Originalarbeiten - OUP 01/2012

Die Veränderung ausgewählter ganganalytischer
Parameter nach der Implantation von Endoprothesen
The Change of selected gaitanalytical parameters after
the implantation of endoprothesis

Bei der exakten Positionierung der Marker treten aber immer wieder Schwierigkeiten auf. Zum Beispiel ist es wichtig, dass die Markierungspunkte in neutraler Nullposition erfasst werden, das heißt im aufrechten Stand, was aber bei weitem nicht jedem Patienten aufgrund starker Schmerzen oder bereits eingefahrenen Fehlhaltungen möglich ist. Hinzu kommt häufig die Adipositas, was die Bestimmung des Gelenkzentrums stark erschwert und wodurch Hautbewegungen auftreten können, die völlig unabhängig vom darunter liegenden Gelenk sein können.

Unsere Messungen fanden einen Tag vor und unter identischen Voraussetzungen 6 Wochen nach dem Eingriff, bzw. im Anschluss an die nachfolgende rehabilitative Behandlung statt.

Als Probanden der Untersuchung stellten sich 44 Patienten (19 Frauen, 25 Männer, Durchschnittsalter 68 +/- 12 Jahre) der orthopädischen Abteilungen des Johanna-Etienne-Krankenhauses zur Verfügung. Insgesamt erhielten 18 Patienten eine Hüft- und 26 Patienten eine Knieendoprothese. Es wurden alle gehfähigen Patienten sowie sämtliche Prothesenmodelle für die Untersuchung herangezogen.

Zur Untersuchung der Fragestellung kam das Zebris Medical GmbH 3D-Ganganalysesystem in Verbindung mit der Software WinGait 3 zur Anwendung. Die Messkonfiguration wurde mit 12 Markern durchgeführt. Auf dem Laufband wurde den Patienten beidseitig jeweils ein 3-fach-Marker am Oberschenkel und auf dem Fußspann angelegt. Folgende Punkte dienten der Bestimmung der einzelnen Bewegungen: oberer Rand des Trochanter major, lateraler und medialer Epikondylus des Femur, lateraler und medialer Malleolus, die Großzehenspitze und der hinterste Aufsatzpunkt der Ferse. Diese Punkte wurden mit Hilfe eines Messstabes sorgfältig markiert und von den Messaufnehmern erfasst.

Es wurde ein Laufband der Firma Zimmer/Woodway, Modell Vado verwendet.

Die Patienten wurden bei Geschwindigkeiten von 2, 2,5 und 3 km/h aufgenommen, wobei folgende Parameter erfasst wurden: Schrittzahl, Schritt- und Doppelschrittlänge, Schrittkadenz, Beschleunigung, die Anteversion, Adduktion und Rotation des Oberschenkels, Beugung von Knie und Sprunggelenk, Rotation des Fußes, die Kippung und Rotation des Beckens. Bei den Geschwindigkeiten 2 und 2,5 km/h ließen sich keine übereinstimmenden Ergebnisse feststellen, da die Probanden entweder unter so starken Schmerzen litten, dass sie nicht schneller gehen konnten, oder bei den geringen Geschwindigkeiten keinen natürlichen Gangrhythmus entwickeln konnten. Daraus resultierend stehen die Ergebnisse der Untersuchung mit 3 km/h im Vordergrund.

Die Literatur von Jacquelin Perry: „Ganganalyse. Norm und Pathologie des Gehens“ diente als Basis für die Einschätzung der erhobenen Daten und ergab, dass die erfassten Daten Normwerten aus anderen Studien entsprechen. Bis auf wenige Ausnahmen wiesen alle Probanden bereits bei der Eingangsuntersuchung ein stark pathologisches Gangbild auf, so dass diese Werte kaum mit denen eines nicht-pathologischen Gangbildes vergleichbar waren.

Ergebnisse

Zwischen den einzelnen Probanden bestanden erhebliche Unterschiede, was sowohl die Belastbarkeit als auch das Schmerzempfinden anging. Diese spiegelten sich ebenfalls in den teilweise extremen Differenzen der einzelnen Parameter im Vergleich der Probanden untereinander wider, die allerdings auch auf die Körpergröße zurückzuführen sein können. Einige Probanden konnten mit der betroffenen Seite nur noch stark hinkende Gehbewegungen durchführen, wohingegen andere Patienten noch ein relativ normgerechtes Gangbild aufwiesen. Es ließen sich jedoch keine Zusammenhänge zwischen den genannten Faktoren und der Art der Endoprothese, dem Alter oder Geschlecht der Probanden feststellen. Auffallend war, dass die Beweglichkeit im Bereich des Beckens und der Oberschenkel tendenziell zunahm, was sich sowohl in einer Steigerung der Beckenkippung nach anterior von 15,5° +/- 4,12° auf 20° +/- 6,27° bemerkbar machte, als auch in der Beckenrotation, die von 17,7° +/- 2,08° auf 25,7° +/- 6,66° nach Einsatz der Endoprothese anstieg. Auffällig war die Differenz der Maximalwerte bei der Beckenrotation postoperativ, die eine Spannbreite von 18°–30° zu Tage brachte. Eine Unterscheidung zwischen Hüft- und Kniegelenksendoprothesen oder betroffener/ nicht betroffener Seite führte zu keinem differenzierteren Ergebnis im Vergleich der Werte vor und nach den Eingriffen.

Nach der Rehabilitation vergrößerte sich der Winkel der Oberschenkeladduktion auf der linken Seite von 17,25° +/- 0,96° auf 23,75° +/- 8,47° und auf der rechten Seite von 16,5° +/- 2,65° auf 21,5° +/- 7,86°. Die Maximalwerte der Oberschenkeladduktion nach der Operation lagen links zwischen 15 und 34° und rechts zwischen 10 und 27°, was unter anderem auf die sehr unterschiedlichen Genesungszustände der Probanden zurückzuführen ist. Bei der Oberschenkelrotation stiegen die Werte links von 18,3° +/- 3,79° auf 25° +/- 9,9° und rechts von 24,3° +/- 6,35° auf 29° +/- 7,07°. Hier fielen die Unterschiede der einzelnen Probanden untereinander geringer aus, diese lagen auf der linken Seite zwischen 18° und 34°, auf der rechten Seite sogar nur zwischen 24° und 34°. Daraus resultierend verlängerte sich der Anteil der Standphase des rechten Beines insgesamt von 62,75% +/- 5,1% vor dem Eingriff auf 69,5% +/- 7,5%, die Schwungphase des rechten Beines verringerte sich demzufolge von 37,25% +/-5,06% auf 30,5% +/- 7,55%. Bei der Erfassung der Phasenverteilung fiel auf, dass die Ergebnisse ebenfalls eine große Spannweite aufwiesen. Die Standphase rechts postoperativ lag zwischen 61% und 79%, die Schwungphase rechts postoperativ zwischen 21% und 39%. Ebenfalls auffallend waren die Ergebnisse der Beckenkippung nach dem Eingriff, die zwischen 12° und 27° lagen.

Diskussion

Wichtig zur Beurteilung des Gangbildes ist die Tatsache, dass die Norm dem Untersucher bekannt ist. Dafür wurde in den letzten Jahren eine Normalfunktion beschrieben, wodurch sich Abweichungen deutlicher erkennen und behandeln lassen. Die Ausprägungen dieser Norm sind allerdings sehr vielfältig und es gilt, zwischen pathologischen und individuellen Normabweichungen zu unterscheiden. Diese Abweichungen können lediglich an den Zehen auftreten oder sich über mehrere Gelenke bis in den Rumpf erstrecken, durch präzise Analysesysteme lässt sich jede noch so geringfügige Abweichung erfassen. Da es nach wie vor noch kein optimales Ganganalysesystem auf dem Markt gibt, muss man sich entscheiden, unter welchen Gesichtspunkten man untersuchen möchte und vor allem, welche technischen Voraussetzungen man zu welchem Preis anschaffen möchte. Es gibt drei Bereiche, in denen Untersuchungen durchgeführt werden können: zum einen die Kinematik, wobei Umfang und zeitlicher Ablauf jeglicher Gelenkbewegungen erfasst werden, zum anderen die Kinetik, die sich mit den auf den Körper wirkenden Kräften und deren Folgen auseinandersetzt, und letztendlich die dynamische Elektromyografie, durch die Zeitraum und relative Intensität der muskulären Aktivität erkennbar werden. Keine dieser Techniken ist allerdings standardisiert, es gibt für jeden Bereich unterschiedliche Systeme, die je nach Anforderung der geplanten Untersuchung angeschafft werden.

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