Übersichtsarbeiten - OUP 04/2014

Hallux valgus-Chirurgie
Verfahren, Technik, KomplikationsvermeidungSurgical procedure, technique and avoidance of complications

Minimal invasive Verfahren sollen bei vergleichbaren klinischen und radiologischen Ergebnissen eine kürzere Aufenthaltsdauer, weniger postoperative Schmerzen und eine raschere Rehabilitation erlauben [18, 19], jedoch ist die Evidenz für diese Annahmen niedrig [20].

Diaphysäre Osteotomien können zur Korrektur moderater Deformitäten bis 20° eingesetzt werden, für erfahrene Chirurgen auch bei größeren Winkeln (bis 23°), stellen jedoch technisch anspruchsvolle Methoden mit einer Lernkurve dar [4]. Bei der Ludloff-Osteotomie [21] wird – durch die bei hohem IMA notwendige Rotation des distalen Fragments – der DMAA in pathologische Werte verschoben und kann so eine zusätzliche distale, medial zuklappende, subkapitale Osteotomie notwendig machen. Bei der Scarf-Osteotomie wird der IMA durch Translation korrigiert, wobei diese Methode auch eine Rotation der Gelenkfläche erlaubt, falls eine gleichzeitige Korrektur des DMAA notwendig ist [22]. Diaphysäre Verfahren erfordern eine erweiterte chirurgische Darstellung des Metatarsale, weshalb eine postoperative Physiotherapie zur Vorbeugung von narbigen Kontrakturen empfohlen wird.

Osteotomien an der Basis des ersten Metatarsale bieten durch den langen Hebelarm ein hohes Korrekturpotenzial in Bezug auf den HVA und IMA, können jedoch einen pathologischen DMAA bedingen. Coughlin und Carlson empfahlen daher die Kombination mit einer distalen rotierenden Osteotomie (Doppelosteotomie) und – falls notwendig – auch einer Akin-Osteotomie (Tripleosteotomie, s. Abb. 4a-d) [23]. Basisosteotomien können aufklappend, zuklappend, sichelförmig oder als proximale Chevron-Osteotomie durchgeführt werden. Die Industrie bietet – den jeweiligen Osteotomieformen entsprechende – winkelstabile Implantate an. Aufklappende Basisosteotomien bedingen zusätzlich eine Verlängerung des ersten Mittelfußknochens, zuklappende Osteotomien können zu einer Verkürzung mit der Gefahr der Entwicklung einer Metatarsalgie am zweiten Mittelfußköpfchen führen.

Arthrodese des Großzehen-
grundgelenks

Versteifungen des Großzehengrundgelenks sind – neben den oben erwähnten fortgeschrittenen degenerativen Veränderungen bei neuropathischen Fehlstellungen – als letzte Möglichkeit nach fehlgeschlagenen Voroperationen oder bei massiven Fehlstellungen indiziert. Durch eine Arthrodese kann auch ein hochgradiger HVA und IMA ohne zusätzliche Osteotomie korrigiert werden [4, 7].

Lapidus-Arthrodese

Eine Überlastung des ersten Zehenstrahls kann sekundär eine Hypermobilität im ersten Tarso-Metatarsalgelenk (TMT-I-Gelenk) bedingen. Bei klinischer Hypermobilität, degenerativen Veränderungen im TMT-I bzw. TMT-II-Gelenk und einem IMA über 20° wird von manchen Autoren eine (modifizierte) Lapidus-Arthrodese empfohlen. Ob in solchen Fällen eine Fusion des TMT-I-Gelenks notwendig ist oder die Korrektur der Hallux valgus-Stellung alleine die sagittale Beweglichkeit im TMT-I-Gelenk ausreichend stabilisiert, wird kontrovers diskutiert, da nicht genug Belege der Hypermobilitätstheorie und zu wenige Daten über den Effekt einer Fusion des TMT-I-Gelenks vorliegen [2]. Die Lapidus-Arthrodese ist mit einem distalen Weichteileingriff zu kombinieren und kontraindiziert bei kurzem Metatarsale-I-Knochen oder degenerativen Veränderungen im Großzehengrundgelenk. Empfehlenswert sind eine sparsame Knochenresektion, um den Längenverlust möglichst gering zu halten, sowie eine Plantarisierung des ersten Mittelfußknochens, um einer Transfermetatarsalgie vorzubeugen.

Juveniler Hallux valgus

Patienten mit juvenilem Hallux valgus stellen eine besondere Herausforderung dar. Es hat sich herausgestellt, dass nichtoperative Maßnahmen nicht geeignet sind, die Progression der Deformität aufzuhalten [24]. Der DMAA ist größer als bei Erwachsenen mit Hallux valgus. Da die Scarf-Osteotomie ein großes Potenzial für die Rotation der Gelenkfläche bei gleichzeitiger Korrektur des IMA aufweist, wird sie bei den jungen Patienten als geeignetes Verfahren zur Therapie symptomatischer Deformitäten angesehen (s. Abb. 5a-d) [25].

Fazit

Die operative Korrektur des Hallux valgus ist anhand einer belasteten Röntgenaufnahme zu planen. Die Wahl der Osteotomie hängt vom gemessenen Ausmaß der Deformität ab, wobei distale Osteotomien über ein geringeres Korrekturpotenzial verfügen und proximale Osteotomien eher zu einer Fehlstellung im distalen Gelenkflächenwinkel des ersten Metatarsaleknochens führen können, der ggf. durch eine zusätzliche distale Osteotomie korrigiert werden muss, um ein Rezidiv zu vermeiden. Grundlage nahezu jeder operativen Hallux valgus-Chirurgie ist der distale Weichteileingriff mit Reposition der Sesambeinchen.

Korrespondenzadresse

PD Dr. Rainer Biedermann

Universitätsklinik für Orthopädie

Medizinische Universität Innsbruck

Anichstraße 35, A-6020 Innsbruck

rainer.biedermann@i-med.ac.at

Literatur

1. Roddy E, Zhang W, Doherty M. Prevalence and associations of hallux valgus in a primary care population. Arthritis Rheum 2008; 59: 857–862

2. Perera AM, Mason L, Stephens MM. The pathogenesis of hallux valgus. J Bone Joint Surg Am 2011; 93: 1650–1661

3. Klein C, Groll-Knapp E, Kundi M, Kinz W. Increased hallux angle in children and its association with insufficient length of footwear: A community based cross-sectional study. BMC Musculoskelet Disord 2009; 10: 159

4. Robinson AHN, Limbers JP. Modern concepts in the treatment of hallux valgus. J Bone Joint Surg Br 2005; 87: 1038–1045

5. Keller WL. The surgical treatment of bunions and hallux valgus. NY Med J 1904; 80: 741–742

6. Brandes M. Zur operative Therapie des Hallux valgus. Zbl Chir 1929; 56: 2434–2440

7. Wanivenhaus A, Bock P, Gruber F et al. Deformitätsassoziierte Behandlung des Hallux-valgus-Komplexes. Orthopade 2009; 38: 1117–1126

8. Mann RA. Disorders of the First Metatarsophalangeal Joint. J Am Acad Orthop Surg 1995; 3: 34–43

9. Lee KM, Ahn S, Chung CY, Sung KH, Park MS. Reliability and relationship of radiographic measurements in hallux valgus. Clin Orthop Relat Res 2012; 470: 2613–2621

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