Übersichtsarbeiten - OUP 06/2018
Distale HumerusfrakturenEpidemiologie, Diagnostik, Klassifikation, operative Techniken, ErgebnisseEpidemiology, diagnostics, classification, surgical approach, outcome
Durch diesen Zugang wird ein Fenster medial und lateral der Trizepsmuskulatur durch das Abschieben und Mobilisieren der Muskelfasern vom Humerus geschaffen, ohne den ulnaren Ansatz zu gefährden. Auf diese Weise wird der Streckapparat geschont. Der Nachteil liegt in der eingeschränkten Sicht auf den distalen Humerus und seine Gelenkfläche, ist jedoch für die Versorgung von Typ-A2- und -A3-Frakturen sowie Typ-C1- und -C2-Frakturen potenziell ausreichend [29]. Dieser Zugang hat den Vorteil, dass er zum Lateral Para-Olecranon-Approach (Triceps-on) erweitert werden kann, sofern intraoperativ eine Osteosynthese nicht möglich ist und daher eine Totalendoprothese implantiert werden soll [33].
Bryan- Morrey-Zugang
Bei diesem Zugang wird der Streckapparat von medial in Kontinuität mit dem Periost und der Unterarmfaszie nach lateral präpariert und eine knöcherne Schuppe vom Olekranon abgetragen, um die spätere Refixierung zu erleichtern. Dieser Zugang eignet sich auch für die Implantation einer Ellenbogenprothese [19].
Trizeps-Split
Die Trizepssehne wird mittig in Längsrichtung bis zur Olekranonspitze gespalten. Zusätzlich können zur Verbesserung der Sicht auf den Gelenkblock der proximale Zentimeter der Olekranonspitze reserziert werden [8].
Olekranonosteotomie
Das Olekranon wird auf Höhe der „bare area“ v-förmig bis knapp über die Knorpelgrenze angesägt und schließlich die Osteotomie per Meißel komplettiert. Dieser Zugang bietet die größtmögliche anatomische Exposition des distalen Humerus und der Gelenkfläche. Auf eine suffiziente Refixierung des Olekranons am Ende der Operation ist zu achten. Dies kann mittels Zuggurtungsosteosynthese, Schraubenosteosynthese oder Plattenosteosynthese erfolgen [35].
Im funktionellen Outcome zwischen Trizeps-Split und Olekranonosteomie sind keine signifikanten Unterschiede festzustellen [18]. Nachteile der Olekranonosteotomie sind eventuell ausbleibende Knochenheilung nach Osteosynthese sowie Weichteilirritationen, Materialdislokation oder -versagen, welche eine weitere Operation zur Materialentfernung und/oder Re-Osteosynthese nach sich ziehen.
Es wurde wiederholt diskutiert, wie die Platten bei der Doppelplattenosteosynthese gegeneinander anzubringen sind. Zur Wahl steht die parallele Anordnung (180°) im Gegensatz zur 90°-Anordnung (medial ulnar und dorsal radial). Die parallele Anordnung zeigte im Rahmen von biomechanischen Studien eine erhöhte Primärstabilität, verglichen mit der 90° Konfiguration [14, 25, 38]. Betrachtet man jedoch klinische Vergleichsstudien, so konnte bisher kein signifikanter Unterschied festgestellt werden [31]. Die Nachteile der parallelen Anordnung liegen in der Gefahr der Blockierung sich kreuzender Schrauben und der umfangreicheren Ablösung der Weichteile. Die Wahl der Plattenlage sollte sich vornehmlich an der Frakturkonfiguration orientieren. So sind ventrale Abscherfragmente (AO-Typ-B3) über eine dorsale Platte in der Regel besser zu greifen. Schlussendlich spielen auch die persönliche Präferenz und Erfahrung des Operateurs eine wichtige Rolle.
Bei vollständig artikulären Frakturen (Typ C1 bis C3) kann nach Darstellung über einen dorsalen Zugang der Gelenkblock durch einen K-Draht temporär gestellt werden. Anschließend wird der Gelenkblock an den Humerusschaft reponiert und per Doppelplattenosteosynthese fixiert (Abb. 3). Alternativ kann auch bei großem radialen oder ulnaren Pfeilerfragment die Reposition zunächst über die Wiederherstellung eines Pfeilers erfolgen. Dieser wird über eine Platte am distalen Humerus fixiert und anschließend die restlichen Frakturfragmente, teilweise auch mit freien Schrauben, an diesem Pfeiler wieder aufgebaut, bis letztlich die Reposition des zweiten Pfeilers über eine zusätzliche Platte erfolgen kann. Gegebenenfalls muss eine ausgeprägte metaphysäre Defektzone mittels autologer Spongiosaplastik rekonstruiert werden [8].
Die Platten sollten bei der Anbringung nicht auf selber Höhe enden, um Stresskonzentrationen am Plattenende zu vermeiden. Hierbei ist vor allem auf die jeweils am weitesten proximal eingebrachten Schrauben der Doppelplatten zu achten [10].
Ellenbogenprothetik
Ist eine ausreichende Rekonstruktion des gelenktragenden Anteils oder eine stabile Fixierung nicht möglich, besteht die Möglichkeit zum prothetischen Gelenkersatz. Tief kondyläre C3-Frakturen des distalen Humerus distal der Fossa olecrani mit zusätzlicher B3-Komponente beim geriatrischen Patienten stellen dabei eine typische Indikation dar [7]. Aufgrund der begrenzten Standzeiten und der notwendigen Reduktion der Belastbarkeit des Arms auf 5 kg sollte die Ellenbogenprothetik sehr streng indiziert werden. Beim jungen Patienten stellt sie eine absolute Ausnahmeindikation dar. Beim alten Patienten kann die primäre Frakturprothese zu einer raschen Mobilisierung beitragen. Des Weiteren sind Revisionseingriffe in der kurz- und mittelfristigen Periode nach Versorgung unwahrscheinlicher als bei der Osteosynthese [17].
Konservativ
Der konservative Ansatz beinhaltet das kurzfristige Ruhigstellen mit anschließender frühfunktioneller Nachbehandlung, um Einbußen in der Gelenkmobilität zu vermeiden. Insgesamt sind die klinischen Ergebnisse der konservativen Frakturbehandlung am distalen Oberarm nicht zufriedenstellend. Das Risiko für ein inakzeptables Ergebnis ist um das Dreifache erhöht [21]. Ebenso ist das Risiko für eine verzögerte Knochenbruchheilung 4-mal höher [27].
Aus diesen Gründen sollte eine konservative Therapie nur bei relevant vorerkrankten Patienten mit einem signifikant erhöhten Narkose- und Operationsrisiko indiziert werden.
Bei der Entscheidung für eine konservative Therapie sollte der Ellenbogen für eine Woche in einer Oberarmgipsschiene oder entsprechender Orthese in Funktionsstellung ruhiggestellt werden. Anschließend erfolgt nach Röntgenkontrolle eine passive Beübung des Gelenks aus der Schiene oder Orthese heraus für 4 Wochen. Nach 6 Wochen und nochmaliger Röntgenkontrolle kann der schrittweise Belastungssaufbau mit nun auch aktiven Bewegungsübungen erfolgen. Insbesondere bei älteren Patienten ist die Mitbeübung der angrenzenden Gelenke durch die Physiotherapie von immenser Bedeutung, um dort konsekutive Bewegungseinschränkungen zu vermeiden [8].
Bei inoperablen Patienten mit multifragmentären Brüchen kann die Ruhigstellung ggf. länger als eine Woche erfolgen [8].
Postoperative Nachbehandlung
Das oberste Ziel der osteosynthetischen Versorgung am distalen Oberarm ist die Herstellung einer Übungsstabilität zur frühfunktionellen Nachbehandlung, um eine Einsteifung des Ellenbogengelenks zu vermeiden. Als überaus nützlich hat sich hierbei ein präoperativer Schmerzkatheter gezeigt, welcher zur schmerzfreien postoperativen passiven Durchbewegung genutzt werden kann [37]. Der Ellenbogen wird unmittelbar postoperativ in einer Oberarmgipsschiene in Funktionsstellung oder einer entsprechenden Orthese ruhiggestellt, und aus dieser heraus kann das Gelenk unter physiotherapeutischer Begleitung durchbewegt werden. Das Tragen der Gipsschiene oder Orthese zur Nacht kann für den Patienten hilfreich sein. Eine suffiziente Kryotherapie und Lymphdrainage sollte supportiv stationär und ggf. auch im weiteren ambulanten Setting durchgeführt werden. Musste der Trizeps abgelöst und refixiert werden, so ist dementsprechend die aktive Streckung gegen die Schwerkraft bzw. gegen Widerstand für 6 Wochen zu unterlassen. Die Belastungssteigerung des Ellenbogens ist ab der 6. Woche freizugeben.