Übersichtsarbeiten - OUP 07-08/2014
Gründe und Risikofaktoren für die Revision von Knietotalendoprothesen
C.P. Rader1, J. Henssler2*, O. Rolf3
Zusammenfassung: Die Zahl der Knie-Endoprothesenimplantationen steigt mit der älter werdenden Bevölkerung stetig. Die Knietotalendoprothetik (K-TEP) zählt mit den Hüftendoprothesen zu den erfolgreichen operativen Verfahren, um arthrotische oder arthritische Gelenke wieder schmerzfrei in gute Funktion zu bringen. Die K-TEP zeigt
jedoch gegenüber dem Hüftgelenkersatz eine häufigere Revisionsrate, insbesondere in den ersten 5 Jahren.
Ziel der Studie ist es, Ursachen und Risikofaktoren von K-TEP-Revisionen zu untersuchen, um Vorschläge zur Minimierung von K-TEP -Versagen benennen zu können.
Schlüsselwörter: Knietotalendoprothese, Revisionsursachen, Kniewechseloperationen, Risikofaktoren für Knietotalendoprothesenversagen
Zitierweise
Rader CP, Henssler J, Rolf O: Gründe und Risikofaktoren für die Revision von Knietotalendoprothesen
OUP 2014; 7: 370–375 DOI 10.3238/oup.2014.0370–0375
Summary: The number of knee replacements increases
constantly with aging population. Arthroplasty of the knee together with hip replacement becomes the most successful surgery method for treatment of osteoarthritic joints in function as well as in pain. However, the revision rate in knee
replacement is more frequent than in hip replacement,
especially in the first 5 years.
The aim of the study is to investigate reasons and risk factors of knee replacement revisions to minimize replacement failure.
Keywords: total knee replacement, risk factors for total joint revision of knee, reasons for total joint failure, revision for total knee arthroplasty
Citation
Rader CP, Henssler J, Rolf O: Reasons and risk factors of knee replacement revisions.
OUP 2014; 7: 370–375 DOI 10.3238/oup.2014.0370–0375
*Die Untersuchung wurde im Rahmen einer Doktorarbeit (J. Henssler; Dr.-Vater: Apl.-Prof. Dr. C. Rader) an der Julius Maximilian Universität Würzburg, Orthopädie (Lehrstuhlinhaber: Prof. Dr. M. Rudert, König-Ludwig-Haus) erstellt.
Einführung und Definition
Die Implantation von Knie-Totalendoprothesen (K-TEP) ist heute eine Standardoperation in der Orthopädie und Unfallchirurgie. Sie ermöglicht Patienten mit verschwundenem, verschlissenem Gelenkknorpel ein wieder schmerzfreies Leben. Die K-TEP zeigt sehr gute Langzeitergebnisse mit bis zu 95 %igen Überlebensraten nach 15 Jahren [1]. Auch die Funktionalität des Kniegelenks kann wieder gut hergestellt werden [2]. Trotzdem müssen Knieprothesen revidiert werden. Nach Robertsson et al. [6] werden 2 Gipfel der Revisionshäufigkeit unterschieden: nach 1–2 Jahren und als Spätkomplikation, 10–15 Jahre nach primärer Knie-TEP.
Laut Daten der Fallpauschalen-bezogenen Krankenhausstatistik [10] wurden im Jahr 2010 158.100 TEP-Erstimplantationen am Kniegelenk durchgeführt [10]. Das Risiko, sich innerhalb der ersten 2 Jahre nach einer TEP-Erstimplantation einer Wechseloperation (Revision) unterziehen zu müssen, liegt laut Hochrechnungen der Daten der ehemaligen GEK auf die bundesdeutsche Bevölkerung bei 3,3 % für das Hüft- und bei 6,5 % für das Kniegelenk [11]. Im Jahr 2010 wurden 25.169 Knie-TEP-Revisionen in deutschen Krankenhäusern durchgeführt [10].
Studien zufolge ist davon auszugehen, dass die Anzahl durchgeführter Knieprothesen-Revisionen in den USA bis 2030 auf das 6-fache des Werts von 2005 ansteigen wird [3]. Als Hauptgrund für diese Entwicklung wird die in gleichem Ausmaß zunehmende Zahl primärer totaler Knieendoprothesen-Implantationen angesehen. Der Anteil der Revisionen an den gesamten Knie-TEP-Operationen bleibt bei annähernd ca. 8 % Prozent konstant. Trotz Weiterentwicklung chirurgischer und materieller Techniken sinkt die Revisionsrate nicht. Als Erklärung hierfür wird die breiter ausgelegte Indikationsstellung mit immer jüngeren, aktiveren Patienten diskutiert [20, 3].
Ziel der Untersuchung ist es, Ursachen und Risikofaktoren von K-TEP -Revisionen anhand eines Patientenguts einer auf Endoprothetik spezialisierten städtischen Orthopädieabteilung zu bestimmen, um Vorschläge zur Minimierung von K-TEP-Revisionen benennen zu können.
Methode
Die Studie erfasste das retrospektive Datenmaterial aus 1,5 Jahren einer städtischen Orthopädieabteilung (n = 65; St. Franziskus-Hospital, Köln), aus der alle K-TEP-Revisionsfälle aus dieser Zeit konsekutiv aufgearbeitet wurden. Außer der Anamnese und den klinischen Daten wurde mit Hilfe des Operationsberichts und der Röntgenbilder die Versagensursache analysiert. Von den 65 Patienten waren 60 % auswärtig mit einer Primärprothese versorgt worden; 45 Patienten (69,2 %) waren weiblich; das Durchschnittsalter zum Zeitpunkt der Revision betrug 71 ± 8,2 Jahre, das Follow-up im Mittel 66 Monate.
Zur Analyse der Röntgenaufnahmen wurde das von der Knee Society entwickelte Schema [4] benutzt. Es teilt die Auflageflächen der Prothesenanteile an Femur, Tibia und Patella in verschiedene Zonen ein und nummeriert diese durch. Im Röntgenbild erkennbare Spalten zwischen Knochen und Prothese, Knochen und Zement oder Zement und Prothese wurden gemessen und diesen Zonen zugeordnet.
Auf Grundlage der Diagnosestellung, d.h. dem anzunehmenden Grund für das Versagen der primären totalen Knieendoprothese, wurden die Patienten in verschiedene Gruppen eingeteilt. Folgende Gruppeneinteilung wurde vorgenommen:
Bei der Auswertung der Daten wurden die Patienten, bei denen die Prothesenverweildauer mehr als 5 Jahre betrug, gesondert als „Spätkomplikationen“ betrachtet.
Hatten sich bei Analyse der Röntgenaufnahmen Lyse-Säume sowohl am tibialen wie am femoralen Anteil der Prothesen gezeigt oder hatten sich intraoperativ beide Anteile als nicht mehr verankert erwiesen, wurde der Fall als „komplette Lockerung“ eingestuft.
War nach intraoperativem Befund nur eine der beiden Prothesenkomponenten gelockert, die andere jedoch noch festsitzend, bezeichneten wir die Ursache als „isolierte tibiale Lockerung“ bzw. „isolierte femorale Lockerung“.
Als eigene Entität wurden die Fälle gesehen, bei denen alle Anteile fest waren, die Prothesen jedoch aufgrund von Problemen im vorderen Kompartiment revidiert werden mussten. Typischerweise lag ein „vorderer Knieschmerz“ vor.