Originalarbeiten - OUP 01/2012

Die Veränderung ausgewählter ganganalytischer
Parameter nach der Implantation von Endoprothesen
The Change of selected gaitanalytical parameters after
the implantation of endoprothesis

M. Sunderbrink1, L. Thorwesten2, J. Jerosch3

Fragestellung: Es wurde die Veränderung ausgewählter ganganalytischer Parameter nach der Implantation von Endoprothesen untersucht.

Material und Methodik: Bei der vorliegenden Untersuchung fiel die Wahl auf das Ganganalysesystem von Zebris mit aktiven Markern, die den Einsatz von Videokameras ersetzen. Diese Marker werden an Punkten angebracht, die die Gelenkbewegungen exakt wiedergeben. Die Markierungspunkte werden in neutraler Nullposition erfasst, sprich im aufrechten Stand, wobei aufgrund starker Schmerzen oder Fehlhaltungen dies nicht ohne Weiteres bei jedem Patienten möglich ist. Die Messungen fanden einen Tag vor und unter identischen Voraussetzungen 6 Wochen nach dem Eingriff statt. 44 Probanden (18 Hüft- und 26 Knieendoprothesen) mit sämtlichen gängigen Prothesenmodellen wurden für die Untersuchung herangezogen. Die Messkonfiguration wurde mit 12 Markern durchgeführt, welche an folgenden Punkten angebracht wurden: oberer Rand des Trochanter major, lateraler und medialer Epikondylus des Femur, lateraler und medialer Malleolus, die Großzehenspitze und der hinterste Aufsatzpunkt der Ferse.

Die Probanden wurden bei Geschwindigkeiten von 2, 2,5 und 3 km/h aufgenommen, wobei folgende Parameter erfasst wurden: Schrittzahl, Schritt- und Doppelschrittlänge, Schrittkadenz, Beschleunigung, Anteversion, Adduktion und Rotation des Oberschenkels, Beugung von Knie- und Sprunggelenk, Rotation des Fußes, Beckenkippung und –rotation. Bei 2 und 2,5 km/h ließen sich keine übereinstimmenden Ergebnisse feststellen, da die geringe Geschwindigkeit keinen natürlichen Bewegungsablauf zuließ. Als Basis diente die Literatur von Jaquelin Perry: „Ganganalyse. Norm und Pathologie des Gehens“, die belegte, dass die erhobenen Werte denen aus anderen vergleichbaren Studien entsprechen [1].

Ergebnisse: Aufgrund der stark unterschiedlichen Belastbarkeit der Probanden ergaben sich extreme Abweichungen bei den einzelnen Parametern. Auch das Gangbild wich zum Teil erheblich von den Normangaben anderer Studien ab, da einige Patienten nur noch hinkende Gehbewegungen durchführen konnten. Es ließen sich keine Zusammenhänge zwischen den ganganalystischen Parametern und der Art der Endoprothese, dem Alter oder Geschlecht der Probanden feststellen. Auffällig war jedoch die Steigerung der Beckenkippung und -rotation im Vergleich zwischen präoperativer und postoperativer Untersuchung. Eine Unterscheidung zwischen Hüft- & Knieendoprothesen oder betroffener/ nicht betroffener Seite brachte keine differenzierten Ergebnisse. Des Weiteren vergrößerten sich Oberschenkeladduktion und –rotation sowie die Standphase, besonders des rechten Beines.

Fazit und klinische Relevanz: Die vorliegende Untersuchung zeigt, dass sich tendenzielle Verbesserungen der Beweglichkeit, besonders im Bereich des Beckens, durch die Implantation von Hüft- und Knieendoprothesen beim Gehen messen lassen. Für eine präzisere Auswertung und exaktere Darlegung sind noch weitere Untersuchungen mit mehr Probanden zu diesem Thema erforderlich. Zudem wurde die Nachbehandlung der Patienten nicht in die Untersuchung mit einbezogen, die nach Aussage der Probanden erhebliche qualitative Unterschiede aufwies und starken Einfluss auf den Gesundheitszustand der Patienten nahm.

Schlüsselwörter: ganganalytische Parameter, Endoprothesen, Zebris

Purpose: The change of selected gait analytical parameters after the implantation of endoprotheses has been examined.

Material and methods: In the present examination/ study the choice fell upon the gait analysis system of Zebris with active markers that replace the use of video cameras. These markers are attached to points which exactly reflect the joint movements. The marker points are recorded in the neutral zero position, in the upright standing whereas it is not possible with each patient due to strong pain or posture. The measurements took place one day before and 6 weeks after surgery under identical conditions. 44 probands (18 hip and 26 knee endoprotheses) with all kinds of common protheses models have been used for the study. The measurement configuration has been has been implemented with 12 markers which were attached to the following points:

Upper edge of the trochanter major, lateral and medial of the femur eplikondylus, lateral and medial malleolus, the tiptoe and the rear attachment point of the heel. The probands were recoded at speeds of 2, 2,5 and 3 km/ h in which the following parameters were captured: step number, step and double step length, step cadence, acceleration, ante version, adduction, rotation of the thigh, diffraction of the knee and ankle joint, rotation of the foot, pelvis inclination and rotation. At 2 and 2,5 km/ h no matching results could be examined as the low speed did not allow a natural movement. The literature of Jaqueline Perry: “Gait analysis. Normal and Pathological Function”, served as basis and showed that the collected values match those from similar studies [1].

Results: Due to the different capacity/ strength of the probands is resulted in extreme deviations of the individual parameters. Also the gait image differed considerably from the standard specification from other studies as some patients could only carry out limping walking motions. No correlations between the gait analytical parameters and the type of endoprothesis, the age or gender of the probands could be noticed. However, the increase of the pelvis inclination and rotation was noticeable when comparing the preoperative and postoperative examination. The distinction between the hip and knee endoprothesis or the affected and not affected site did not show differentiated results. Furthermore, the thigh adduction and rotation as well as the stance phase, especially of the right leg, enlarged.

Conclusion and clinical relevance: The present study shows that through the implantation of the hip and knee endoprothesis an improvement trend of mobility can be measured during walking, particularly in the pelvis area. For a more precise analysis and statement on this topic, further investigations with more probands are required. Moreover, the after treatment of the patients has not been included in the scope of the study. Based on the statement of the probands the after treatment has shown significant qualitative differences which had a strong impact on the physical condition of the patients.

Keywords: gait analytical parameter, endoprothesis, Zebris

Einleitung

Der menschliche Gang ist selbst im Zeitalter modernster Technologien nach wie vor das einfachste und probateste Mittel der Fortbewegung für kürzere Entfernungen. Aufgrund der Vielfältigkeit der unteren Extremitäten ist es uns möglich, in verschiedenen Geschwindigkeiten zu gehen, Hindernisse und unterschiedlichste Bodenbeschaffenheiten zu überwinden. Wenn die Funktionen der Extremitäten ungestört bleiben, wird die Energie der Muskulatur optimal für die Fortbewegung eingesetzt.

Aufgrund der demografischen Entwicklung hin zum immer älteren Menschen leidet der gesamte Bewegungsapparat unter den lang andauernden Belastungen, die im Laufe des Lebens auf den menschlichen Körper wirken. So treten immer häufiger Defekte am Bewegungsapparat auf, unter anderem fallen Gelenke teilweise oder komplett aus, so dass der Mensch versucht, durch Ausweichbewegungen, diesen Ausfall zu kompensieren und das Gehen auch unter schwierigsten Umständen zu ermöglichen. Dabei werden Schädigungen angrenzender Körperteile in Kauf genommen, was wiederum zu weiteren Ausfällen führen kann. Die Folge davon sind Gangmuster, in denen sich gewohnte und normale Gangmuster mit völlig neuen Bewegungen vermischen, wodurch in der Regel der Energieverbrauch ansteigt und die Funktionalität stark reduziert wird [2].

Im Regelfall gibt es ausreichend operative und/oder therapeutische Maßnahmen, die zu einer Verbesserung des Gangbildes führen und die Beeinträchtigung der Fortbewegung auf ein Minimum begrenzen können. Wichtig ist in solchen Fällen aber immer, die wirkliche Ursache der Störung zu entlarven und diese mit den geeigneten Maßnahmen zu beheben, so dass sich der gesamte Bewegungsapparat an die verbesserten Umstände anpassen kann.

Der Einsatz moderner Endoprothesen ist für viele Menschen der letzte Ausweg zu schmerzfreien Bewegungen im Alltag. Häufig sind bereits das für viele selbstverständliche Spazierengehen und Treppensteigen nur unter starken Schmerzen möglich, so dass sich immer häufiger auch jüngere Personen für den Einsatz eines künstlichen (Teil-) Gelenks entscheiden. Inzwischen sind die Operationsmethoden so weit fortgeschritten, dass in der Regel mit relativ kurzem Krankenhausaufenthalt und einer qualitativ wertvollen Anschlussbehandlung ein großer Erfolg erreicht werden kann, was Gelenkschmerzen und Bewegungseinschränkungen betrifft. Je nach Modell der Endoprothese und Verfassung des Patienten ist es nicht notwenig, von bisherigen sportlichen Aktivitäten abzusehen. Vielmehr empfehlen Ärzte und Therapeuten, ein körperliches Training durchzuführen, sobald die Anschlussbehandlungen erfolgreich verlaufen sind und sogar Sportarten durchzuführen, die keine zu große Belastung für die Endoprothese darstellen. Der Vorteil von derzeit eingesetzten Endoprothesenmodellen liegt unter anderem darin, dass sie mit geringem Aufwand nach einigen Jahren ersetzt werden können. Diese Tatsache ist vor allem interessant bei jungen Patienten, die bereits ein künstliches Gelenk erhalten haben, oder wenn sich die Lebensdauer und/oder Funktionsfähigkeit der Endoprothese durch große sportliche Aktivität reduzieren sollte.

Inzwischen sind pathologische Gangmuster deutlich vielfältiger geworden. Häufig sind neurologische Beeinträchtigungen und degenerative Gelenkerkrankungen die Ursache, aber auch Muskelerkrankungen führen zu Gangbildern, die stark von der Norm abweichen. Ein sehr erfahrener Untersucher kann zwar unter Umständen feststellen, wo die Ursache der veränderten Bewegungsabläufe liegt, jedoch gibt es im Vergleich zu früher heutzutage sehr verlässliche und genaue Messsysteme, die die Beobachtungen mit Zahlenwerten und grafischen Veranschaulichungen untermauern können. Man unterscheidet also in instrumentelle sprich objektive und subjektive Wahrnehmung des Gehens. Bei Sonderfällen können diese Systeme dem Untersucher das Erkennen von Zusammenhängen und eine differenziertere Analyse als das reine Beobachten ermöglichen. Geringfügige Abweichungen von der Norm sind auch für äußerst geschulte Betrachter kaum zu erkennen, aus diesem Grund stellen Ganganalysesysteme eine wertvolle Bereicherung für sämtliche an der Therapie beteiligten Personenkreise da. Die meisten Erfassungssysteme sind zwar noch relativ kompliziert und aufwändig in der Anwendung, die Ergebnisse werden aber immer detaillierter und exakter. In den nächsten Jahren sind auf diesem Gebiet noch deutliche Fortschritte zu erwarten, die die Ganganalyse zu einem wichtigen Instrumentarium der Untersuchung und Therapie machen [1].

Mittlerweile wird besonders bei Hüftendoprothesen kaum noch der sogenannte „Knochenzement“ als Fixationsmittel verwendet, da die Materialien und äußere Form der einzelnen künstlichen Gelenkteile ein rasches Einwachsen des neuen Gelenkes ermöglichen. Wenn der Zustand der Muskulatur und der Schmerz des Patienten es erlauben, ist sehr früh nach der Operation bereits wieder eine Vollbelastung des operierten Beines möglich, wodurch sich die Muskulatur weniger zurückbildet und der Sehnen-/ Bandapparat zu weni-
ger negativen Anpassungserscheinungen neigt.

Gegenstand der vorliegenden Untersuchung ist die Frage, welche ganganalytischen Parameter sich durch den Einsatz von Endoprothesen verändern, ob die Beweglichkeit zunimmt und in wiefern sich diese Veränderungen auf das Gangbild auswirken.

Material und Methode

In der vorliegenden Untersuchung entschieden wir uns für ein System mit aktiven Markern, das bedeutet, die Marker senden Signale ab, was eine Aufzeichnung per Video überflüssig macht. Diese Marker werden an Punkten an der Hautoberfläche gesetzt, die die Bewegungen der darunter liegenden Gelenke nach Möglichkeit exakt wiedergeben sollen. In der Regel werden dafür die Gelenkmittelpunkte herangezogen, da sich daran die Bewegungsausmaße am genauesten feststellen lassen. Da es aber kaum übereinstimmende Modelle gibt, lassen sich die erfassten Werte nur schwer untereinander mit anderen Modellen vergleichen. Um ein dreidimensionales Gangbild zu erhalten, müssen mindestens drei Marker auf jedem Segment des zu untersuchenden Bewegungssegmentes gesetzt werden, wobei diese Anzahl reduziert werden kann, wenn die Marker direkt auf dem Gelenkzentrum platziert, so dass sich zwei Segmente den Marker teilen.

Bei der exakten Positionierung der Marker treten aber immer wieder Schwierigkeiten auf. Zum Beispiel ist es wichtig, dass die Markierungspunkte in neutraler Nullposition erfasst werden, das heißt im aufrechten Stand, was aber bei weitem nicht jedem Patienten aufgrund starker Schmerzen oder bereits eingefahrenen Fehlhaltungen möglich ist. Hinzu kommt häufig die Adipositas, was die Bestimmung des Gelenkzentrums stark erschwert und wodurch Hautbewegungen auftreten können, die völlig unabhängig vom darunter liegenden Gelenk sein können.

Unsere Messungen fanden einen Tag vor und unter identischen Voraussetzungen 6 Wochen nach dem Eingriff, bzw. im Anschluss an die nachfolgende rehabilitative Behandlung statt.

Als Probanden der Untersuchung stellten sich 44 Patienten (19 Frauen, 25 Männer, Durchschnittsalter 68 +/- 12 Jahre) der orthopädischen Abteilungen des Johanna-Etienne-Krankenhauses zur Verfügung. Insgesamt erhielten 18 Patienten eine Hüft- und 26 Patienten eine Knieendoprothese. Es wurden alle gehfähigen Patienten sowie sämtliche Prothesenmodelle für die Untersuchung herangezogen.

Zur Untersuchung der Fragestellung kam das Zebris Medical GmbH 3D-Ganganalysesystem in Verbindung mit der Software WinGait 3 zur Anwendung. Die Messkonfiguration wurde mit 12 Markern durchgeführt. Auf dem Laufband wurde den Patienten beidseitig jeweils ein 3-fach-Marker am Oberschenkel und auf dem Fußspann angelegt. Folgende Punkte dienten der Bestimmung der einzelnen Bewegungen: oberer Rand des Trochanter major, lateraler und medialer Epikondylus des Femur, lateraler und medialer Malleolus, die Großzehenspitze und der hinterste Aufsatzpunkt der Ferse. Diese Punkte wurden mit Hilfe eines Messstabes sorgfältig markiert und von den Messaufnehmern erfasst.

Es wurde ein Laufband der Firma Zimmer/Woodway, Modell Vado verwendet.

Die Patienten wurden bei Geschwindigkeiten von 2, 2,5 und 3 km/h aufgenommen, wobei folgende Parameter erfasst wurden: Schrittzahl, Schritt- und Doppelschrittlänge, Schrittkadenz, Beschleunigung, die Anteversion, Adduktion und Rotation des Oberschenkels, Beugung von Knie und Sprunggelenk, Rotation des Fußes, die Kippung und Rotation des Beckens. Bei den Geschwindigkeiten 2 und 2,5 km/h ließen sich keine übereinstimmenden Ergebnisse feststellen, da die Probanden entweder unter so starken Schmerzen litten, dass sie nicht schneller gehen konnten, oder bei den geringen Geschwindigkeiten keinen natürlichen Gangrhythmus entwickeln konnten. Daraus resultierend stehen die Ergebnisse der Untersuchung mit 3 km/h im Vordergrund.

Die Literatur von Jacquelin Perry: „Ganganalyse. Norm und Pathologie des Gehens“ diente als Basis für die Einschätzung der erhobenen Daten und ergab, dass die erfassten Daten Normwerten aus anderen Studien entsprechen. Bis auf wenige Ausnahmen wiesen alle Probanden bereits bei der Eingangsuntersuchung ein stark pathologisches Gangbild auf, so dass diese Werte kaum mit denen eines nicht-pathologischen Gangbildes vergleichbar waren.

Ergebnisse

Zwischen den einzelnen Probanden bestanden erhebliche Unterschiede, was sowohl die Belastbarkeit als auch das Schmerzempfinden anging. Diese spiegelten sich ebenfalls in den teilweise extremen Differenzen der einzelnen Parameter im Vergleich der Probanden untereinander wider, die allerdings auch auf die Körpergröße zurückzuführen sein können. Einige Probanden konnten mit der betroffenen Seite nur noch stark hinkende Gehbewegungen durchführen, wohingegen andere Patienten noch ein relativ normgerechtes Gangbild aufwiesen. Es ließen sich jedoch keine Zusammenhänge zwischen den genannten Faktoren und der Art der Endoprothese, dem Alter oder Geschlecht der Probanden feststellen. Auffallend war, dass die Beweglichkeit im Bereich des Beckens und der Oberschenkel tendenziell zunahm, was sich sowohl in einer Steigerung der Beckenkippung nach anterior von 15,5° +/- 4,12° auf 20° +/- 6,27° bemerkbar machte, als auch in der Beckenrotation, die von 17,7° +/- 2,08° auf 25,7° +/- 6,66° nach Einsatz der Endoprothese anstieg. Auffällig war die Differenz der Maximalwerte bei der Beckenrotation postoperativ, die eine Spannbreite von 18°–30° zu Tage brachte. Eine Unterscheidung zwischen Hüft- und Kniegelenksendoprothesen oder betroffener/ nicht betroffener Seite führte zu keinem differenzierteren Ergebnis im Vergleich der Werte vor und nach den Eingriffen.

Nach der Rehabilitation vergrößerte sich der Winkel der Oberschenkeladduktion auf der linken Seite von 17,25° +/- 0,96° auf 23,75° +/- 8,47° und auf der rechten Seite von 16,5° +/- 2,65° auf 21,5° +/- 7,86°. Die Maximalwerte der Oberschenkeladduktion nach der Operation lagen links zwischen 15 und 34° und rechts zwischen 10 und 27°, was unter anderem auf die sehr unterschiedlichen Genesungszustände der Probanden zurückzuführen ist. Bei der Oberschenkelrotation stiegen die Werte links von 18,3° +/- 3,79° auf 25° +/- 9,9° und rechts von 24,3° +/- 6,35° auf 29° +/- 7,07°. Hier fielen die Unterschiede der einzelnen Probanden untereinander geringer aus, diese lagen auf der linken Seite zwischen 18° und 34°, auf der rechten Seite sogar nur zwischen 24° und 34°. Daraus resultierend verlängerte sich der Anteil der Standphase des rechten Beines insgesamt von 62,75% +/- 5,1% vor dem Eingriff auf 69,5% +/- 7,5%, die Schwungphase des rechten Beines verringerte sich demzufolge von 37,25% +/-5,06% auf 30,5% +/- 7,55%. Bei der Erfassung der Phasenverteilung fiel auf, dass die Ergebnisse ebenfalls eine große Spannweite aufwiesen. Die Standphase rechts postoperativ lag zwischen 61% und 79%, die Schwungphase rechts postoperativ zwischen 21% und 39%. Ebenfalls auffallend waren die Ergebnisse der Beckenkippung nach dem Eingriff, die zwischen 12° und 27° lagen.

Diskussion

Wichtig zur Beurteilung des Gangbildes ist die Tatsache, dass die Norm dem Untersucher bekannt ist. Dafür wurde in den letzten Jahren eine Normalfunktion beschrieben, wodurch sich Abweichungen deutlicher erkennen und behandeln lassen. Die Ausprägungen dieser Norm sind allerdings sehr vielfältig und es gilt, zwischen pathologischen und individuellen Normabweichungen zu unterscheiden. Diese Abweichungen können lediglich an den Zehen auftreten oder sich über mehrere Gelenke bis in den Rumpf erstrecken, durch präzise Analysesysteme lässt sich jede noch so geringfügige Abweichung erfassen. Da es nach wie vor noch kein optimales Ganganalysesystem auf dem Markt gibt, muss man sich entscheiden, unter welchen Gesichtspunkten man untersuchen möchte und vor allem, welche technischen Voraussetzungen man zu welchem Preis anschaffen möchte. Es gibt drei Bereiche, in denen Untersuchungen durchgeführt werden können: zum einen die Kinematik, wobei Umfang und zeitlicher Ablauf jeglicher Gelenkbewegungen erfasst werden, zum anderen die Kinetik, die sich mit den auf den Körper wirkenden Kräften und deren Folgen auseinandersetzt, und letztendlich die dynamische Elektromyografie, durch die Zeitraum und relative Intensität der muskulären Aktivität erkennbar werden. Keine dieser Techniken ist allerdings standardisiert, es gibt für jeden Bereich unterschiedliche Systeme, die je nach Anforderung der geplanten Untersuchung angeschafft werden.

Trotz des relativ geringen Zeitraumes zwischen dem Einsatz der Endoprothese und der zweiten Messung von gerade einmal 6 Wochen sind Veränderungen in der Beweglichkeit von Becken und Oberschenkel erkennbar. Es ist anzunehmen, dass sich diese Veränderungen zu späteren Messzeitpunkten noch deutlicher ausprägen würden. Durch die Steigerung der Beweglichkeit verlängerte sich tendenziell auch der Anteil der Standphase, woraus mehr Stabilität im Gangbild der Patienten ableitbar ist. Ebenfalls ist davon auszugehen, dass eine Vergrößerung der Probandenzahl die erkennbaren Veränderungen sicherlich noch untermauern und an Deutlichkeit gewinnen lassen würde. Kritisch anzumerken ist mit Sicherheit die Tatsache, dass sich aufgrund stark geschwollener Gelenke nicht immer ganz exakt die Markierungspunkte treffen ließen, wodurch es in Einzelfällen zu stark abweichenden Ergebnissen kam. Diese fanden in der Auswertung demzufolge keine Erwähnung.

Da bislang kaum Untersuchungen mit gleichem Untersuchungsgegenstand und dem Zebris-Messsystem vorliegen, lassen sich nur wenige Parallelen mit anderen Arbeiten feststellen. Nur vereinzelte Studien befassten sich mit Untersuchungen des Ganges auf dem Laufband nach Implantation eines künstlichen Gelenkersatzes. Hinzu kommen messmethodische Unterschiede in Bezug auf Messzeitpunkte und unterschiedlicher erfasster Parameter. Des Weiteren besteht ein Defizit an Referenzdaten, da präoperative Werte mit gesunden Probanden verglichen werden, die keine kompensatorischen Ausgleichbewegungen im Gangbild aufweisen [3]. Allerdings wurde in der Untersuchung von Luchs [3] deutlich, dass sich auch hier keine signifikanten Veränderungen der Variablen Doppelschrittzeit und Kadenz finden ließen. Im Gegensatz zu unserer Untersuchung konnte aber eine signifikante Zunahme der Schrittlänge der operierten Seite verzeichnet werden, wohingegen auf der nichtoperierten Seite ebenfalls keine signifikanten Veränderungen erkennbar waren. Die Schrittlänge stieg ebenfalls nicht signifikant an. Weitere Veränderungen ließen sich in anderen Variablen finden, die mit unserem Messsystem jedoch nicht erfasst werden können, da bei dieser Untersuchung EMG-Elektroden zu Hilfe genommen wurden.

Es zeigt sich, dass das breite Feld der Ganganalyse bislang bei weitem nicht ausreichend untersucht wurde. Eine Kombination der unterschiedlichen Messsysteme würde zu detaillierteren Ergebnissen führen und den äußerst komplexen menschlichen Gang insbesondere vor und nach Implantation eines künstlichen Gelenkersatzes noch weiter aufschlüsseln.

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. med. Dr. h.c. Jörg Jerosch

Chefarzt

Klinik für Orthopädie, Unfallchirurgie und Sportmedizin

Am Hasenberg 46

41462 Neuss

E-Mail: j.jerosch@ak-neuss.de

Literatur

1. Perry, Jacquelin (2003). Ganganalyse. Norm und Pathologie des Gehens. München, Jena: Urban & Fischer.

2. Pathokinesiology Department, Physical Therapy Department (1989). Observational Gait Analysis Handbook. Downey, CA: The Professional Staff Association ov Rancho Los Amigos Medical Center.

3. Luchs, Antje (2006). Minimalinvasiver Operationszugang bei Hüfttotalendoprothesen – Verlaufskontrolle mittels biomechanischer Ganganalyse. Halle.

Fussnoten

1 Savita Rehabilitations- & Gesundheitszentrum, Neuss

2 Institut für Sportmedizin, Westfälischen Wilhelms-Universität, Münster

3 Klinik für Orthopädie, Unfallchirurgie und Sportmedizin, Johanna-Etienne-Krankenhaus, Neuss

DOI 10.3238/oup.2012.0023-0028

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