Übersichtsarbeiten - OUP 05/2023
Fahrtauglichkeit unter Schmerzmedikamenten
Auf der anderen Seite ist die Geschichte der Menschheit offensichtlich auch eng verwoben mit dem Einsatz von Drogen und Genussmitteln. Es gibt heute Hinweise aus der Wissenschaft, dass das Sesshaftwerden der Menschheit vor etwa 12.000 Jahren etwas mit dem Anbau von Getreide zu tun haben könnte, was im Weiteren die Produktion von Gegorenem und Alkohol ermöglichte.
Das allgegenwärtige Opium, auch Mohnsaft genannt, wird und wurde durch Anritzen unreifer Samenkapseln des Schlafmohns und dessen Trocknung gewonnen. Bereits in der Antike und im Mittelalter wurde Opium als Schmerzmittel und Bestandteil von Theriac und von Schlafschwämmen eingesetzt. Den Gebrauch schmerzstillender Pflanzen kannten Ägypter, Inder, Perser und Chinesen. Auch die Indianer setzten den Tabak als Narkotikum ein, die Inka setzten Coca-Extrakte zur Analgesie ein und um sich zu berauschen. Der immer wieder in diesem Zusammenhang auch beschriebene Schlafschwamm, lateinisch spongium somniferum, beinhaltete neben dem bereits genannten Opium auch Alraunen-, Bilsenkraut- und Schierlingsauszüge als getränkter Badeschwamm. Die Herstellung erfolgte durch Vollsaugen des Schwamms mit den alkaloidhaltigen Presssäften dieser Drogen, man trocknete den Schwamm an der Sonne oder an einem warmen Ort. Vor der Operation wurde der trockene Schwamm dann in warmes Wasser gelegt, bis er vollgesogen war. Er konnte mehrfach verwendet werden.
Auch das heute als hochschädliche Droge bekannte Crystal Meth gab es schon vor dem 2. Weltkrieg als Stimulanz für Psyche und Kreislauf unter der Bezeichnung Pervitin. Es verbirgt sich hier als Substanz Methamphetamin, die noch in den vierziger Jahren des vorigen Jahrhunderts erschöpften Hausfrauen in Pralinen gereicht wurde oder auch als sogenannte Panzerschokolade.
In der Zusammenschau also eine unheilsame Melange aus dem Wunsch, möglich schnell von A nach B zu kommen, dabei aber offensichtlich ubiquitär vorhandene psychotrope Substanzen.
Verkehrstüchtigkeit –
Fahrtüchtigkeit –
Fahreignung
Zunächst zu einer Begriffsklärung. Unter Fahrtauglichkeit versteht man die generelle geistige, körperliche und charakteristische Eignung zum sicheren Führen eines Kraftfahrzeuges. Nur, weil die genannten Voraussetzungen einmal vorgelegen haben, muss das nicht dauerhaft der Fall sein. Um im Straßenverkehr ein Fahrzeug zu führen bzw. die Fahrerlaubnis zu besitzen, muss eine Person als fahrtauglich gelten. Das bedeutet, dass die Wahrnehmung, das Reaktionsvermögen und die Aufmerksamkeit nicht durch psychische oder physische Beeinträchtigungen eingeschränkt sein dürfen, somit auch nicht durch unerwünschte Wirkungen von Medikamenten.
Die Verkehrstüchtigkeit (auch Fahrtüchtigkeit, Fahrvermögen, Fahrtauglichkeit, Verkehrstauglichkeit) bezeichnet die Eignung zu einer sicheren Fortbewegung in räumlichen Dimensionen. Fahreignung hingegen umfasst körperliche, geistige und charakterähnliche Eignung von Kraftfahrzeugführerinnen und -führern. Dabei handelt es sich hierbei um einen unbestimmten Rechtsbegriff. Nach Erteilung der Fahrerlaubnis setzt man die Fahreignung als gegeben voraus. Ist sie jedoch aus medizinischen oder anderen Gründen, z.B. der individuellen Verkehrsbiografie (vorliegende Verkehrsdelikte) nachweislich nicht mehr gegeben, wird die Fahrerlaubnis entzogen. Zur Nacherteilung kann ein Gutachten einer Begutachtungsstelle für Fahreignung (EPU) oder ein verkehrsmedizinisches Gutachten gefordert werden. Zur Frage der Eignung finden sich Hinweise in § 2 Abs. 4 der Straßenverkehrsordnung (StVG): Geeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen ist, wer die notwendigen körperlichen und geistigen Anforderungen erfüllt und nicht erheblich oder nicht wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder gegen Strafgesetze verstoßen hat.
Medikamente und
Straßenverkehr
Zu den wichtigen Medikamentengruppen mit Auswirkung auf die Fahrtüchtigkeit gehören insbesondere zentral wirksame Medikamente. Hierzu gehören:
Schlaf- und Beruhigungsmittel
Psychopharmaka, z.B. Antidepressiva
Neuroleptika
Antiallergika
Analgetika
Psychostimulanzien
Der Konsum von Schlaf- und Beruhigungsmitteln hat in den vergangenen Jahren zugenommen. Grundsätzlich gilt bei Einnahme die Eigenverantwortung, es kann allerdings die Kaskoversicherung bei selbstverschuldetem Unfall, ganz oder teilweise, leistungsfrei sein, es drohen dann auch strafrechtliche Konsequenzen bis hin zur Entziehung der Fahrerlaubnis.
Für Cannabis im Freizeitbereich liegt der Grenzwert bei 1 ng/ml Tetrahydrocannabinol (THC) im Blutserum. Bei drogenbedingten Ausfallserscheinungen greift § 316 des Strafgesetzbuches (StGB), hier drohen bis zu 1 Jahr Freiheitsstrafe oder Geldstrafe, wenn man nach dem Konsum berauschender Mittel nicht in der Lage ist, das Fahrzeug sicher zu führen. Das gilt dann auch für medizinisches Cannabis. Als besonders ungünstig ist der gleichzeitige Genuss von Alkohol und Medikamenten zu bewerten. Allerdings gibt es auch Patientinnen- und Patientengruppen, die unter Umständen erst durch die Einnahme von Medikamenten ihre Fahrtauglichkeit wiedererlangen können, z.B. Diabeteskranke, Bluthochdruckkranke und Schmerzpatientinnen und -patienten. Insbesondere bei diesen Personengruppen gilt, dass eine gute medikamentöse Einstellung und regelmäßige ärztliche Kontrollen Grundvoraussetzung zum Führen eines Kraftfahrzeuges sind.
Beipackzettel
Gebrauchsinformationen und Packungsbeilage zu Arzneimitteln, auch Beipackzettel genannt, enthalten für die Patientinnen und Patienten wichtige Informationen, hauptsächlich zum Zweck und zur Anwendung des Arzneimittels, dann natürlich zur Art und Häufigkeit der Nebenwirkungen.
Den Beipackzetteln der am häufigsten eingesetzten Analgetika der Stufe II und III WHO, schwache und starke Opioide, darüber hinaus aber auch der gängiger Co-Analgetika wie z.B. Medikamente zur Behandlung neuropathischer Schmerzen oder auch Antidepressiva, sind nahezu unisono Hinweise dahingehend zu entnehmen, dass Aufmerksamkeit und Reaktionsvermögen beeinträchtigt sein können, dass durch die Einnahme das Bedienen von Maschinen oder elektrischen Werkzeugen ebenso beeinträchtigt sein kann sowie das Führen von Autos oder anderen Fahrzeugen. Zu häufigen unerwünschten Wirkungen zählen insbesondere Schwindel, Schläfrigkeit, Halluzinationen, Verwirrtheit, Beeinträchtigungen der Orientierung, Müdigkeit, Doppelbildersehen und Trunkenheitsgefühl – sämtlich Zustandsbilder, die mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs nicht vereinbar sind.