Übersichtsarbeiten - OUP 07/2018
Gelenkersetzende Therapie bei Gonarthrose
Bei Patienten mit einer kombinierten einseitigen tibiofemoralen und patellofemoralen Kompartmentarthrose kann auch die Kombination einer Schlittenprothese mit einem Patellofemoralgelenk erfolgen. Dieses ist nur sehr selten für die Kombination laterales und patellofemorales Kompartment indiziert, häufiger für die Kombination mediales und patellofemorales Kompartment. Prinzipiell sind für diese Methode auch patienten-spezifische, nicht-modulare Systeme erhältlich, wenngleich die häufigste Kombination eine modulare Verwendung eines medialen Schlittens und PFJs des gleichen Herstellers ist (Abb. 7) [24].
Die Indikationen sind prinzipiell die gleichen wie beim medialen Schlitten, mit der Ausnahme, dass die Kontraindikationen für das Patellofemoralgelenk nicht gelten.
Die funktionellen Ergebnisse nach einem modularen, bikompartimentellen Ersatz sind dem eines Oberflächenersatzes überlegen [25–28]. Langzeitergebnisse sind für diese Methode bislang nicht beschrieben.
Oberflächenersatz (Knietotalendoprothese, Knie-TEP)
Die mit Abstand häufigste Verwendung bei der operativen Therapie der Gonarthrose findet der Oberflächenersatz des Kniegelenks. Alle Systeme haben gemeinsam, dass alle tibialen und femoralen Gelenkflächen entfernt und prothetisch ersetzt werden. In Abhängigkeit von den noch suffizienten Bandstrukturen und dem gewünschten Erhalt des medialen und lateralen Seitenbands sowie des vorderen und hinteren Kreuzbands, können verschiedene Grade der Stabilisierung beim oberflächlichen Ersatz des Kniegelenks unterschieden werden. Dadurch werden – je nach Literatur – bei 80 % der operierten Patienten Schmerzbefreiung und eine Verbesserung der Funktion des Kniegelenks erreicht. Der Operationserfolg kann nicht vorhergesagt werden. 15–20 % der operierten Patienten haben bleibende Schmerzen und Funktionseinbußen und sind unzufrieden. Die Prädiktoren sind Schweregrad der Arthrose, präoperative Funktion, Begleiterkrankungen wie z.B. Depression, Diabetes oder auch Voroperationen des Kniegelenks. Auch soziale Faktoren wie z.B. das Leben in einer festen Partnerschaft haben einen Einfluss auf das Outcome [1].
Folgende Arten der Kopplung stehen für die primäre Endoprothetik zur Verfügung:
2 Bi-CR Knie-TEP („bi-cruciate-
retaining“, Erhalt des vorderen und hinteren Kreuzbands)
Es gab in der Entwicklung der Knieendoprothetik immer wieder Versuche, einen Oberflächenersatz unter Erhalt beider Kreuzbänder zu implantieren. Diese Versuche bestanden zum Teil aus beidseitig, medial und lateral, implantierten Schlittenprothesen [29, 30], z.T. aber auch aus speziell für diese Indikation entwickelten Oberflächenersatzprothesen [31– 34]. Aktuell befinden sich auf dem Markt das Vanguard XP als Bi-CR-Variante des etablierten Knie-Systems Vanguard der Fa. ZimmerBiomet und das Produkt Journey XR als Bi-CR-Variante des Journey-Knie-System, Smith & Nephew.
Mögliche Vorteile dieser Art der Prothese sind:
Erhalt der natürlichen Kniekinematik durch Erhalt beider Kreuzbänder
Erhalt der natürlichen Propriozeption des Kniegelenks
Möglichkeit der tiefen Beugung
höherer postoperativer Aktivitätsgrad.
Mögliche Nachteile von Bi-CR-Prothesen sind:
nur kleines Indikationsspektrum (keine vorherigen Osteotomie, keine ausgeprägte Fehlstellung, keine ausgeprägte Bewegungseinschränkung)
neue, nicht weit verbreitete OP-Technik
nur kurzfristige Erfahrungen
kinematischer Konflikt zwischen prothetischen Gelenkflächen und erhaltenen Kreuzbändern
Haltbarkeit der tibialen Komponente.
Abbildung 8 zeigt ein intraoperatives Bild einer beide Kreuzbänder erhaltenden Knie-TEP. Insgesamt befindet sich die Verwendung von Bi-CR-Prothesen noch im Wachstum und die Langzeitergebnisse und realen klinischen Vor- und Nachteile müssen abgewartet werden. In 2 klinischen Studien konnte gezeigt werden, dass sowohl die klinischen Ergebnisse als auch die Propriozeption des Kniegelenks besser waren als bei PS-Knie-TEPs und auf dem Niveau von medialen Schlittenprothesen [35, 36].
Während die beide Kreuzbänder erhaltende Knie-TEP (Bi-CR) noch eine
Nischenindikation darstellt, sind die das hintere Kreuzband erhaltende (CR) oder ersetzende (PS) Knieprothese über lange Zeit erprobt und stellen den Großteil der Primärimplantate dar:
2 CR-Knie-TEP
(„cruciate-retaining“, Erhalt des hinteren Kreuzbands)
Die CR-Knieprothese ist in Deutschland mit ca. 80 % Verwendung die am häufigsten benutzte Form. Hierbei wird das vordere Kreuzband reseziert und das hintere erhalten. Diese Art der Knieprothesen hat mehr oder weniger konkave, medial und lateral identische, tibiale Gelenkflächen. Die Konkavität der Gelenkflächen, die seitlichen, medialen und lateralen Strukturen und das hintere Kreuzband verleihen dieser Prothesenform die Stabilität und bestimmen den Kontaktpunkt der femoralen Komponente auf der tibialen [37, 38]. Die Tiefe und der Slope der tibialen Konkavität bestimmen zu einem hohen Anteil die intrinsische Stabilität der Prothese [37, 39]. Eine Schwierigkeit liegt darin, die Spannung des hinteren Kreuzbands richtig zu beurteilen, da eine zu geringe Spannung in einer vermehrten ap-Translation und hinteren Instabilität resultiert, eine zu hohe Spannung in einem vermehrten Abrieb der dorsalen Tibiakomponente [40, 41]. Abbildung 9 zeigt die seitlichen Röntgenbilder einer CR-Prothese mit einem typischen slide-forward des Femurs auf der Tibia bei zunehmender Beugung, während die PS-Prothese aufgrund des Zapfenmechanismus ein reproduizierbares Roll-back aufweist.
Hinteres Kreuzband ersetzende Prothesen (PS, BCS, UC)
Die häufigste Form der das hintere Kreuzband ersetzenden Oberflächenersatzprothese ist die sog. PS-Knie-TEP („posterior stabilisiert“) (Abb. 9). Hierbei werden sowohl das vordere als auch hintere Kreuzband entfernt. Durch einen Zapfen-Steg-Mechanismus (engl. „cam-post“) wird ein funktioneller Ersatz des hinteren Kreuzbands durchgeführt [37]. Durch eine Führung des Zapfens kommt es mit zunehmender Beugung zu einem „roll-back“ des Femurs auf der Tibia, welches eine tiefe Beugung ermöglicht [42, 43]. Der Zapfen füllt die femorale Box nicht vollständig aus, sodass eine freie Rotation entsteht und keine Varus-/Valgus-Stabilität besteht. Diese muss weiterhin von den Kollateralbändern gegeben sein.