Übersichtsarbeiten - OUP 06/2018

Distale Humerusfrakturen
Epidemiologie, Diagnostik, Klassifikation, operative Techniken, ErgebnisseEpidemiology, diagnostics, classification, surgical approach, outcome

Die Rate an Komplikationen bei der Versorgung distaler Humerusfrakturen wird in der Literatur mit 30 % angegeben [12, 22]. Folgende Komplikationen sind zu unterscheiden (Tab. 2).

Ellenbogensteife

Die Ursachen für eine Ellenbogensteife sind zu unterscheiden in intrinsische Faktoren wie Osteophyten, Gelenkinkongruenz und Adhäsionen sowie extrinsische Faktoren wie heterotope Ossifikationen, kapsuläre Fibrosen und muskuläre Kontrakturen. Oftmals handelt es sich um Mischformen [8].

Essenziell zur Vermeidung der Ellenbogensteife ist die frühzeitige Beübung des Ellenbogens unter physiotherapeutischer Anleitung. Hierbei kommen spezielle Motorschienen als auch regelmäßiges passives/aktiv-assistiertes Training durch die Physiotherapie zum Einsatz. Kommt es dennoch zu einer Steife des Gelenks, ist die genaue Analyse der zugrundeliegenden Pathologie zu erforschen. Als operative Möglichkeiten steht die arthroskopische oder offene Arthrolyse zur Verfügung.

Heterotope Ossifikationen

In 14 % der Fälle werden klinisch relevante Ossifikationen nach operativer Versorgung distaler Humerusfrakturen beschrieben [6]. Bei Typ-C-Verletzungen nach AO steigt die Inzidenz sogar auf 26 % [6]. Je schwerer die Verletzung, desto höher ist demnach die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten einer Ossifikation.

Eine wirksame Prophylaxe gegen die überschießende Knochenreaktion wurde bislang noch nicht beschrieben. Versuche mit einer Einmalbestrahlung des OP-Gebiets von 7 Gy erbrachten keinen sicheren Erfolg [26], ebenso wenig zeigte der Einsatz von Indometacin weder einen generellen Vor- noch einen Nachteil [21]. Lediglich bei Hochrisikopatienten für die Entstehung von Ossifikationen konnte ein positiver Nutzen festgestellt werden. Die Entscheidung für oder gegen die Gabe von Indometacin ist individuell abzuwägen.

Nervenschaden

In der primären Traumasituation ist meist der N. radialis verletzt [16]. Intra- und postoperativ ist vor allem die iatrogene Verletzung des N. ulnaris gefürchtet. Diese tritt mit einer Inzidenz von 20 % auf [12]. Um dies zu vermeiden, ist die sorgfältige Darstellung des N. ulnaris und Umschlingung mit einem Vessel-Loop bei entsprechendem Zugang angeraten. Kommt es nach Reposition und Osteosynthese zu keinerlei Irritation des Nervs, so kann dieser in seine ursprüngliche Position zurückverlagert werden. Eine standardmäßige ventrale Transposition des Nervs bietet keinen Vorteil [21]. Die ventrale Transposition ist individuell aufgrund der genauen Analyse des Operationsgebiets nach Osteosynthese zu entscheiden. Bei posttraumatischer Irritation des N. ulnaris kann die Transposition zu einer Besserung beitragen.

Infekt

In 1–12 % der Fälle kommt es zu einem postoperativen Infekt [3, 11]. Die Wahrscheinlichkeit ist umso höher, je ausgeprägter der Weichteilschaden ist und je später die definitive Versorgung erfolgt. Hinweise für das Bestehen eines Infekts sind Überwärmung, Schmerz, Schwellung, erhöhte Infektparameter und ggf. putrider Ausfluss. Als Therapie kommt in diesen Fällen meist nur die komplette Implantatentfernung in Frage.

Pseudarthrose

Zu einer ausbleibenden Knochenheilung kommt es laut aktueller Datenlage in 2–10 % [32]. Klinisch imponieren ein Bewegungsschmerz mit Bewegungseinschränkung und insbesondere belastungsabhängige Schmerzen. Ursachen hierfür sind meist eine insuffiziente Primärosteosynthese oder ein sekundäres Materialversagen. Als Therapiemöglichkeiten stehen die Re-Osteosynthese mit ggf. notwendiger Spongiosaplastik oder alternativ bei älteren Patienten mit osteoporotisch vorgeschädigtem Knochen die Implantation einer Ellenbogenendoprothese zur Verfügung.

Interessenkonflikt: Keine angegeben.

Korrespondenzadresse

Andreas Harbrecht

Schwerpunkt für Unfall-, Hand-
und Ellenbogenchirurgie der

Universität zu Köln

Kerpener Straße 62

50937 Köln

andreas.harbrecht@uk-koeln.de

Literatur

1. Bauer R, Kerschbaumer F, Poisel S: Operative Zugangswege in Orthopädie und Traumatologie. Stuttgart, New York: Georg Thieme Verlag, 2013

2. Beller J, Maier D, Arand M, Geyer T: Behandlungsstrategie bei distalen Humerusfrakturen. Trauma und Berufskrankheit 2010; 12: 273–278

3. Clavert P, Ducrot G, Sirveaux F, Fabre T, Mansat P, Sofcot: Outcomes of distal humerus fractures in patients above 65 years of age treated by plate fixation. Orthop Traumatol Surg Res 2013; 99: 771–777

4. Dietz SO, Nowak TE, Burkhart KJ, Muller LP, Rommens PM: [Fractures of the distal humerus in the elderly. Pros and cons of endoprosthetic replacement]. Unfallchirurg 2011; 114: 801–814; quiz 815

5. Doornberg J, Lindenhovius A, Kloen P, van Dijk CN, Zurakowski D, Ring D: Two and three-dimensional computed tomography for the classification and management of distal humeral fractures. Evaluation of reliability and diagnostic accuracy. J Bone Joint Surg Am 2006; 88: 1795–1801

6. Douglas K, Cannada LK, Archer KR, Dean DB, Lee S, Obremskey W: Incidence and risk factors of heterotopic ossification following major elbow trauma. Orthopedics 2012; 35: e815–822

7. Dubberley JH, Faber KJ, Macdermid JC, Patterson SD, King GJ: Outcome after open reduction and internal fixation of capitellar and trochlear fractures. J Bone Joint Surg Am 2006; 88: 46–54

8. Ellwein A, Voigt C, Lill H: Frakturen des distalen Humerus. In: Müller L, Hollinger B, Burkhart K (Hrsg): Expertise Ellenbogen. Stuttgart: Gerorg Thieme Verlag, 2016: 172–188

9. Frankle MA, Herscovici D, Jr., DiPasquale TG, Vasey MB, Sanders RW: A comparison of open reduction and internal fixation and primary total elbow arthroplasty in the treatment of intraarticular distal humerus fractures in women older than age 65. J Orthop Trauma 2003; 17: 473–480

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