als einzig sicherer Nachweise für eine Infektion gelten. Eine sterile Fistel gibt es nicht!
Röntgen
Konventionelle Röntgenbilder des betroffenen Gelenks sollten mit Altaufnahmen verglichen werden. Bezüglich der Diagnose „Infekt“ gilt das Röntgen als gering sensitiv und auch spezifisch. Wichtige Zeichen sind die frühe und vor allem schnelle Lockerung der TEP [5].
Nuklearmedizinische
Verfahren
Es gilt grundsätzlich zwischen der Szintigraphie (Skelett- und Entzündungsszintigraphie) und der PET (Positronen-Emissions-Tomographie) zu unterscheiden. All diese Techniken finden in unklaren Fällen chronischer Infektionen ihre Anwendung. Als Nachteile müssen genannt werden, dass sie teuer und aufwendig in der Durchführung sind. Zudem gelten sie im Allgemeinen als unspezifisch. Vorteil ist ihre hohe Sensitivität mit hohem negativ prädiktivem Vorhersagewert. Klinisch wichtig ist zu erwähnen, dass die Szintigraphie im ersten postoperativen Jahr durch physiologische Umbauvorgänge wenig aussagekräftig ist. Allgemein muss festgehalten werden, dass die nuklearmedizinischen Verfahren die in sie gesetzten Erwartungen bislang nicht erfüllen konnten [5].
Blutparameter
Routinemäßig erfolgt hierbei die Bestimmung von CRP, Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG), den Leukozyten im Blutbild und neuerdings auch zunehmend IL-6 (Tab. 5) [3,11]. PCT (Procalcitonin) und TNF-alpha werden aufgrund geringer Genauigkeit nicht empfohlen. Wichtig für die Interpretation der Werte ist die Kenntnis ihres regelrechten postoperativen Verlaufs. Das CRP erreicht in der Regel am dritten postoperativen Tag sein Maximum und normalisiert sich anschließend. Erhöhte Werte können häufig zwei bis drei Monate nach Primärimplantation nachgewiesen werden und hängen auch entscheidend von komplizierenden Faktoren (Wundheilungsstörungen usw.) ab. Die Blutsenkung kann sogar bis mehrere Monate postoperativ deutlich erhöht bleiben [6].
Punktion
Eine präoperative Punktion des betroffenen Gelenks ist zur Keimsicherung indiziert [5,12]. Sie hat unter sterilen Kautelen und wenn möglich mindestens zweiwöchiger Antibiotikakarenz zu erfolgen. Die Sensitivität wird unter diesen Bedingungen mit 80–90% angegeben [10]. Wichtig zu beachten sind die zahlreichen Faktoren, welche letztlich zu falsch-positiven und auch falsch-negativen Punktionsergebnissen führen können. Es gilt allgemein, dass die Wertigkeit der Punktion im Bereich der Hüfte geringer ist als beim Kniegelenk. Dies liegt unter anderem daran, dass die Standortflora der Hüfte in bis zu 15% für falsch-positive Ergebnisse sorgt. Somit kann es manchmal nötig sein, bei dringendem Verdacht auf Infektion und negativem Keimnachweis, die Sensitivität der Punktion durch mehrfache Durchführung derselbigen zu erhöhen bzw. arthroskopisch (ohne Spülflüssigkeit) Synovialbiopsate zu entnehmen. Hierfür wird, zumindest im Rahmen der Infektdiagnostik bei Knieprothesen, eine Sensitivität von bis zu 100% beschrieben [12].
Im Labor soll dann die Bebrütung des Aspirats für mindestens zehn besser noch 14 Tage erfolgen [3]. Diese verlängerte Bebrütungszeit begründet sich durch das langsame Wachstum der für Protheseninfektionen verantwortlichen Keime. Maximal 50% der Keime lassen sich nach einer konventioneller Bebrütungszeit von zwei Tagen nachweisen [13]. Zudem darf bei vorhandenem Keimnachweis die Bebrütung nicht vorzeitig abgebrochen werden, liegen doch in 20% der Fälle polymikrobielle Infektionen vor [10].
Das Punktat sollte zudem zytologisch analysiert werden (EDTA-Röhrchen). Hierbei zeigen sich, je nach gewähltem Cut-Off-Wert für Leukozyten (>1.700/µl) und dem prozentualen Anteil an Granulozyten (60–80%), positiv und negativ prädiktive Werte von bis zu 94% bzw. 98% [3,6].
Intraoperativ gewonnene Kultur und Histologie
Intraoperativ kann aus verschiedenen Regionen des Gelenks periprothetisches Gewebe entnommen werden. Es herrscht Konsens darüber, dass zumindest für die Kultur, mindestens fünf Biopsate entnommen werden sollten, wobei ein Infekt bei mindestens zwei positiven Kulturen mit dem gleichen Keimnachweis als gesichert angenommen werden kann [5,9,12]. Nach wie vor herrscht keine Klarheit darüber, ob die intraoperative Kultur oder die Histologie eine Infektion mit höherer Genauigkeit nachweisen kann. Einige Autoren sprechen sich jedoch für die histologische Analyse nach Morawietz als Goldstandard in der Diagnostik aus, da sie für falsch-positive bzw. falsch-negative Ergebnisse weniger anfällig scheint [3]. Hierbei erfolgt die Auszählung der neutrophilen Granulozyten in zehn Gesichtsfeldern und zusätzlich die Analyse des periprothetischen Gewebes. Finden sich mindestens 23 Neutrophile und herrscht ein entzündlicher Gewebetyp vor, ist eine Protheseninfektion sehr wahrscheinlich [14].
Therapie
Konservative Therapie
Sie besteht aus Antibiotikatherapie und wird nur in Ausnahmefällen durchgeführt (OP-Unfähigkeit, ausdrücklicher Patientenwunsch) [5]. Letztlich ist dadurch keine Heilung sondern lediglich eine Infektunterdrückung möglich.