Übersichtsarbeiten - OUP 02/2019
Hallux valgus – ein Update
Joern Dohle
Zusammenfassung:
Die Hallux-valgus-Deformität ist die häufigste Fehlstellung des Fußes, die operativ korrigiert wird.
In westlichen Kulturkreisen liegt ihre Prävalenz bei bis zu 23 %, wobei überwiegend das weibliche Geschlecht betroffen ist. In der wissenschaftlichen Literatur besteht weiterhin Uneinigkeit hinsichtlich
Ätiologie und prädisponierender Faktoren, mit Ausnahme der juvenilen Hallux-valgus-Deformität, bei
der in der Regel eine anlagebedingte Fehlstellung des Gelenkflächenwinkels vorliegt. Eine kausale konservative Therapie ist nach wie vor nicht belegt. Eine operative Korrektur sollte unter Berücksichtigung der kürzlich in aktualisierter Form veröffentlichten Leitlinien durchgeführt werden. Bei Abweichung von der Leitlinie, wie z.B. bei Korrektur eines geringen Metatarsus primus varus durch eine Lapidus-Arthrodese, sollten die Gründe dokumentiert werden, z.B. eine Instabilität des ersten Tarsometatarsalgelenks. Die Chevron-Osteotomie kann als „goldener Standard“ zur Korrektur leichter Fehlstellungen bezeichnet
werden. Bei schwerer Fehlstellung stellt die Arthrodese des ersten Tarsometatarsalgelenks in Kombination mit einer „weichteiligen Rezentrierung“ des Großzehengrundgelenks eine Behandlungsoption dar, die unter Benutzung von medial oder plantar positionierter winkelstabiler Platte eine rasche postoperative Belastung des Fußes erlaubt.
Schlüsselwörter:
Hallux-valgus; Vorfußchirurgie
Zitierweise
Dohle J: Hallux valgus – ein Update. OUP 2019; 8: 059–067
DOI 10.3238/oup.2019.0059–0067
Summary: Hallux valgus deformity is the most common problem of the foot that needs operative correction.
A prevalence of up to 23 % has been reported for western populations with a clear predominance in women. There is still no consensus regarding etiology and predisposing factors with the exception of juvenile hallux valgus, which is frequently caused by a lateral orientation of the distal metatarsal joint surface. Non-operative treatment can reduce symptoms but is not able to reduce the amount of deformity. If operative correction is considered, surgery should be according to national guidelines, which have been recently updated in Germany. Any deviation from the published guidelines should be documented and explained. For example correction of mild to moderate hallux valgus deformity by a Lapidus arthrodesis can be justified by significant instability of the first tarsometatarsal joint. Otherwise the Chevron-Osteotomy is considered as “Golden Standard” for correction of mild to moderate deformity and is typically combined with a soft tissue realignment procedure of the hallux-metatarsal joint. For correction of moderate to severe deformities a modified Lapidus-Arthrodesis has gained popularity in recent years. Using medial or plantar locking plates, allows early weight-bearing after the operation und a rapid rehabilitation of the patients.
Keywords: Hallux valgus; forefoot surgery
Citation: Dohle J: Hallux valgus – an update OUP 2019; 8: 059–067 DOI 10.3238/oup.2019.0059–0067
OGAM Orthopädie, Wuppertal
Einführung
Die Hallux-valgus-Deformität ist nach wie vor die häufigste Fehlstellung des Fußes, die operativ korrigiert wird. Genaue Zahlen über die Häufigkeit operativer Korrekturen des Hallux valgus liegen für Deutschland leider nicht vor, was auf einer inkonsistenten Datenerhebung beruht.
Stationäre Eingriffe werden über das statistische Bundesamt (Destatis) erfasst, wobei ambulante Eingriffe über die jeweils zuständige Kassenärztliche Vereinigung abgerechnet und erfasst werden. Mit Ausnahme von Nordrhein-Westfalen, hier existieren 2 Kassenärztliche Vereinigungen, hat jedes Bundesland eine KV. Die Daten werden aber bundesweit nicht zusammengeführt, sodass keine verlässlichen bundesweiten Statistiken über die Häufigkeit operativer Hallux-valgus-Korrekturen bestehen.
In der Literatur wird eine Prävalenz der Hallux-valgus-Deformität von 23–35 % berichtet [2, 28, 42]. Überwiegend ist das weibliche Geschlecht betroffen, wobei sich in der Literatur große Unterschiede hinsichtlich der Häufigkeitsverteilung zwischen Frauen und Männern finden. Teilweise wird ein Häufigkeitsverhältnis von 15:1 [42] angegeben, in manchen Metaanalysen auch „nur“ von 2,3:1 [28]. Zu unterscheiden sind dabei allerdings Angaben zur Prävalenz einerseits gegenüber Angaben zur Geschlechtsverteilung in Publikationen über operative Verfahren, da letztere auch durch die Bereitschaft zur operativen Korrektur bei vorhandener Fehlstellung geprägt sind.
Merke: Die Hallux-valgus-Deformität ist die häufigste Fehlstellung des Fußes, die operativ korrigiert wird.
Ätiologie und Pathogenese
Bei der Hallux-valgus-Deformität handelt es sich um eine 3-dimensionale Fehlstellung der Großzehe, die in der Regel mit einer Fehlstellung des ersten Metatarsale in Form eines Metatarsus primus varus verbunden ist. Allgemein akzeptierte Komponenten der Deformität sind:
Pronation der Großzehe
Deviation der Großzehe nach lateral, dem eigentlichen Hallux valgus
Deviation des ersten Metatarsale nach medial, dem Metatarsus primus varus
Dezentrierung des Großzehengrundgelenks
Liegt allerdings eine anlagebedingte Fehlstellung des Metatarsale mit Verkippung der Gelenkfläche nach lateral vor, kann trotz Hallux valgus ein zentriertes Großzehengrundgelenk vorliegen. Eine derartige Konstellation liegt häufig beim juvenilen Hallux valgus vor (Abb. 1).
Schuhwerk
Hinsichtlich der Genese, also wie es zur Entstehung einer Hallux valgus Deformität kommt, besteht weiterhin Uneinigkeit, mit Ausnahme der bereits erwähnten anlagebedingten Fehlorientierung der Gelenkfläche des distalen ersten Metatarsale. Während einerseits eine genetische Komponente vermutet wird [31], wird andererseits der Schuh als wesentlicher Faktor für die Entstehung gesehen [19, 36].
Eine aktuelle Studie von Borchgrevink et al. untersucht den Einfluss von Schuhwerk mit Absatz auf die Prävalenz einer Hallux-valgus-Deformität. Dazu wurden 205 Frauen im Alter zwischen 40 und 66 Jahren in Norwegen klinisch und radiologisch untersucht und nach benutztem Schuhwerk am Arbeitsplatz gruppiert. Als „High-Heel“ wurden Schuhe mit einer Absatzhöhe von ? 5 cm bezeichnet. Bedingung für eine Aufnahme in die Studiengruppe „High Heels am Arbeitsplatz“ war, dass die Frauen für mehr als 5 Jahre am Arbeitsplatz regelmäßig Schuhe mit hohem Absatz tragen mussten (High-Heel). In die Kontrollgruppe wurden nur Frauen aufgenommen, die am Arbeitsplatz keine Schuhe mit Absatz getragen hatten. Eine erhöhte Prävalenz einer Hallux-valgus-Deformität ließ sich weder klinisch noch radiologisch in einer Gruppe ermitteln. Auch hinsichtlich der erhobenen Scores (SEFAS und AOFAS) lag kein signifikanter Unterschied vor. Fußschmerzen und Schwielen waren allerdings in der „High-Heel“-Gruppe häufiger zu beobachten [4].
Merke: Eine Verursachung einer Hallux valgus Deformität durch das Schuhwerk ist nach wie vor nicht belegt.
Klassifikation
Die Einteilung des Schweregrads der Hallux-valgus-Deformität erfolgt am Röntgenbild. Gemäß aktueller Leitlinie wird unter Berücksichtigung des Hallux-valgus-Winkels und des Intermetatarsalwinkels im Röntgenbild in milde, moderate und schwere Deformitäten unterschieden [41, 42] (Tab. 1).
Eine milde Hallux-valgus-Deformität liegt ab einem Hallux-valgus-Winkel von 21° vor, ein Metatarsus primus varus ab einem Intermetatarsalwinkel von 11°. Bei einer moderaten Hallux-Deformität liegt ein Hallux-valgus-Winkel zwischen 31–40° und ein Intermetatarsalwinkel ½ von 16–20° vor. Bei einer schweren Hallux-valgus-Deformität liegt der Hallux-valgus-Winkel > 40° und der Intermetatarsalwinkel > 20° vor.
Konservative Behandlung
Die konservative Behandlung einer Hallux-valgus-Deformität besteht im Wesentlichen aus einer Anpassung des Schuhs an die veränderte Form des Fußes bzw. die Auswahl von weitem Schuhwerk mit weichem Oberleder. Darüber hinaus können Silikonpolster akute Druckbeschwerden lindern.
Eine Korrektur oder partielle Reduktion der Fehlstellung ist durch nicht-operative Maßnahmen nach wie vor nicht belegt [10]. Zusammenfassend sollten Patienten einerseits über die Möglichkeit einer symptomatischen konservativen Behandlung informiert, andererseits darauf hingewiesen werden, dass ohne Operation mit einer Progredienz der Fehlstellung zu rechnen ist.
Präoperative Diagnostik
Die präoperative Diagnostik besteht aus einer klinischen Untersuchung sowie in einer Röntgenaufnahme des belasteten Fußes in 2 Ebenen im Stand. Die Entscheidung zur operativen Korrektur sollte aber vor allem unter Berücksichtigung der subjektiven Beeinträchtigung getroffen werden. Von Hurn wurde 2014 darauf hingewiesen, dass die mit der Hallux-valgus-Deformität assoziierte Schmerzintensität nicht signifikant mit dem Ausprägungsgrad gemessen anhand des Hallux-valgus-Winkels korreliert [16]. Auch aus forensischen Gründen empfiehlt sich deshalb eine präoperative Dokumentation der subjektiven Beeinträchtigung z.B. durch Erhebung eines Scores mit entsprechender subjektiver Komponente. (z.B. EFAS-Score, MOXFAQ, AOFAS-Score etc.)
Leitlinie
Im April 2014 wurde eine aktualisierte Leitlinie „Hallux valgus“ unter Beteiligung der Deutschen Assoziation für Fuß und Sprunggelenk (D.A.F.), der DGOOC und der DGU veröffentlicht [41]. Die Leitlinie empfiehlt eine operative Therapie bei symptomatischem Hallux valgus zur Verbesserung der Schmerzsituation im Vergleich zu einer Einlagenversorgung oder einem Abwarten (Level I). Auf Basis eines Expertenkonsensus wurde ein Entscheidungsalgorithmus zur Auswahl der operativen Korrektur des Metatarsus primus varus dargestellt (Abb. 2). Die Interpretation des Entscheidungsalgorithmus bereitet prima Vista einige Schwierigkeiten aufgrund der zahlreichen Optionen. Zusammenfassend kann im Umkehrschluss zu den dargestellten Optionen festgehalten werden, dass
eine Korrektur einer milden Hallux-valgus-Deformität durch eine TMT-1-Arthrodese,
eine Korrektur einer schweren Hallux-valgus-Deformität durch eine distale Korrekturosteotomie
durch die Leitlinie nicht „abgedeckt“ ist.
Es muss in diesem Zusammenhang auf den Unterschied zwischen Leitlinien und Richtlinien hingewiesen werden. Während Richtlinien rechtsverbindlich sind und die „Nichteinhaltung“ juristisch sanktioniert werden kann, haben Leitlinien den Charakter von „Empfehlungen“, von denen im Einzelfall durchaus abgewichen werden kann. Eine schriftliche Dokumentation der Begründung einer Abweichung ist, obwohl juristisch nicht zwingend erforderlich, sicher generell zu empfehlen.
Die Korrektur einer schweren Hallux-valgus-Deformität durch eine distale Osteotomie geht mit dem Risiko einer unzureichenden Korrektur oder dem Risiko einer Verkippung des Mittelfußköpfchens durch exzessive Verschiebung des Köpfchens gegenüber dem Schaft einher.
Als häufigstes Argument für eine Korrektur einer milden Hallux-valgus-Deformität mit nur geringgradig erhöhtem Intermetatarsalwinkel durch eine TMT-Arthrodese (modifizierte Lapidus-Arthrodese) kommt sicher eine „Instabilität“ des ersten Strahls in Betracht.
Instabilität erstes
Tarsometatarsalgelenk
Die Diagnostik einer Instabilität des ersten Tarsometatarsalgelenks und die sich daraus ergebenden Konsequenzen für eine operative Therapie werden weiterhin kontrovers diskutiert.
Die Diagnose einer Instabilität wird meist klinisch, also anhand des Untersuchungsbefunds gestellt. Dabei wird der zentrale Vorfuß mit einer Hand stabilisiert und der erste Strahl, respektive das erste Mittefußköpfchen, mit der anderen Hand noch dorsal und plantar bewegt. Sind mehr als 1 cm Distanz zwischen den Endpositionen möglich, wird eine Instabilität des ersten Tarsometatarsalgelenks unterstellt (Abb. 3).
Von Coughlin und Shurnas wurde auf die Bedeutung der Position des oberen Sprunggelenks bei dieser klinischen Untersuchung hingewiesen. Das OSG muss sich in Neutralposition befinden. In Spitzfußstellung, bei verminderter Spannung auf der funktionellen Kette von Wadenmuskulatur, Achillessehnen und Plantaraponeurose, ist mit falsch positiven Ergebnissen zu rechnen. Die Untersuchungen von Coughlin und Shurnas belegen weiterhin, dass eine intakte Plantaraponeurose ein wesentlicher Stabilisator des ersten Strahls ist [7].
Von Singh et al. wurde aktuell darauf hingewiesen, dass unter physiologischen Bedingungen die Bewegungsachse des ersten Tarsometatarsalgelenks ca. 45° gegenüber der Sagittalen geneigt ist, weshalb die Stabilitätsprüfung des ersten Strahls in diagonaler Bewegungsrichtung erfolgen sollte [38].
In einer 3D-Analyse von Computertomografien des Fußes unter Belastungssimulation konnte belegt werden, dass bei Hallux-valgus-Deformität nicht nur eine erhöhte Beweglichkeit im ersten Tarsometatarsalgelenk vorliegt, sondern, dass Veränderungen in sämtlichen Gelenken des ersten Strahls gemessen werden können, also auch in der Naviculo-Cuneiformen-Gelenklinie und im Talonaviculargelenk [20]. Die klinischen Implikationen dieser Untersuchungen sind aber noch nicht klar.
Es muss betont werden, dass bei der Diskussion über die Instabilität des ersten Strahls 2 verschiedene Patientengruppen unterschieden werden sollten:
Patienten mit einem ausgeprägten Metatarsus primus varus gegenüber
Patienten mit nur gering erhöhtem Intermetatarsalwinkel.
Bei ausgeprägtem Metatarsus primus varus kann eine Subluxation des ersten Mittelfußköpfchens nach medial unterstellt werden, sodass der Windlass-Mechanismus sein Widerlager bei der dynamischen Stabilisierung des ersten Strahls in der Abrollbewegung verliert. In diesen Fällen wäre eine Stabilisierung des ersten Strahls, allein durch die Reposition des ersten Mittelfußköpfchens möglich, unabhängig vom durchgeführten Verfahren. Eine Lapidus-Arthrodese ist dann zwar eine Behandlungsoption aber hinsichtlich des stabilisierenden Effekts mit anderen Verfahren vergleichbar, was von Coughlin und Jones empirisch belegt wurde [8].
Liegt eine Instabilität des ersten Strahls bei geringem Metatarsus primus varus vor, ist eine Stabilisierung durch Korrektur des Metatarsus primus varus nicht zu erwarten. Hier wäre einer Lapidus-Arthrodese der Vorzug zu geben.
Modifizierte Lapidus-Arthrodese mit plantarer winkelstabiler Platte
Die Lapidus-Arthrodese hat in den letzten Jahren vor allem durch die Entwicklung winkelstabiler Platten an Popularität gewonnen.
Hinsichtlich der Nomenklatur sei zunächst darauf hingewiesen, dass Lapidus nicht nur eine Arthrodese des ersten Tarsometatarsalgelenks anstrebte, sondern gleichzeitig eine Fusion zwischen Basis des ersten und Basis des zweiten Metatarsale empfahl [23]. Die isolierte Arthrodese des ersten Tarsometatarsalgelenks wird deshalb auch als „modifizierte Lapidus-Arthrodese“ bezeichnet [35]. Die Osteosynthese der modifizierten Lapidus-Arthrodese hat in den letzten Jahren eine kontinuierliche Evolution erfahren. Während Lapidus noch auf eine Fadencerclage angewiesen war, wurde von Sangeorzan und Hansen eine Osteosynthese mit Kleinfragmentschrauben propagiert, später dann eine dorsale winkelstabile Platte [11, 29] empfohlen, wobei aktuell ein Trend zur Osteosynthese mit einer plantaren winkelstabilen Platte zu beobachten ist [12–14, 22, 37, 43].
Aus biomechanischer Sicht ist die plantare Position der Platte zu favorisieren, da es sich dann um eine Zuggurtungsosteosynthese handelt, sodass direkt postoperativ eine Belastung des Fußes in einem Schuh mit steifer Sohle erlaubt werden kann (Abb. 4).
Jegliche Arthrodese geht notwendigerweise mit einer Verkürzung des Strahls einher. Hier stellt sich die Frage, ob es sich dabei um ein notwendiges Übel handelt, dass es zu minimieren gilt oder einen wünschenswerten Effekt.
Von Barouk und de Prado wurde die Strategie der knöchernen Verkürzung des ersten Metatarsale zur indirekten Verlängerung der Weichteile in der Formel zusammengefasst: „Shortening is the key to success“ (Personal Communications)
Verkürzung MFK1
Eine „knöcherne Verkürzung” des ersten Metatarsale im Rahmen einer operativen Hallux-valgus-Korrektur hat nicht nur Auswirkungen auf die Weichteile des ersten Strahls, sondern führt auch zu einer Veränderung des metatarsalen Alignments. Somit besteht die Gefahr einer sekundären Transfermetatarsalgie. Bei einer Nachuntersuchung von 102 OPs 16 Monate nach Hallux-valgus-Korrektur wurde von Nakagawa et al. das Risiko für die Entwicklung einer sekundären Metatarsalgie anhand der relativen Länge des ersten Metatarsale gemessen. Als Messmethode wurde das Verfahren nach Morton zugrunde gelegt [26]. Bei einer Verkürzung von 3 mm oder mehr von MFK1 gegenüber MFK2 fanden die Autoren eine signifikant erhöhte Rate an postoperativen Metatarsalgien. Die Autoren empfehlen deshalb eine intraoperative Bildgebung mit Bestimmung des metatarsalen Alignment [27].
Von Barouk und de Prado wird bei angestrebter und erreichter Verkürzung des ersten Strahls eine Korrektur des metatarsalen Alignments durch Weil-Osteotomien (Barouk) oder DMMOs (Distal Minimally invasive Metatarsal Ostetotomie) (De Prado) durchgeführt (Abb. 5).
Bioresorbierbare Implantate
Osteosynthesen in der Vorfußchirurgie werden in der Regel mit metallischen Implantaten aus Stahl oder Titan durchgeführt. Damit stellt sich regelmäßig die Frage nach einer Metallentfernung nach knöcherner Konsolidierung der Osteotomie. Durch bioresorbierbare Implantate soll die Notwendigkeit einer späteren Metallentfernung vermieden werden. Nachdem vor einigen Jahren bereits Schrauben aus Polylactid zur Osteosynthese einer Chevron-Osteotomie oder Scarf-Osteotomie propagiert wurden, stehen jetzt auch Schrauben aus einer Magnesium-Legierung zur Verfügung [32, 44]. In ersten vergleichenden Studien wurde festgestellt, dass die klinischen Ergebnisse nach Einsatz einer klassischen Titanschraube, gegenüber einer Schraube aus einer Magnesium-Legierung, vergleichbar sind. Allerdings kann es zu einer Gewebereaktion in den Weichteilen kommen, deren klinische Bedeutung noch nicht gesichert ist und deshalb weiterer Beobachtung bedarf.
Minimalinvasive
Hallux-valgus-Operation
Die Konzepte der minimalinvasiven Vorfußchirurgie unterscheiden sich fundamental von den Vorgehensweisen der klassischen offenen Korrektur. Osteotomien werden über Stichinzisionen mit ca. 2 mm starken rotierenden Fräsen durchgeführt. Die Chirurgie der Weichteile beschränkt sich auf Kapsulotomien und Tenotomien, die ebenfalls mit speziellen Messern über Stichinzisionen unter Röntgenbildverstärker-Kontrolle durchgeführt werden. Sehnentranspositionen oder Kapselraffungen sind über Stichinzisionen nicht möglich, weshalb die minimalinvasive Hallux-valgus-Chirurgie auf derartige rekonstruierende Komponenten verzichtet bzw. verzichten muss. Hinsichtlich der Osteosynthese sind im Rahmen der minimalinvasiven Hallux-valgus-Korrektur 2 grundsätzliche Richtungen zu beobachten:
Osteosynthese einer Chevron-artigen Verschiebeosteotomie des distalen MFK mit 1–2 langstreckigen kanülierten Schrauben, die minimalinvasiv über Stichinzisionen eingebracht werden [1, 33, 40]:
Korrektur durch eine Reverdin-Isham-Osteotomie ohne Osteosynthesematerial [3, 17].
Nachdem der minimalinvasiven Fußchirurgie lange Jahre der Vorwurf gemacht wurde, die Ergebnisse seien bisher nicht durch klinische Studien belegt, sind in den letzten Jahren einige Studien publiziert worden, die über kurz- bis mittelfristige Ergebnisse berichten.
Von Brogan et al. wurden 2016 Ergebnisse einer retrograden Kohortenstudie von 81 konsekutiven Hallux-valgus-Operationen publiziert. 32 Füße wurden in klassischer offener Technik operiert, 49 mit einer minimalinvasiven Chevron-Osteotomie korrigiert. Bei der klinischen und radiologischen Nachuntersuchung zeigte sich kein signifikanter Unterschied zwischen beiden Gruppen, bei einer minimalen Nachuntersuchungsdauer von 24 Monaten (24–58 Monate) [5].
Jowett und Bedi berichteten über 120 Füße, bei denen eine minimalinvasive Chevron-Osteotomie und Akin-Osteotomie zur Behandlung eines symptomatischen Hallux valgus durchgeführt wurde. Die mittlere Nachuntersuchungsdauer lag bei 25 Monaten (18–38 Monate). Der AOFAS-Score verbesserte sich von 56 Punkten präoperativ auf 87 Punkte postoperativ (p < 0,001), der Hallux-valgus-Winkel verbesserte sich von 29,7° auf 10,3° (0–25°) und der Intermetatarsalwinkel verbesserte sich von 14° präoperativ auf 7,6° (3–15°) postoperativ (p < 0,001) [18].
Lucas und Hernandez publizierten mittelfristige Ergebnisse von 45 minimalinvasiven Chevron-Osteotomien mit Schraubenosteosynthese. Die mittlere Nachuntersuchungsdauer betrug 59,1 Monate. Der AOFAS-Score verbesserte sich signifikant von 62,5 Punkten präoperativ auf 97,1 Punkte zum Zeitpunkt der letzten Nachuntersuchung. Radiologisch lag der Hallux-valgus-Winkel präoperativ bei 26,2°, zum Zeitpunkt der Nachuntersuchung bei 9,6° (4–18°), der Intermetatarsalwinkel verbesserte sich von 11,8° präoperativ (6–18°) auf 7,9° (3–11°) zum Zeitpunkt der Nachuntersuchung [24].
Während die genannten Studien sich eher auf Patienten mit geringer bis mittelgradiger Fehlstellung beziehen, wurden von Diaz et al. Nachuntersuchungsergebnisse nach Behandlung einer mittel- bis schwergradigen Deformität publiziert. Die Korrektur erfolgte dabei über eine perkutane Doppelosteotomie des ersten Metatarsale. Eine Osteosynthese wurde mit Kirschner-Drähten durchgeführt. Die Autoren berichten über eine klinische und radiologische Nachuntersuchung von 52 Füßen bei 48 Patienten, die in der genannten Technik durchgeführt wurden. Röntgenparameter und AOFAS-Score wurden 1 Jahr und 2 Jahre post OP erhoben. Der Hallux-valgus-Winkel verbesserte sich von 39,2° präoperativ auf 10,8° postoperativ, der Intermetatarsalwinkel von 16,9° präoperativ auf 8,4° postoperativ. In 5 Fällen (10 %) konnte eine Elevation des ersten Metatarsale postoperativ beobachtet werden, aber nur in 2 Fällen kam es zur Entwicklung einer klinisch relevanten Metatarsalgie. Der AOFAS-Score verbesserte sich signifikant von 47,6 Punkten präoperativ auf 89,7 Punkte postoperativ zum Zeitpunkt der letzten Nachuntersuchung. Die Autoren empfehlen deshalb die perkutane Doppelosteotomie für Fälle mit einem Intermetatarsalwinkel über 15° und erhöhtem DMAA.
In einer aktuellen Befragung von Fußchirurgen in Deutschland gaben 7 % der Teilnehmer an, auch minimalinvasive Hallux-valgus-Chirurgie durchzuführen [2].
Es ist zu erwarten, dass die Verbreitung minimalinvasiver Operationstechniken in den nächsten Jahren weiter zunehmen wird. Die individuelle Lernkurve des Operateurs sollte dabei aber nicht unterschätzt werden (Abb. 6)
Fahrtüchtigkeit nach
Hallux-valgus-Operation
Im Rahmen der postoperativen Rehabilitation wird von Patienten regelmäßig die Frage gestellt, ab wann das selbstständige Führen eines KFZ nach einer Hallux-valgus-Operation möglich ist. Von McDonald et al. wurde bei 20 Probanden und 60 Patienten die Brems-Reaktions-Zeit in einem Fahrsimulator gemessen. Nach 6 Wochen post OP erreichten 51 von 60, nach 8 Wochen post OP 60 von 60 Patienten eine Brems-Reaktions-Zeit, die am oberen Ende des Normalkollektivs gemessen wurde. Die Autoren kommen deshalb zu dem Schluss, dass das selbstständige Führen eines KFZ 8 Wochen post OP nach einer Korrekturosteotomie des ersten Metatarsale vertretbar ist, u.U. bereits schon 6 Wochen post OP [25]. In einer weiteren Studie wurde der Einfluss des postoperativen Schuhs auf die Brems-Reaktions-Zeit gemessen. Dammerer et al. kommen ebenfalls zu dem Schluss, dass während der ersten 6 Wochen nach einer Korrekturosteotomie des ersten Metatarsale kein KFZ geführt werden sollte [9].
Merke: Das selbstständige Führen eines KFZ ist im Regelfall frühestens 6 Wochen nach einer Korrekturosteotomie des ersten Metatarsale möglich!
Schmerzreduktion
postoperativ
Auch wenn mit einer knöchernen Konsolidierung und einer adäquaten Stabilität der durchgeführten Weichteileingriffe 6 Wochen nach einer operativen Hallux-valgus-Korrektur gerechnet werden kann, ist das Endergebnis, hinsichtlich Schmerzen und Funktion erst nach Monaten, in einzelnen Fällen sogar erst nach Jahren, erreicht. Von Chen et. al. wurden 308 Patienten prospektiv nach einer Hallux-valgus-Operation 6 Monate und 2 Jahre post OP verfolgt. 31 % der Patienten hatten 6 Monate post OP noch nennenswerte Schmerzen, ohne dass spezifische Gründe wie z.B. Infektion, Pseudarthrose oder prominentes Osteosynthesematerial vorlagen. Erfreulicherweise ging bei 71 % dieser Patienten mit nennenswerten Schmerzen 6 Monate post OP die Restbeschwerden im Laufe der nächsten 18 Monate vollständig zurück [6]. Zusammenfassend muss deshalb festgehalten werden, dass es selbst bei radiologisch unauffälligem Verlauf zu Restbeschwerden innerhalb der ersten 2 Jahre kommen kann. Die Patienten sollten darüber im Vorfeld der Operation informiert werden.
Schuhgröße
Präoperativ wird gelegentlich von Patienten die Frage gestellt, ob eine Veränderung der Schuhgröße durch bzw. nach der Operation zu erwarten ist. Tenenbaum et al. versuchten der Änderung der Fußweite anhand einer retrospektiven Analyse von 71 postoperativen Verläufen nach einer Scarf-Osteotomie nachzugehen. Dabei wurde die Breite des Vorfußes anhand der knöchernen Strukturen und anhand des Weichteilschattens auf Röntgenaufnahmen vor OP und 20,7 Monate (6–96 Monate) post OP gemessen. Insgesamt war eine Verschmälerung der Vorfußbreite um 2 % im Durchschnitt zu ermitteln. Lediglich in der Hälfte der Fälle wurde eine Verschmälerung des Vorfußes erreicht. Bei Patienten mit einem breiten Vorfuß vor der Operation konnte eine Reduktion der Weite erzielt werden, bei Patienten mit einer schmalen Weite des Vorfußes kam es sogar zu einer Verbreiterung des Vorfußes. In Anbetracht dieser Daten scheint eine Verschmälerung des Vorfußes kein realistisches Ziel einer operativen Hallux-valgus-Korrektur zu sein [39].
Evaluation durch PROMS
Ergebnisse nach operativen Hallux-valgus-Korrekturen werden üblicherweise anhand der Veränderung von radiologischen Parametern und klinischen Scores dargestellt. Der in diesem Zusammenhang am weitesten verbreitete und am häufigsten benutzte Score ist der Hallux-Score der American Orthopedic Foot and Ankle Society (AOFAS Hallux Score) [15]. Aufgrund einer unzureichenden Validierung wird die Benutzung dieses Scores mittlerweile kritisch diskutiert [30]. Zunehmender Focus liegt auf der Evaluation von Behandlungsergebnisse anhand von „Patienteneinschätzungen“, im internationalen Sprachgebrauch „Patient Reported Outcome Measurement“ (PROM) genannt.
Mit Unterstützung der European Foot and Ankle Society wurde ein 6 Fragen umfassender Score zur Evaluierung verschiedenster Pathologien des Fußes entwickelt. Aktuell ist der Score (die Fragen) in 7 europäischen Sprachen validiert und frei verfügbar [34].
Auch von der AOFAS wird der Einsatz von PROMs unterstützt
(AOFAS-Statement zu PROMs [21]).
Im Zeitalter von computerbasierten Online-Fragebögen, ist damit eine Grundlage für wissenschaftlich validierte Befragungen gelegt.
Interessenkonflikte:
Der Autor hat einen Entwicklervertrag mit dem Unternehmen Königsee.
Literatur
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Korrespondenzadresse
Dr. med. Jörn Dohle
OGAM Orthopädie
Alter Markt 9–13
42275 Wuppertal
j.dohle@confas.de