Arzt und Recht - OUP 04/2012

Gelenkersatz-Operation ohne radiologische Planung ein (grober) Behandlungsfehler?

Gemäß § 10 Abs. 5 der Musterberufsordnung reicht grundsätzlich auch die elektronische Datenspeicherung, um die Dokumentationspflichten zu erfüllen. Der Arzt hat jedoch Sicherungs- und Schutzmaßnahmen zu ergreifen, um Vernichtung, nachträgliche Veränderungen und Missbrauch zu verhindern. Unterlässt er solche Schutzmaßnahmen, droht ihm abgesehen von berufsrechtlichen Konsequenzen, dass die Beweiskraft solcher Dokumentationen in einem Arzthaftpflichtprozess gemindert ist, sodass er unter Umständen nicht die behandlungsfehlerfreie Durchführung der Operation bzw. die fehlende Kausalität für den beim Patienten eingetretenen Schaden nachweisen kann.

Grundsätzlich können Mängel in der Dokumentation selbst keinen Behandlungsfehler begründen, der Schadensersatz- oder Schmerzensgeldansprüche gegen den Arzt nach sich ziehen könnte. Lediglich in dem Fall, dass der Dokumentationsmangel eine falsche (Weiter-)Behandlung verursacht, kann ein Dokumentationsmangel haftungsbegründend sein.

Im Übrigen gilt eine Maßnahme, die nicht dokumentiert ist, zunächst als nicht durchgeführt. Ebenso kann die Tatsache, dass nicht dokumentiert wurde, wie eine Maßnahme durchgeführt wurde, die Annahme einer behandlungsfehlerhaften Durchführung nach sich ziehen. Der Arzt müsste dann beweisen, dass die Maßnahme doch (behandlungsfehlerfrei) erfolgt ist. Mangels entsprechender Dokumentation müsste er auf andere Beweismittel (z.B. Zeugen) zurückgreifen.

Fazit

Das Unterlassen einer präoperativen radiologischen Planung bei Gelenkersatz-Operationen stellt nur dann einen Behandlungsfehler dar, wenn ein Sachverständiger auf Grundlage der (nicht entlegenen) Fachliteratur im konkreten Einzelfall zu dem Ergebnis kommt, dass eine solche Planung medizinischer Standard im Zeitpunkt der Behandlung ist. Die Ausführungen in den einschlägigen fachlichen Leitlinien stellen lediglich Indizien dar.

Der Behandlungsfehler ist im Einzelfall lediglich dann als grob einzustufen, wenn die Durchführung der präoperativen radiologischen Planung eine Standardmaßnahme darstellt, die der Arzt schlechterdings nicht unterlassen durfte. Dies würde zu einer Beweislastumkehr führen, sodass der Arzt beweisen müsste, dass das Unterlassen der präoperativen radiologischen Planung nicht ursächlich für den beim Patienten eingetretenen Schaden war.

Die präoperative radiologische Planung ist zu dokumentieren, wenn sie medizinisch notwendig und wichtig ist. Hierbei reicht die elektronische Speicherung aus, wenn der Arzt Sicherungsmaßnahmen ergreift. Fehlen solche Sicherungsmaßnahmen, ist die elektronische Dokumentation im Arzthaftungsprozess weniger beweiskräftig.

Wie auch im Arzthaftungsprozess, hängt es vom Stand der Wissenschaft und dem sich hieraus ergebenden medizinischen Standard ab, ob das Unterlassen einer präoperativen radiologischen Planung bei einer Gelenkersatz-Operation einen (groben) Behandlungsfehler darstellt. Das Gericht wird in einem Arzthaftungsprozess sein Augenmerk darauf richten, ob der Gelenkersatz behandlungsfehlerfrei eingesetzt ist. Ob der unsachgerechte Einsatz eines Gelenkersatzes auf dem Unterlassen einer präoperativen radiologischen Planung oder unzureichender Durchführung der Operation beruht, ist eine Frage der im Einzelfall bei der Behandlung zu erfüllenden Sorgfaltspflichten. In jedem Fall sollte sich der Arzt jedoch nicht ausschließlich auf die Ausführungen in einschlägigen Leitlinien verlassen, sondern Zweifel durch Ermittlung des medizinischen Standards anhand des in den gängigen Fachzeitschriften veröffentlichten Stands der Wissenschaft ausräumen.

Korrespondenzadresse

RA Dr. Christoph Osmialowski

Kanzlei für ArztRecht

Fiduciastraße 2

76227 Karlsruhe

E-Mail: kanzlei@arztrecht.org

Internet: www.arztrecht.org

SEITE: 1 | 2