Übersichtsarbeiten - OUP 06/2018

Frakturversorgung am Radiuskopf

Die Therapie der Radiuskopffraktur erfolgt in Anlehnung an die Mason-Klassifikation [18]. Dabei gilt es jedoch zu berücksichtigen, dass Studien lediglich eine mäßige Interobserver-Reliabilität der Klassifikation nachweisen konnten [9, 23].

Mason I

Nicht-dislozierte oder minimal dislozierte 2-Fragment-Frakturen werden in der Regel konservativ durch eine kurzzeitige Ruhigstellung in 90° Flexion im Oberarmgips und frühfunktioneller Nachbehandlung therapiert. Bei konservativer Therapie sind engmaschige klinische Verlaufskontrollen dringend empfohlen, um eine ausbleibende Beschwerdebesserung frühzeitig zu erkennen. Sollten protrahierte Verläufe auftreten, handelt es sich bei den Komplikationen möglicherweise um eine (post-) traumatische Ellenbogeninstabilität, freie Gelenkkörper, sekundäre Dislokation, eine mehrfragmentäre Frakturkonstellation oder eine schmerzhafte Ellenbogensteifigkeit. Die Indikation zur erweiterten Diagnostik mittels Schnittbildgebung sollte hier großzügig gestellt werden.

Mason II

Frakturen, die eine Dislokation der Fragmente von > 2 mm aufweisen, werden im eigenen Vorgehen operativ reponiert und fixiert. Hier wird primär die Schraubenosteosynthese am Radiuskopf angewandt. Diese kann offen oder arthroskopisch-assistiert durchgeführt werden. Die arthroskopische Versorgung bietet die Vorteile eines minimal-invasiven Vorgehens bei guter Beurteilbarkeit der Fraktur und der Begleitverletzungen. Ligamentäre Begleitpathologien können dann additiv arthroskopisch oder offen versorgt werden.

Entscheidend bei der Osteosynthese der Radiuskopffraktur ist, dass das Fremdmaterial in der Safe Zone zu liegen kommt, d.h. außerhalb des mit der Incisura radialis ulnae artikulierenden Anteils am Radiuskopf (Abb. 2). Werden bei der Schraubenosteosynthese versenkbare Schrauben verwendet, die unter Knorpelniveau eingebracht werden, können diese auch außerhalb der Safe Zone platziert werden. Eine Materialentfernung solcher Schrauben wird bei korrekter Lage nicht empfohlen. Resorbierbare Pins, die keiner Materialentfernung bedürfen, haben eine geringere Primärstabilität als Titanschrauben [24] (Abb. 3).

Neben der operativen Versorgung der Mason-II-Fraktur zeigen einzelne Fallserien auch bei konservativem Therapieregime gute Ergebnisse und im Vergleich zur operativen Versorgung oftmals keine Unterschiede im klinischen Outcome [1]. Die konservative Therapie bietet sich bei Mason-II-Frakturen an, die keinen Rotationsblock zeigen [4]. Einige Studien belegen allerdings eine erhöhte Rate posttraumatischer Arthrosen bei dislozierten Frakturen und konservativem Vorgehen, sodass die operative Wiederherstellung der Gelenkkongruenz insbesondere beim jungen und aktiven Patienten im eigenen Vorgehen bevorzugt wird [14, 17].

Mason III und IV

Bei Mehrfragmentfrakturen oder Frakturen mit begleitender Luxation sollte die primäre Rekonstruktion und Adressierung der Begleitpathologien erfolgen. Komplexe Frakturen benötigen in aller Regel eine Plattenversorgung, um die einzelnen Fragmente stabil zu fixieren.

Für die speziellen winkelstabilen Radiuskopfplatten konnte in biomechanischen Studien eine höhere Primärstabilität als für frühere Implantate gezeigt werden [3, 15]. Trotz der bekannten spezifischen Komplikationen ist auch bei komplexen Frakturen eine primäre Osteosynthese zu bevorzugen.

Im Hinblick auf die Safe Zone gilt für die Plattenosteosynthese wie für die Schrauben, dass sie nicht außerhalb dieser Zone liegen sollten, um die Rotation nicht einzuschränken. Unter Umständen muss dies intraoperativ allerdings akzeptiert werden, sofern die Frakturkonstellation ein anderes Vorgehen nicht ermöglicht. Dann ist eine frühe Metallentfernung nach Konsolidierung der Fraktur erforderlich, um dauerhafte Bewegungseinschränkungen bei Pro- und Supination zu vermeiden.

Ist eine stabile Rekonstruktion zumindest eines Großteils der Gelenkfläche nicht möglich, ist in der Regel der endoprothetische Ersatz des Radiuskopfs indiziert. Die alleinige Resektion des Radiuskopfs ist nur bei intaktem medialen Kollateralband sinnvoll. Trümmerfrakturen ohne Läsion des MCL stellen allerdings eine Seltenheit dar. Darüber hinaus wird durch die Resektion die Kraftübertragung im Ellenbogen ausschließlich über die ulnare Säule geführt, sodass es hier zu einer verfrühten arthrotischen Degeneration kommen kann (Abb. 4).

Zur Therapieoption gehört eine Vielzahl an Prothesenmodellen. Es werden einerseits Monoblockprothesen von modularen sowie monopolare von bipolaren Prothesen unterschieden. Die Verankerung der Prothese kann zwischen „intentionally-loose“, „press-fit“ oder zementiert individuell angepasst werden. Der Operateur kann zwischen Lang- und Kurzschaftprothesen wählen. Neuerdings sind neben rein runden Radiuskopfprothesen auch anatomisch präformierte Prothesenmodelle verfügbar, die der eher ovalären Form des Radiuskopfs Rechnung tragen. In biomechanischen Studien konnte gezeigt werden, dass in der Fraktursituation monopolare Prothesen eine höhere Primärstabilität aufweisen und diese bevorzugt werden sollten, insbesondere im Hinblick auf Begleitverletzungen [10, 13].

Mögliche Komplikationen nach Prothesenimplantation sind Infektionen, Knorpeldegenerationen am Capitulum humeri und Implantatversagen im Sinne einer Lockerung, einer Diskonnektion der Prothesenanteile (bei modularen Prothesen) oder eines Prothesenbruchs [5, 7]. Die Implantation einer Radiuskopfprothese ist technisch anspruchsvoll. Insbesondere auf die Vermeidung eines „overlengthening“ muss geachtet werden. Wird die Prothese zu hoch eingebaut, resultiert eine Kompressionskraft zwischen Prothese und Capitulum humeri mit rascher, oft schmerzhafter Arrosion des Capitulum und konsekutiver Steife.

Nachbehandlung

Eine frühfunktionelle Nachbehandlung des Ellenbogens nach Radiuskopffraktur sollte angestrebt werden, um das Risiko für posttraumatische Kontrakturen zu minimieren. Ist eine Immobilisierung unvermeidlich, sollte diese nicht länger als 2 Wochen postoperativ durchgeführt werden. Für die ersten 6 Wochen sollten zudem Varus- und Valgusbelastung vermieden werden. Neben intensiver physiotherapeutischer Behandlung kann individuell eine Bewegungsorthese sinnvoll sein.

Interessenkonflikt: Keine angegeben

Korrespondenzadresse

Maximilian Lenz

Klinik für Orthopädie & Unfallchirurgie

Universitätsklinikum Köln (AöR)

Kerpener Straße 62

50937 Köln

maximilian.lenz@uk-koeln.de

Literatur

1. Akesson T, Herbertsson P, Josefsson PO, Hasserius R, Besjakov J, Karlsson MK: Primary nonoperative treatment of moderately displaced two-part fractures of the radial head. J Bone Joint Surg Am 2006; 198; 199–214

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