Übersichtsarbeiten - OUP 04/2023
Hüftarthroskopie und konservative Therapie bei der HüftarthroseIn welchen Fällen ist das erfolgversprechend, was ist wesentlich, um zu guten Ergebnissen zu kommen, was können wir erwarten?
Lars Victor von Engelhardt, Jörg Jerosch
Zusammenfassung:
Insbesondere das Cam-Impingement und die zu über 80 % vorkommenden kombinierten Formen führen rasch zu einem fortschreitenden Gelenkverschleiß. Die Patientinnen und Patienten kommen hinsichtlich der Arthrose und hinsichtlich des Impingements mit unterschiedlichen bildgebenden Befunden und einem individuellen klinischen Bild zu uns. Daher sind die Behandlungsmöglichkeiten sehr vielfältig. Neben einem Gelenkersatz und einem konservativen Vorgehen können insbesondere bei niedrig- und mittelgradigen Arthrosen sowie dem klinischen Bild eines Hüftimpingements auch Hüftarthroskopien erfolgreich sein.
Dieser Artikel gibt einen Überblick über aktuelle konservative Therapien sowie über die Möglichkeiten einer Hüftarthroskopie. Zudem bietet dieser Artikel eine Übersicht über wesentliche, für die Therapieentscheidung relevante, präoperative Befunde und die zugehörigen Erfolgsaussichten.
Schlüsselwörter:
Hüftarthrose, Hüftarthroskopie, femoroazetabuläres Impingement, Cam, Pincer, konservative Behandlung
Zitierweise:
von Engelhardt LV, Jerosch J: Hüftarthroskopie und konservative Therapie bei der Hüftarthrose. In welchen Fällen ist das erfolgversprechend, was ist wesentlich, um zu guten Ergebnissen zu kommen, was können wir erwarten?
OUP 2023; 12: 0156–0163
DOI 10.53180/oup.2023.0156-0163
Abstract: Particularly the cam type impingement and the combined types, which occur in more than 80 % of impingement cases, rapidly cause progressive degenerative changes of the joint. In terms of osteoarthritis as well as impingement, the patients come to us with varying imaging findings and an individual clinical appearance. Thus, the treatment options are very diverse. Beside a joint replacement and a conservative approach, hip arthroscopy can also be a successful treatment, especially in cases of low and moderate osteoarthritis and the clinical appearance of an hip impingement.
This article provides an overview of current conservative therapies and the possibilities using hip arthroscopy. In addition, this article provides an overview of essential preoperative findings and the associated potential for success.
Keywords: Hip osteoarthritis, hip arthroscopy, femoroacetabular impingement hip impingement, cam, pincer, conservative treatment
Citation: von Engelhardt LV, Jerosch J: Hip arthroscopy and conservative treatment in hip osteoarthrosis. In which cases is this promising, what is essential to reach good results, what can we expect?
OUP 2023; 12: 0156–0163. DOI 10.53180/oup.2023.0156-0163
L. V. von Engelhardt: Fakultät für Gesundheit, Private Universität Witten/Herdecke & Landesklinikum Horn, 3580 Horn, Österreich
J. Jerosch: Medizinisches Wissenschafts- und Gutachten-Institut Meerbusch
Einleitung
Patientinnen und Patienten, die von einem Verschleiß der Hüfte erfahren, fragen oft nach Möglichkeiten, das Gelenk zu erhalten oder die Endoprothese hinauszuschieben. Wir erleben dies bei jungen und auch älteren Patientinnen und Patienten. Dass ein Hinauszögern sinnvoll sein kann, belegt bspw. ein Lancet-Artikel mit weit über 60.000 Patientinnen und Patienten: Erfolgt die Prothesenimplantation bspw. im Alter zwischen 50 und 55, so werden über 35 % eine nachfolgende Prothesenwechseloperation durchmachen müssen [3]. Die Fragestellung, ob eine Endoprothese, eine Hüftarthroskopie oder ein konservatives Vorgehen am ehesten geeignet ist, sollte auch vor diesem Hintergrund betrachtet werden. Nachdem eine Hüftarthroskopie in vielen Fällen mit einer Hüftarthrose sowohl eine Beschwerdefreiheit als auch eine Sporttauglichkeit ermöglicht und zudem das Voranschreiten der Hüftarthrose ausbremsen kann [33], ist diese Option in die Therapieüberlegung einzubeziehen. Aktuell begleitet uns dieses Thema im klinischen Alltag, in fachlichen Diskussionen und in vielen Studien.
Pathogenese der Coxarthrose
Die Dysplasiearthrose ist mit dem Einzug des sonographischen Hüftscreenings selten geworden [10]. Bei der Dysplasie findet sich eine kleine, verkippte Pfanne, ein steil eingestellter Hüftkopf und eine nur kleine, überlastete Gelenkfläche. V.a. bei jungen Patientinnen und Patienten sind hier die femoralen u./o. periazetabulären Osteotomien, die nicht die Größe aber immerhin die Stellung der Gelenkflächen verbessern, von Interesse. Weil ein Patientinnen-/Patientenalter > 25 und Knorpelschäden sowie Inkongruenzen des Gelenkspaltes als Risikofaktoren für eine erfolglose Korrekturoperation nachgewiesen wurden, ist die Indikation für die Osteotomie eng zu stellen [62]. Hierbei ist nicht zu vergessen, dass die nachfolgende Prothesenimplantation entsprechend diverser Studien mit signifikant schlechteren Ergebnissen verbunden ist als die primäre Versorgung [64, 78, 91].
Das Hüftimpingement ist um ein Vielfaches häufiger die Ursache für eine Hüftarthrose. Studien entsprechend liegt in 70 % bis über 90 % der Fälle einer Hüftarthrose ein Impingement vor [33, 42, 69]. Meist führt ein von ventrolateral nach posterolateral ziehender Knochenanbau am Schenkelhals-Kopf-Übergang u./o. der Pfanne zu einer mangelhaften Gelenkkongruenz. Das Bewegungsspiel ist nicht mehr frei und nicht mehr zentriert. Die Druckverteilung wird unphysiologisch mit umschriebenen überlasteten Regionen. Hier führen vermehrte Scher- und Druckkräfte zu einem beschleunigten Abrieb. Nach vorzeitigen Schäden und degenerativen Veränderungen an Gelenkknorpel und Labrum findet sich im Verlauf das Vollbild einer Coxarthrose [46, 69]. Für diese mechanische, auf einem vermehrten Kontakt der Gelenkpartner beruhender Pathogenese der Hüftarthrose, sprechen unterschiedliche Untersuchungen. Eine große Studie aus Kopenhagen und einige andere Studien zur Coxarthrose weisen im Vergleich zu unauffälligen Hüften typische knöcherne Impingementdeformitäten um ein Vielfaches häufiger nach. Somit wurden sowohl die Pincer- als auch die Cam-Deformitäten als signifikante ätiologische Faktoren einer Coxarthrose definiert [25, 48]. Eine Langzeituntersuchung über 20 Jahre mit über 1000 Frauen zeigte für ein Cam mit einem Alpha-Winkel ? 65°, obwohl asymptomatisch, ein erhöhtes Risiko für eine Coxarthrose sowie für eine nachfolgend notwendige Prothesenversorgung. Mit jedem einzelnen Grad der Vergrößerung des Alpha-Winkels kletterte das Risiko um 3–5 % nach oben [86]. Neben dieser mechanischen Pathophysiologie zeigt sich beim Impingement eine intraartikuläre Entzündung mit hoher Expression arthrosetypischer inflammatorischer Mediatoren [29]. Letztlich ist die Hüftarthrose in den meisten Fällen nicht mehr als idiopathisch anzusehen, sondern in der Mehrheit auf ein Hüftimpingement zurückzuführen [33, 42].