Übersichtsarbeiten - OUP 06/2018
Frakturversorgung am Radiuskopf
Maximilian Lenz1, Michael Hackl1, Kilian Wegmann1, Lars Müller1
Zusammenfassung: Die Radiuskopffraktur ist die häufigste Fraktur am Ellenbogengelenk beim Erwachsenen und bringt regelmäßig osteoligamentäre Begleitverletzungen mit sich. Typischerweise resultiert sie aus einem Sturz auf die pronierte und extendierte Hand. Zur Diagnostik eignet sich primär eine Röntgenbildgebung. Bei einem komplexeren Frakturmuster und zur OP-Planung ist eine CT-Bildgebung additiv ratsam. Die MRT-Bildgebung spielt bei der Radiuskopffraktur eine untergeordnete Rolle, kann aber zum Nachweis bzw. Ausschluss chondroligamentärer Begleitverletzungen durchgeführt werden. In Abhängigkeit der Fragmentanzahl und dem Ausmaß der Dislokation werden die Radiuskopffrakturen nach Mason/Johnston klassifiziert. Die Therapie erfolgt in Anlehnung an die Klassifikation. Mason-I-Frakturen werden regelmäßig konservativ behandelt, wobei eine kurzzeitige Ruhigstellung in einer Gipsschiene erfolgt und anschließend eine frühfunktionelle Nachbehandlung.
Mason-II-Frakturen werden im eigenen Vorgehen bei Dislokation über 2 mm operativ durch Schraubenosteosynthese versorgt. Die Schraubenosteosynthese kann – je nach Frakturkonfiguration – arthroskopisch durchgeführt werden. Bei mehrfragmentären Frakturen Mason III/IV ist die Rekonstruktion mittels Schrauben und ggf. den neuen anatomisch präformierten winkelstabilen Plattensystemen anzustreben. Sollte eine suffiziente Rekonstruktion nicht möglich sein, ist die zumindest temporäre Implantation einer Radiuskopfprothese eine sinnvolle Therapieoption. Die alleinige Resektion des
Radiuskopfs sollte bei der akuten Verletzung nicht durchgeführt werden, um eine zusätzliche Destabilisierung des
Gelenks zu vermeiden.
Schlüsselwörter: Radiuskopffraktur, Osteosynthese,
Radiuskopfprothese,
Zitierweise
Lenz M, Hackl M, Wegmann K, Müller LP: Frakturversorgung am
Radiuskopf.
OUP 2018; 7: 300–304 DOI 10.3238/oup.2018.0300–0304
Summary: Radial head fractures represent the most common elbow fractures in the adult and are often associated with concomitant injuries. They typically result from a fall onto the pronated and extended hand. Plain radiographs of the elbow are performed first. In case of complex fractures and for surgical planning CT scans can be recommended. MRI is not as important for radial head fractures but may contribute to diagnose or rule out ligament tears or cartilage lesions.
Depending on the number of fragments and degree of dislocation, radial head fractures are classified using the Mason/Johnston classification. Fractures are treated according to this classification. Mason I fractures are usually treated conservatively by short-term immobilization of the elbow joint in a cast followed by early functional therapy. For Mason II fractures with dislocation of more than 2 mm we recommend surgical treatment by means of screw fixation. Depending on fracture configuration, screw fixation can be performed arthroscopically assisted. For multi-fragmentary Mason III/IV fractures primary reconstruction is aimed for, using screws and/or, if applicable, new anatomically preformed locking plates. If sufficient reconstruction of the radial head is impossible, implantation of a radial head prosthesis should be performed at least temporary. The sole resection of the radial head should not be performed in the acute trauma situation to avoid further instability of the elbow joint.
Keywords: radial head fracture, osteosynthesis, radial head arthroplasty
Citation
Lenz M, Hackl M, Wegmann K, Müller LP: Management of radial head fractures.
OUP 2018; 7: 300–304 DOI 10.3238/oup.2018.0300–0304
1 Klinik für Orthopädie & Unfallchirurgie, Universitätsklinikum Köln (AöR)
Einleitung
Der Radiuskopf artikuliert mit dem Humerus am Capitulum humeri und der proximalen Ulna, wobei über das Radiokapitellargelenk ca. 60 % der Axialkräfte am Ellenbogen geleitet werden [6, 20]. Bei einem Verlust des Radiuskopfs müssen die axialen Kräfte über die ulnare Säule getragen werden (Abb. 1).
Die Radiuskopffraktur ist mit ca. 30 % die häufigste Fraktur am Ellenbogengelenk. Typischer Unfallmechanismus ist der Sturz auf die ausgestreckte Hand bei Extension des Ellenbogens und Pronation des Unterarms, wodurch axiale Stauchungs- und Valguskräfte den Radiuskopf gegen das Capitulum humeri pressen. Da der Radiuskopf primärer Stabilisator der longitudinalen Stabilität des Unterarms und sekundärer Stabilisator gegen Valgusstress ist, geht die Radiuskopffraktur häufig mit ligamentären Begleitverletzungen einher [19]. Männer und Frauen sind gleichwertig betroffen, bei jüngeren Männern liegen aber oftmals schwerwiegendere Frakturen des Radiuskopfs vor [11].
Schon bei einfachen Frakturen des Radiuskopfs treten regelhaft ligamentäre Begleitverletzungen auf [8, 10, 19]. Das laterale Kollateralband (LCL) ist in ca. 50 % der Mason-Frakturen I bis III rupturiert, das mediale Kollateralband (MCL) wird hingegen deutlich seltener verletzt [12]. Bei begleitender Ellenbogenluxation kann es außerdem zu knöchernen Begleitverletzungen des Proc. coronoideus oder auch des distalen Humerus kommen [12, 21].
Klassifikation
Die gängigste Klassifikation stellt die nach Johnston modifizierte Mason-Klassifikation dar. Die Klassifikation gibt einen Überblick über die Schwere der Verletzung anhand der Anzahl der Fragmente sowie deren Dislokationsmuster. Broberg und Morrey haben zusätzliche Dislokations-Stufen in mm zur Differenzierung zwischen Mason Typ I und II definiert (Tab. 1) [2].
Diagnostik
Nach erfolgtem Trauma präsentieren sich die Patienten meist mit einer Schwellung und Schonhaltung am betroffenen Ellenbogen. Bei der klinischen Untersuchung zeigt sich häufig eine typische Symptomatik aus Druckschmerz über dem Radiuskopf sowie eingeschränkter Beweglichkeit im Ellenbogen. Standard der bildgebenden Untersuchung ist die Röntgenbildgebung des Ellenbogens in 2 Ebenen mit additiver Radiuskopfzielaufnahme nach Greenspan. Nicht selten sind in der Röntgenbildgebung gerade bei einfachen Frakturen nur okkulte Frakturzeichen, z.B. in Form eines positiven „fat pad signs“, sichtbar [16]. Zur weiteren Therapieplanung ist eine CT-Bildgebung gerade bei intraartikulären Frakturen empfohlen, um den Grad der Dislokation und die Fragmentgrößen zu detektieren. Die MRT ist bei der Diagnostik untergeordnet und eignet sich primär zur Diagnostik chondro-ligamentärer Begleitverletzungen [19].