Übersichtsarbeiten - OUP 04/2020

Dysphagie als Komplikation nach einer Operation an der Halswirbelsäule
Schnittstelle zwischen Logopädie und Orthopädie

Stefanie Duchac, Christian Neuhäuser, Tobias Pitzen

Zusammenfassung:

Dysphagien (Schluckstörungen) sind die häufigste Komplikation nach Operationen an der Halswirbelsäule. Bislang gibt es kein valides und reliables klinisches Untersuchungsinstrument, um Patienten nach einer Operation an der Halswirbelsäule zuverlässig hinsichtlich bestehender Schluckstörungen zu detektieren. Dies ist jedoch erforderlich, um eine aussagekräftige instrumentelle Diagnostik und therapeutische Maßnahmen einleiten zu können. Im Rahmen dieses Artikels sollen neben einem strukturierten Überblick über die aktuelle Forschungslage Kooperationsprojekte zwischen Logopädie und Orthopädie am SRH Klinikum Karlsbad vorgestellt werden, in deren Rahmen unter anderem klinische Parameter ermitteln werden sollen, um Risikopatienten schnell und zuverlässig zu identifizieren.

Schlüsselwörter:
HWS-Operation, sagittales Profil, Dysphagie, Dysphagie-Screening, Videofluoroskopie

Zitierweise:
Duchac S, Neuhäuser C, Pitzen T: Dysphagie als Komplikation nach einer Operation an der Halswirbelsäule. OUP 2020; 9: 264–271 DOI 10.3238/oup.2020.0264–0271

Summary: Dysphagia (swallowing disorders) is the most common complication after cervical spine surgeries. So far, there is no valid and reliable clinical examination instrument to reliably detect patients with swallowing disorders after cervical spine surgery. However, this is necessary in order to be able to initiate instrumental diagnostics and therapeutic management. In the context of this article, a structured overview of the current research is given, followed by an introduction of cooperational projects between speech therapy and orthopedics at SRH Klinikum Karlsbad. The aim of these projects is for example to identify clinical parameters in order to select patients at risk of dysphagia quickly and reliably.

Keywords: cervical spine surgery, sagittal profile, dysphagia, dysphagia-screening, videofluoroscopy

Citation: Duchac S, Neuhäuser C, Pitzen T: Dysphagia as complication after cervical spine surgery.
OUP 2020; 9: 264–271 DOI 10.3238/oup.2020.0264–0271

Stefanie Duchac: Studiengang Logopädie, B.Sc., SRH Hochschule für Gesundheit, Campus Karlsruhe, Karlsruhe

Christian Neuhäuser: SRH Klinikum Karlsbad-Langensteinbach, Zentrum für Wirbelsäulenchirurgie, Orthopädie und Traumatologie, Karlsbad

Tobias Pitzen: SRH Klinikum Karlsbad-Langensteinbach, Zentrum für Wirbelsäulenchirurgie, Orthopädie und Traumatologie, Karlsbad

Einleitung

Seit einigen Jahren rückt zunehmend in den Fokus, dass auch Operationen an der Halswirbelsäule (HWS) Dysphagien (Schluckstörungen) verursachen können und diese sogar die häufigsten Komplikationen nach diesen Eingriffen darstellen [3, 23]. Bei Betrachtung der anatomischen Nähe von Halswirbelsäule und schluckrelevanten Strukturen scheint es auch offensichtlich, dass Irritationen im Bereich der Wirbelsäule zu einer Einschränkung der Schluckfunktion für die Patienten führen können.

Dennoch ist die Dysphagie eine bislang wenig erforschte Komplikation und in der Literatur variieren die Angaben bezüglich Häufigkeit, Risikofaktoren und Verlauf dieser Komplikation deutlich. Uneinheitliche Definitionen und die Vielzahl der unterschiedlichen Studiendesigns (Einzelfallstudien, retrospektive Analysen medizinischer Datenbanken, retrospektive Datenanalysen bis hin zu wenigen prospektiven randomisiert kontrollierten Studien) tragen zu dieser großen Varianz bei. Die meisten Studien basieren auf subjektiven Patientenbefragungen [2, 29], doch zunehmend werden auch objektive instrumentelle Messverfahren eingesetzt [4, 9, 16].

Trotz der wachsenden Kenntnis über den Zusammenhang von Operationen an der HWS und Schluckstörungen, sind bislang in Deutschland kaum Strukturen vorhanden, die Logopäden oder eine systematische Überprüfung der Schluckfunktion fest in das Behandlungsmanagement dieser Patienten integrieren. Im Rahmen dieses Artikels sollen neben einem strukturierten Überblick über die aktuelle Forschungslage Kooperationsprojekte zwischen Logopädie und Orthopädie vorgestellt werden, in deren Rahmen unter anderem klinische Parameter ermittelt werden sollen, um Risikopatienten schnell und zuverlässig zu identifizieren.

Schluckstörungen

Sowohl die Diagnostik, als auch die Therapie von Schluckstörungen gehören in das Tätigkeitsfeld von Sprach- Sprech- Stimm- und Schlucktherapeuten oder Logopäden und sind aus dem therapeutischen Alltag nicht mehr wegzudenken. Hierbei sind grundsätzlich Patienten mit den verschiedensten Grunderkrankungen betroffen. Neben akuten Erkrankungen wie Schlaganfall oder Schädel-Hirn-Traumata führen auch degenerative neurologische Erkrankungen zur Beeinträchtigung der Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme. Auch Tumore im Kopf- und Halsbereich sind häufig ursächlich für Dysphagien. Hierbei kann zum einen die zentrale Steuerung des Schluckens durch Beeinträchtigungen relevanter Hirnareale gestört sein, zum anderen aber können periphere Einschränkungen durch Resektionen oder Veränderung der Morphologie zu Auffälligkeiten der Schluckphysiologie führen.

Schluckfunktion und
Dysphagie

Die Fähigkeit zu Schlucken ist ein hoch komplexer semi-reflexiver sensomotorischer Vorgang, bei dem eine Vielzahl an Strukturen, Hirnnerven und Muskeln dynamisch und mit höchster Koordination agieren müssen, um Speichel, Nahrung und Flüssigkeit (auch als Bolus bezeichnet) sicher und effektiv vom Mund in den Magen zu transportieren [25]. Durch die anatomische Besonderheit im Pharynx, wo sich Speise- und Atemweg kreuzen, müssen so bei jedem Schluck die Atemwege geschützt werden. Dies geschieht über verschiedene Verschlussmechanismen (Stimmlippen, Taschenfalten und Abkippung der Epiglottis) bei gleichzeitiger Öffnung des pharyngo-ösophagelaen Segments (PÖS), damit der Bolus vom Pharynx mittels einer koordinierten Kontraktionswelle in den Ösophagus ausgetrieben werden kann [25].

Eine Dysphagie ist demnach durch eine Unterbrechung der präzisen Aktivierungsmuster von Nerven und Muskeln charakterisiert, die normalerweise zu einem effektiven und funktionierenden Bolusfluss führen. Ein Leitsymptom ist Penetration/Aspiration (Penetration = Eindringen bis auf die Ebene der Stimmlippen, Aspiration = Eindringen bis unterhalb der Stimmlippen). Dies kann durch einen mangelnden Verschluss des Larynx verursacht werden. Ein weiteres Leitsymptom ist das Auftreten von Residuen, also der Verbleib von Speichel, Nahrung oder Flüssigkeit im Pharynx. Dies kann z.B. durch eine eingeschränkte Öffnung des pharyngo-ösophagealen Segments verursacht werden. Hierbei kann der Bolus nicht effektiv vom Rachen in die Speiseröhre transportiert werden. Es verbleiben Residuen im Pharynx, die entweder über Nachschlucken oder Expektorieren gereinigt werden müssen [25].

Für jedes Leitsymptom können verschiedene biomechanische und schluckphysiologische Beeinträchtigungen verantwortlich sein und um gezielt therapeutisch an der Schluckstörung arbeiten zu können, ist eine grundlegende Kenntnis über die zugrundliegenden Einschränkungen notwendig [5].

Auswirkungen von
Schluckstörungen

Die Fähigkeit zu Schlucken ist einerseits für die Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme essentiell, trägt andererseits jedoch auch entscheidend zur Lebensqualität bei, demnach können Dysphagien zu massiven Einschränkungen führen. Die Auswirkungen von Dysphagien sind vielfältig. Neben der Funktionsebene können Patienten vor allem auch in den Bereichen Aktivität und Partizipation massiven Leidensdruck empfinden. Gerade die Patienten mit Schluckstörungen nach Operation an der HWS leiden häufig besonders unter dem Auftreten von Schluckstörungen, da sie ansonsten in der Regel mobil sind, und daher an einem gesellschaftlichen Leben teilhaben können.

Demnach kann der Schluck entweder hinsichtlich der Sicherheit oder der Effektivität oder einer Kombination aus beidem beeinträchtigt sein. Ist die Effektivität der Schluckfunktion beeinträchtigt, kann es in der Folge zu einem ungewollten Gewichtsverlust, zu Malnutrition oder auch zu Dehydration kommen. Ist die Sicherheit des Schluckens beeinträchtigt, kann es in der Folge zu schwerwiegende Komplikationen wie bspw. einer Aspirationspneumonie kommen. Diese Komplikationen können zu einem längeren Krankenhausaufenthalt und erhöhten Kosten führen [27].

HWS-OP und Dysphagie

Der funktionelle Zusammenhang von Halswirbelsäule (HWS) und Schluckfunktion bzw. Schluckstörungen rückt seit einigen Jahren zunehmend in den Fokus des Interesses der klinisch-wissenschaftlichen Forschung. Lange Zeit galten Schluckstörungen bei Patienten mit Erkrankungen der Halswirbelsäule als seltene Komplikation. Und auch aktuelle Studien stellen immer wieder fest, dass viele Verläufe leichtgradig und passager zu sein scheinen, es jedoch schwere und langwierige Verläufe gibt [16, 24]. Es wird von multifaktoriellen Ursachen ausgegangen, die zu einer postoperativen Dysphagie führen können. Sowohl Nervenschädigungen durch die Operation selbst, als auch postoperative Schwellungen werden immer wieder beschrieben [26].

Kostas et al. explorierten in ihrer Studie die isolierte Dysphagie mit 9,5 % als häufigste postoperative Komplikationen nach einer ACDF Operation, insbesondere nach einer Mehretagenversorgung. Grundsätzlich gehen die Autoren davon aus, dass die Häufigkeit postoperativer Komplikationen nach ventralen HWS-Eingriffen von Wirbelsäulenchirurgen unterschätzt werde, zumal die Dysphagie ein häufig „subjektives“ Symptom sei und eine validierte Erfassung auch in Studien anderer Arbeitsgruppen nicht durchgeführt worden sei [10]. Eingriffe an der HWS können das sagittale Profil der HWS und damit die Schluckphysiologie beeinflussen. So kann z.B. eine Verkleinerung des O-C/2 Winkels infolge einer Fusion in Flexion zu einer Verkleinerung des oropharyngealen Volumens und in der Folge zu Dysphagie und Dyspnoe führen [17]. Während die Einflüsse der Fusionen im occipito-cervicalen Bereich auf mögliche mechanische und funktionelle Störungen des Schluckakts beschrieben sind, liegen bislang nur wenige Daten zur Korrelation zwischen dem sagittalen prä- und postoperativen Profil der mittleren und unteren Halswirbelsäule und dem Auftreten einer postoperativen Dysphagie vor. Ein interessanter Aspekt ergibt sich auch aus der Arbeit von Liu et al., dass eine Überkorrektur bzw. Verstärkung der patientenindividuellen Lordose zu einer Vorwölbung der Rachenhinterwand und in der Folge zu einer Einengung und Funktionsstörung von Pharynx und Larynx führen könne. Eine signifikante Korrelation ergab sich in einer Studie zwischen dem C2-C7 Angle und den Auftreten einer postoperativen Dysphagie. Es wird die Arbeit von Tian et al. zitiert, in der empfohlen wurde, aus diesem Grund eine Überkorrektur des sagittalen Alignements und damit die Entwicklung einer postoperativen Dysphagie zu vermeiden [11, 28] (Abb. 1–2).

Zusammenhang von HWS und Schluckfunktion

Die Halswirbelsäule bildet mit dem Kiefergelenk sowie den direkt für die Bewegung zuständigen Kaumuskeln, den drei Schichten der hinteren Nackenmuskulatur, der supra- und infrahyoidale Muskulatur, dem Hyoid, dem M. sternocleidomastoideus und dem Schultergürtel (inkl. Clavicula mit Sternum und dem oberen Scapularand) gemeinsam eine komplexe kinematische Kette [30].

Bewegungen im Kiefergelenk (Mundöffnung) erfordern bei ruhiger Kopfhaltung eine Stabilisierung in den Kopfgelenken durch eine kompensatorische Anspannung der Nackenmuskulatur. Bei einer Reklination des Kopfes wiederum ist eine Aktivierung der Kaumuskeln notwendig, um den Mund geschlossen zu halten [30]. Diese komplexen Zusammenspiele von Nerven und Muskeln machen verschiedene risikobehaftete anatomische Strukturen deutlich, die bei einer ventralen oder auch einer dorsalen Operation der Halswirbelsäule beschädigt werden können. Es wird vermutet, dass es für schmerzempfindliche (nozizeptive) Störsignale aus der Peripherie ein Leichtes wäre, die Koordination von Kopf- und Kieferbewegungen aus der Balance zu bringen [19].

Zudem bewegen sich während des Schluckens einzelne Segmente der HWS im Millimeterbereich [15]. Mittels der dynamischen Röntgenschluckuntersuchung Videofluoroskopie (VFSS) wurden von Mekata et al. an jungen, gesunden Probanden die Bewegungen der einzelnen Wirbelkörper während der oralen Phase (Kauen und Bolusvorbereitung im Mund) und pharyngealen Phase (Schluckinitiierung und Transport des Bolus durch den Pharynx in den Ösophagus) des Schluckens gemessen und es zeigte sich, dass während der pharyngealen Phase die Wirbel C1, C2 und C3 flektiert, wohingegen C5 und C6 extendiert waren. Die einzelnen Wirbelkörper verschieben sich in verschiedene Freiheitsgrade (ventral, dorsal, cranial und kaudal). Die Autoren schlussfolgern, dass sich die Halswirbelsäule bewegt, um während des Schluckens die physiologische Lordose zu reduzieren [15]. Diese Ergebnisse lassen im Umkehrschluss vermuten, dass eine Einschränkung dieser Bewegungsfähigkeit der Wirbelkörper durch Fixierung oder Versteifung auch Auswirkungen auf die biomechanischen Parameter des Schluckens haben könnte.

Inzidenz, Risikoparameter und Prävention von postoperativen Dysphagien

Die beiden existierenden systematischen Reviews von Cho et al. [3] und Riley et al. [24] geben hinsichtlich der Inzidenz von Schluckstörungen nach Operationen an der HWS eine enorme Streuung an (2 %–79 %), basierend auf den unterschiedlichen Definitionen von Dysphagie. Das Dysphagierisiko nach einer Operation an der HWS ist demnach unmittelbar nach der Operation am höchsten, innerhalb eines Monats sinkt diese Rate und liegt zwischen 50 % und 56 %, nach Ablauf eines Jahres bildet sich ein Plateau zwischen 13 % und 21 % [3, 24].

Häufig sind die Dysphagien also passager, es gibt jedoch auch extrem lange und komplizierte Verläufe, welche die Patienten deutlich in ihrer Lebensqualität beeinträchtigen und mit medizinischen Komplikationen wie Mangelernährung und aspirationsbedingten Lungenentzündungen einhergehen [16, 22].

Der Einfluss von Faktoren wie Geschlecht, Alter, Zugang (ventral oder dorsal), Anzahl der operierten Segmente, Raucherstatus, GERD, Hypertension, Operationsdauer sowie vorbestehenden Schluckbeschwerden werden häufig im Hinblick auf das Entstehen einer Dysphagie hin untersucht [4, 9, 18, 21]. Allerdings besteht in den bisherigen Publikationen kein Konsens über die Relevanz einiger der Faktoren. Beispielsweise wurde in einigen Studien Frauen mit einem höheren Dysphagierisiko identifiziert, in anderen Studien wurden Männer mit einem höheren Risiko beschrieben [29].

Das Dysphagierisiko scheint bei Operationen anzusteigen, in welchen die Segmente C4 oder C5 involviert waren [22]. Ebenso führen Operationen an 2 oder mehreren Segmenten, der Einsatz von Platten, eine längere Anästhesie- und Operationszeit signifikant häufiger zu postoperativen Dysphagien [22, 29]. Faktoren wie Alter, Geschlecht, Hypertension, BMI, postoperative Weichteilschwellungen, Intubationsparameter zeigten sich entweder nicht als signifikante Risikofaktoren oder werden kontrovers diskutiert [9, 21, 29].

Um das Risiko einer postoperativen Dysphagie zu minimieren, können während der Operation bereits präventive Maßnahmen umgesetzt werden. So konnte ein Reduzieren des endotrachealen Cuffdrucks, die lokale Irrigation mit Methylprednisolon sowie eine umsichtige pharyngelae/ösophageale Retraktion die Inzidenz von Dysphagien reduzieren [7]. Neben anatomischen Kenntnissen sollten auch operative Faktoren wie Schnitt-Naht, der Einsatz eines Senior-Operateurs (OP-Dauer), der Einsatz von Low Profile Platten in die Planung und Durchführung von HWS-Operationen als präventive Maßnahmen einbezogen werden.

Die Kenntnis über Risikofaktoren, die möglicherweise das Auftreten einer postoperativen Schluckstörung begünstigen, können bereits vor der Operation zu einer umfassenden Aufklärung der Patienten und zielgerichteten Planung hinsichtlich eines möglichen intensivmedizinischen Versorgungsbedarfs sowie eines ressourcenorientierten Einsatzes durch die Logopädie führen.

Erfassen von Dysphagien nach HWS-OP

Die große Streuung bezüglich der Inzidenz kann vor allem mit der methodischen Varianz der zugrundeliegenden Studien erklärt werden. So wird bspw. der Begriff Dysphagie zumeist nicht eindeutig definiert. In einigen Studien wird eine Dysphagie angenommen, sobald der Patient subjektiv von Einschränkungen berichtet, in anderen Studien wird eine Dysphagie diagnostiziert, wenn eine Aspiration vorliegt, die durch ein bildgebendes Verfahren bestätigt wurde [4].

Die meisten publizierten Studien (auch zu Inzidenz und Risikofaktoren) basieren im Bereich der HWS-operierten Patienten auf subjektiven Patienteneinschätzungen. Eine Vielzahl der veröffentlichten Studien setzten den Bazaz-Dysphagia-Score ein [2]. Es handelt sich hierbei um eine subjektive Einschätzung von Patienten bezüglich der Häufigkeit von Schwierigkeiten mit dem Schlucken von Flüssigkeiten bzw. fester Kost (Tab. 1). Gibt ein Patient an, keine Schluckbeschwerden zu haben, wird dies mit ‚keine Dysphagie’ bewertet. Die Dysphagie gilt als „leichtgradig“, wenn ein Patient nur selten auftretende Schwierigkeiten angibt. Die Patienten selbst werten hier die Schluckstörung nicht als gravierendes Problem. ‚Mittelschwere’ Dysphagien werden als gelegentliche Beschwerden mit spezifischen Nahrungsmitteln (beispielsweise Brot oder Steak) definiert. Die Definition für ‚schwere’ Dysphagie wurde als ‚häufige Schluckbeschwerden bei einer Vielzahl der Nahrungsmittel’ (Flüssigkeiten und feste Konsistenz) festgelegt [2]. Obwohl er sehr häufig eingesetzt wird, wurde dieser Score bislang nicht validiert.

Studien haben zudem gezeigt, dass subjektive Patienteneinschätzungen nicht reliabel eine Schluckstörung detektieren können, demnach sollte die Nutzung dieses oder ähnlicher Scores für die alleinige Erfassung von Schluckstörungen kritisch betrachtet werden [26].

Neben den subjektiven Patientenbefragungen, um Schluckstörungen zu erfassen, sollten auch klinische Verfahren eingesetzt werden. Diese sollte im ersten Schritt dazu dienen, mögliche Risikopatienten zu identifizieren. Durch Schluck-Screenings ist es möglich, innerhalb einer bestimmten Patientenpopulation Patienten zu identifizieren, die weiterführende Diagnostik und ggf. Therapie benötigen. Bislang gibt es lediglich im Bereich des akuten Schlaganfalls Empfehlungen zu strukturierten Vorgehensweisen. Bevor diese jedoch auf eine andere Population übertragen werden oder adaptiert werden können, müssen sie auf Validität und Reliabilität hin überprüft werden. Bislang gibt es keine speziell für den Einsatz bei HWS-operierten Patienten validierte Dysphagie-Screening.

Ergibt sich ein Verdacht auf eine bestehende Problematik, können Logopäden im Rahmen einer klinischen Untersuchung die Schluckfunktion überprüfen. Hierbei werden neben sensorischen und motorischen Anteilen des Schluckens, auch mittels klinischen Schluckversuchen Verdachtsdiagnosen über das Vorhandensein einer Schluckstörung erstellt [5].

Um jedoch die Biomechnanik des Schluckens beurteilen zu können, ist die Diagnostik durch bildgebende Verfahren zwingend erforderlich. Diese müssen bestimmte Eigenschaften besitzen, sowohl um die relevanten Strukturen, aber auch die komplexen, zeitlich schnellen und hochgradig aufeinander abgestimmten koordinierten Bewegungsabläufe während des Transports von Speisen und Flüssigkeiten durch den Schlucktrakt darstellen zu können [12]. Das bislang einzig gängige Verfahren, mit dem diese biomechanischen Eigenschaften des Schluckens identifizierbar sind, ist die Videofluoroskopie des Schluckens (VFSS). Bei diesem dynamischen radiographischen Verfahren (Röntgenschluckuntersuchung) kann der Patient mittels einer Pulsfrequenz von mindestens 25–30 Pulsen pro Sekunde (pps) durchleuchtet werden. Durch den lateralen Strahlengang können einige schluckrelevante Aspekte erfasst und die Schluckfunktion für verschiedene kontrastmittelhaltige Konsistenzen untersucht werden. Die Untersuchung im Strahlengang von posterior nach anterior (p-a) ermöglicht eine gezielte Bewertung der Symmetrie der schluckrelevanten Strukturen sowie ein Screening des Ösophagus [5, 12].

Die VFSS erfolgt entsprechend der Empfehlungen als Tandemuntersuchung von Sprachtherapie und Radiologie. Für eine aussagekräftige und vergleichbare Interpretation sind eine standardisierte Durchführung und Auswertung unabdingbar [12]. Den Patienten werden dabei verschiedene kontrastmittelhaltige Boli (flüssig, passiert, fest) nach einem standardisierten Protokoll verabreicht, sodass der Bolusfluss und die Bewegungen der am Schluckakt beteiligten Strukturen in Echtzeit sichtbar werden (Abb. 3).

Neben dem Erfassen der funktionellen Aspekte, kann auch die Lebensqualität erfasst werden. Der SWAL-QoL ist ein standardisierter und validierter Fragebogen zur Erfassung von Lebensqualität in Bezug auf das Schluckvermögen [14]. Dieser beinhaltet 44 Fragen, die sich auf 10 Bereiche der Lebensqualität beziehen. Die einzelnen Items werden mit Schwerewerten von 1–5 beurteilt, je nachdem wie häufig die erfragten Symptome auftreten. Je geringer der summierte Punktwert ist, umso schwerer ist die Beeinträchtigung [14]. Für den Einsatz bei HWS-operierten Patienten wurde eine gekürzte Fassung (mit 16 Fragen) aufgrund statistischer und klinisch relevanter Unterschiede erstellt [13]. Hierbei sollten nicht ausschließlich signifikante Unterschiede im Vergleich im Fokus stehen, sondern auch die durch Patienten als klinisch relevant wahrgenommene Veränderung. Diese wurde beim SWAL-Q=L bei einem Unterschied von 9 Punkten in dieser Population angegeben [20].

Derzeit gibt es noch keinen Konsens über eine strukturierte Vorgehensweise in der Erfassung von Schluckstörungen bei dieser Patientenpopulation.

Biomechanische Veränderungen des Schluckens nach HWS-OP und schluckphysiologische Erklärungsansätze

Mittlerweile haben einige Studien die biomechanische Veränderung des Schluckes nach einer Operation an der HWS untersucht. Auch wenn im Rahmen einiger Studien Penetration/Aspiration sich nicht als das primäre Leitsymptom der schluckphysiologischen Veränderung gezeigt hat [4, 18], so sollte im Rahmen von prospektiven Studien mit Follow-up dieser Aspekt nicht außer Acht gelassen werden, da diese mit schweren Komplikationen und deutlichen medizinischen Risiken sowie erhöhten Kosten verbunden ist [27].

Sehr häufig jedoch sind Residuen festzustellen, diese sind zumeist in den Valleculae und Sinus piriformes zu finden. Das Auftreten der Residuen nach der Operation wird immer wieder mit geschwächten pharyngealen Konstriktoren sowie eine durch Schwellungen verdickte Pharyxhinterwand, und eine reduzierte Öffnung des pharyngo-ösophagealen Segments beschrieben.

In verschiedenen Studien wurde postoperativ eine dickere Pharynxhinterwand gemessen, diese resultiert aus prävertebralen Schwellungen aufgrund von Blutungen und Weichteiltraumen, die während einer ventralen Operation entstehen können. Dies kann zu einer reduzierten Epiglottis-Abkippung führen. Die Epiglottis-Abkippung während des Schluckens ist einer der Mechanismen, um die Atemwege zu schützen. Durch diesen Bewegungsvorgang kann der Bolus seitlich vorbei durch den Pharynx in Richtung Ösophagus gelangen. Demnach kann eine eingeschränkte Abkippung der Epiglottis zum einen zu pharyngealen Residuen im Bereich der Valleculae führen, zum anderen zu Penetration/Aspiration, sofern die anderen Schutzmechanismen nicht suffizient sind [12].

Die postoperativen Schwellungen können zudem zu einer herabgesetzten Motilität der Pharynxwände führen, wodurch eine reduzierte pharyngeale Austreibungswelle verursacht werden kann. Dies führt durch einen reduzierten Druck zu einem reduzierten Bolusfluss, sodass der Bolus nur unzureichend durch das pharyngo-ösophageale Segment befördert wird. Dies kann zu pharyngealen Residuen im Bereich der Sinus piriformes führen.

Die Öffnung des pharyngo-ösophagealen Segments (PÖS) wird ebenfalls in verschiedenen Studien als beeinträchtigt beschrieben [4, 9]. Eine mögliche Ursache für die reduzierte Öffnung kann die durch den mechanischen Eingriff notwendige Retraktion des aerodigestiven Traktes, also eine Verschiebung der Trachea und des Ösophagus, durch den Operateur sein. Eine weitere mögliche Erklärung für die reduzierte Öffnung des pharyngo-ösophagealen Segments könnten intraoperative Verletzungen des N. laryngeus inferior (recurrens) sein, der zusätzlich zum Plexus pharyngeus auch für die Innervation des M. cricopharyngeus zuständig ist [1]. Die Höhe des Operationslevels könnte mit der Öffnungsweite des pharyngo-ösophagealen Segments in einem signifikanten Zusammenhang stehen: Je höher das zu operierende zervikale Wirbelsegment, desto mehr war die Öffnungsweite des oÖS eingeschränkt [9].

Demnach ist die Wertung der Dysphagie als mechanische Zugangskomplikation einer ventralen Operation der Halswirbelsäule schlüssig. Doch zusätzlich zu der mechanischen Komponente, wird auch von neurogenen Mechanismen ausgegangen, die für die beobachteten Pathomechanismen verantwortlich sein können [24]. Dies erscheint auch nach Betrachtung der Ergebnisse verschiedener Studien plausibel, denn einige der postoperativ beeinträchtigten Parameter (Larynxelevation, Hyoidverlagerung, Zungengrundretraktion) lassen sich allein durch Schwellung oder mechanischen Einfluss nicht erklären [4].

Für das Schlucken relevante Strukturen sind die beiden Äste N. laryngeus superior und N. laryngeus recurrens des N. vagus (HN X) sowie der N. hypoglossus (HN XII). In Teilen ebenfalls betroffen sein können Nervenäste der Ansa cervicalis, welche die infrahyoidalen Muskeln sowie einen der suprahyoidalen Muskeln innervieren, die wiederum auch zur Verlagerung des hyolaryngealen Komplexes beitragen. Es kann vermutet werden, dass die Verlagerung des hyolaryngealen Komplexes durch die Distraktion dieser Strukturen beeinträchtigt werden kann. Eine mögliche Erklärung für die signifikante Verschlechterung des Parameters Zungengrundretraktion könnte sein, dass sich der N. hypoglossus ebenfalls im Operationsbereich befindet und dieser in die Zungengrundretraktion involviert ist. Dies wirft gleichzeitig die Frage auf, warum keine oralen Parameter beeinträchtigt sind, in deren Innervation der HN XII ebenfalls involviert ist. Dies könnte mit der Höhe des operativen Eingriffs erklärt werden [4]. Der Plexus pharynxis als komplexe und für das Schlucken essentielle Struktur sollte durch Beteiligung von N. glossopharyngeus, N. vagus und des superioren cervicalen Ganglions ebenfalls berücksichtigt werden, da diese Strukturen während einer Operation an der HWS verletzt werden können [8].

Schnittstelle Logopädie und Orthopädie

Schnittstellenprojekte am SRH Klinikum Karlsbad

Um ein besseres Verständnis für die Dysphagien bei diesem Patientenklientel zu bekommen, wurden im Rahmen einer Pilotphase im SRH Klinikum Karlsbad in Kooperation zwischen Abteilung Logopädie und dem Zentrum für Wirbelsäulenchirurgie, Orthopädie und Traumatologie (ZWOT) eine routinemäßige instrumentelle Schluckuntersuchung (Videofluoroskopie des Schluckens) bei Patienten vor und nach der Operation an der Halswirbelsäule durchgeführt [6]. Die SRH Hochschule für Gesundheit steht seit 2018 ebenfalls in Kooperation mit dem ZWOT, um Erkenntnisse über eine verbesserte Patientenversorgung zu erlangen.

Bisherige Projekte

Muss et al. untersuchten den Einfluss einer ACDF auf die Schluckfunktion und Schluckphysiologie mittels einer retrospektiven Analyse von prä- und postoperativen Videofluoroskopien in einer Serie von 17 Patienten. Es wurden sowohl funktionelle Parameter (PA-Skala und Residuen) sowie physiologische Parameter (Hyoidverlagerung) und anatomische Parameter (Dicke der Pharynxhinterwand) definiert, um Hinweise auf Veränderungen der Schlucksicherheit oder der Effektivität des Schluckes zu erhalten [18]. Die ausgewerteten Videofluoroskopie-Daten umfasste die Untersuchung von Flüssigkeit (5 ml und Schluck), einen Teelöffel Brei und einen Bissen Brot. Hieraus wurde der 5 ml Flüssigkeits-Schluck zur Analyse herausgegriffen und isoliert betrachtet, da dies bei den zur Verfügung stehenden Daten die einzig standardisierte Menge darstellte. Die Ergebnisse zeigten hinsichtlich der Schlucksicherheit bei 5 der 17 Patienten einen schlechteren PAS-Wert nach der Operation (p = .034). Bei 12 Patienten hat sich der Wert nicht verändert. Bezüglich der Schluckeffizienz zeigten 6 der 17 Patienten postdeglutitive Residuen in den Vallecullae (p=.016). Die vermehrt aufgetretenen Residuen in den Sinus Piriformes bei 4 der 17 Patienten (p = .063) zeigten sich nicht statistisch signifikant. Die durchschnittliche maximale Verlagerung des Hyoids nach superior war nach der Operation signifikant reduziert (p = .016), wohingegen bei der Verlagerung nach anterior keine signifikante Veränderung (p = .173) festgestellt wurde. Nach der Operation war die Pharynxhinterwand signifikant dicker als vor der Operation (p < .001), was auf pharyngeale Ödeme nach der Operation hinweist [18].

In einer weiteren Datenanalyse analysierten Duchac et al. einzelne Veränderungen schluckphysiologischer Parameter nach ventraler oder dorsaler HWS-Operation [4]. Hierbei wurden retrospektiv die prä- (1 Tag) und postoperativen ( M = 4) Videofluoroskopie-Datensätze von 28 Patienten ausgewertet. In der ventralen Gruppe konnten die Daten von 19 Patienten (9 w/10 m) analysiert werden, in die dorsale Gruppe wurden 9 Patienten in die Datenauswertung inkludiert. Die Videos wurden nach dem Protokoll des Modified Barium Swallow Impairment Profile [12] analysiert, um Veränderungen der einzelnen schluckrelevanten Parameter statistisch berechnen zu können. Zusätzlich wurden Faktoren wie Geschlecht, Alter, Revisions-OP, Anzahl der operierten Segmente und Beteiligung der oberen HWS in der Analyse berücksichtigt. Für einen umfassenden Überblick wurde zusätzlich eine Summenscore aus allen pharyngealen Parametern gebildet [4].

In der ventralen Gruppe zeigte sich der pharyngeale Summenscore nach der Operation signifikant höher (p < .000). Signifikante Veränderungen ergaben sich für die pharyngealen Parameter Hyoidverlagerung, pharyngeale Austreibungswelle, Öffnung des pharyngo-ösophagealen Segments, sowie für pharyngeale Residuen. In der dorsalen Gruppe zeigte sich der pharyngeale Summenscore nach der Operation ebenfalls signifikant höher (p = .015). Für einzelne Parameter konnten allerdings keine statistisch signifikanten Veränderungen nachgewiesen werden.

Aufgrund der retrospektiven Analysen mit jeweils kleinen Fallzahlen ist die Aussagekraft limitiert. Dennoch lassen die Ergebnisse vermuten, dass es sich sowohl um mechanische Komplikationen wie durch Schwellungen verursachte Auffälligkeiten beim Schluck handelt als auch Verletzungen der Nerven zu Störungen in der Schluckphysiologie führen [4].

Validierung eines klinischen Dysphagie-Screenings

Da nicht alle Patienten routinemäßig eine instrumentelle Untersuchung erhalten können (sowohl hinsichtlich Kosten und Ressourcen, aber auch hinsichtlich der rechtfertigenden Indikation), müssen klinische Verfahren zum Einsatz kommen, die zuverlässig und valide Risikopatienten detektieren können.

Darüber hinaus kann die Kenntnis über Risikofaktoren, die möglicherweise das Auftreten einer postoperativen Schluckstörung begünstigen, bereits vor der Operation zu einer umfassenden Aufklärung der Patienten und zielgerichteten Planung hinsichtlich eines möglichen intensivmedizinischen Versorgungsbedarfs sowie eines ressourcenorientierten Einsatzes durch die Logopädie führen.

Daher wurde eine prospektiv angelegte Studie in Kooperation von SRH Klinikum Karlsbad, ZWOT und SRH Hochschule für Gesundheit, Studiengang Logopädie initiiert, die sich einerseits mit den Risikofaktoren beschäftigt, aber auch die Validität eines klinischen Dysphagie-Screenings überprüfen möchte.

Ziel dieser Studie ist es, klinische Faktoren zu identifizieren, die zur frühzeitigen klinischen Feststellung einer Schluckstörung nach einer Operation an der Halswirbelsäule führen können. Mit Hilfe der Studienergebnisse soll die Komplikationsrate gesenkt und die Versorgungsqualität der betroffenen Patienten optimiert werden.

Alle Patienten, die im Rahmen eines infomed consent zugestimmt haben, können an der Studie teilnehmen. Hierfür durchlaufen sie ein festgelegtes Studienprotokoll, das sowohl aus Fragebögen (Bazaz-Score, Swal-QoL, Voice Handicap Index), einem Dysphagie-Screening (2 x 1 Teelöffel Wasser; 2 x 1 Schluck Wasser, 90 ml Times Water Swallow Test & Test of Mastication and Swallowing Solids) einer strukturierten klinischen Untersuchung der Schluckfunktionen und einer bildgebenden Diagnostik mittels Videofluoroskopie des Schluckaktes besteht. Die Untersuchungen finden vor der HWS-Operation, innerhalb einer Woche nach der Operation und bei subjektiven Beschwerden zu einem Follow-up mindestens 6 Monate statt.

Weiteres Projekt

Im Rahmen der Kooperation zwischen der SRH Hochschule für Gesundheit/Logopädie/ZWOT wird derzeit in einem weiteren prospektiven Studienzweig anhand radiologischer Auswertungen ausgewählter prä- und postoperativer sagittaler Profilparameter der Halswirbelsäule untersucht, ob es Korrelationen zwischen Veränderungen des sagittalen Profils der HWS und dem Auftreten von Schluckstörungen gibt.

Zusammenfassung und
Ausblick

Die Erkenntnisse aus der internationalen Forschungslandschaft sowie die Ergebnisse aus den Projekten der Kooperation am SRH Klinikum Karlsbad machen deutlich, dass Patienten nach Operationen an der HWS bislang hinsichtlich des Auftretens einer Dysphagie unterschätzt werden. Auch wenn die Mehrzahl der Patienten postoperativ leicht- bis mittelgradig beeinträchtigt ist, gibt es auch wenige schwer betroffene Patienten mit erheblichen Komplikationen.

Die Veränderungen der Schluckmechanismen sind vielfältig. Für manche Patienten mit ventralem Zugang steht eine postoperative Schwellung mit ihren mechanischen Komplikationen im Vordergrund, bei anderen Patienten dominieren möglicherweise Schädigungen von Nerven, welche zu den beschriebenen Auffälligkeiten führen. Der Einfluss des sagittalen Profils auf das Auftreten von postoperativer Dysphagie ist Inhalt weiterer Untersuchungen. Ziel sollte in jedem Fall sein, einerseits spezifische Merkmale der postoperativen Schluckphysiologie dieser Patienten herauszufiltern, andererseits Auffälligkeiten der Schluckphysiologie zu identifizieren, die möglicherweise bereits präoperativ, bspw. durch Schmerzen oder Haltungsveränderungen auftreten.

Es sind weitere Studien nötig, um zwischen den transienten und persistierenden Dysphagien unterscheiden zu können und zu detektieren, welche Kriterien für das Entwickeln einer schwerwiegenden und langfristigen Dysphagie verantwortlich sein können. Zudem sollte vor allem bei den Patienten mit langfristigen Dysphagien ein Augenmerk auf die Inzidenz von möglichen Komplikationen gelegt werden. Zusätzliche Aspekte wie Druckverhältnisse im Pharynx, auch der Einfluss von Narbengewebe auf die Schluckfunktion sollten ebenfalls genauer untersucht werden. Ein weiterer wichtiger Schritt ist die Erarbeitung von standardisierten und validierten klinischen Entscheidungskriterien, um relevante Schluckstörungen frühzeitig zu detektieren. Frühe Dysphagie-Screenings sind essentiell, um Sekundär-Komplikationen und verlängerte Krankenhausaufenthalte zu vermeiden. Für einige pharyngeale Beeinträchtigungen bleiben Fragen bestehen und hoch-qualitative Fall-Serien werden benötigt [16], um die Effektivität von Rehabilitations-Programmen zu bestätigen.

Das aktuelle Forschungsprojekt am SRH Klinikum Karlsbad versucht, diese Lücke zu schließen und einen klinischen Behandlungspfad für diese Patientengruppe zu entwickeln. Mit diesem umfassenden Wissen können geeignete therapeutische Maßnahmen für eine effiziente Rehabilitation generiert werden. Nach den bislang veröffentlichten Arbeiten und entsprechenden Schlussfolgerungen sollten Sprachtherapeuten stärker in das Behandlungsprozedere dieser Patientengruppe eingebunden werden [26]. Durch den Ausbau der Schnittstelle zwischen orthopädischem und logopädischem Behandlungsteam, sollten Risikopatienten schnell identifiziert und einer aussagekräftigen Diagnostik zugeführt werden, damit spezifische Beratung und ggf. eine Therapie erfolgen kann.

Interessenkonflikte:

Stefanie Duchac: keine angegeben

Christian Neuhäuser: keine angegeben

Tobias Pitzen: Honorare für Vorträge und Hospitantenbetreuung von BBraun, DePuy, Medtronic, Nuvasive

Das Literaturverzeichnis zu diesem Beitrag finden Sie auf: www.online-oup.de

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. Stefanie Duchac

Studiengang Logopädie, B.Sc.

SRH Hochschule für Gesundheit

Campus Karlsruhe

Benzstraße 5

76185 Karlsruhe

stefanie.duchac@srh.de

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