Übersichtsarbeiten - OUP 04/2023
Hüftarthroskopie und konservative Therapie bei der HüftarthroseIn welchen Fällen ist das erfolgversprechend, was ist wesentlich, um zu guten Ergebnissen zu kommen, was können wir erwarten?
Beim Pincer führt ein segmentaler oder über weite Teile reichender vorragender Pfannenrand zum Anschlagen. Auch hier läuft das Gelenk nicht mehr zentriert, die Gelenkbelastung wird unphysiologisch mit überlasteten Regionen. Dies führt, wenn auch später als bei den Cam-Formationen, zu Schäden am Gelenkknorpel und am Labrum. Teilweise finden sich bei Pincer recht ausgedehnte Ossifikationen, die sich gelegentlich lösen oder auch fragmentieren. Neben den mehr segmentalen Befunden können auch weitreichende Pincervarianten mit einem guten Ergebnis arthroskopisch abgetragen werden [74]. Auch bei der Pincer-Resektion empfehlen sich Hilfestellungen wie die genannten Lagerungen des Beines und intraoperative Durchleuchtungen. Für die Korrektur ist es hilfreich, den präoperativen CE-Winkel, den Korrekturwinkel, ein ggf. vorhandenes crossover sign sowie den anterioren und posterioren Überhang abzuschätzen. Bei der Korrektur eines anterioren oder posterioren Überhanges ist mit dem Bildwandler die Verwendung des sog. „anterior-posterioren Wall-Index“, mit dem der Abstand zwischen Vorder- und Hinterwand in Relation zum Hüftkopf abgeschätzt wird, sinnvoll [79]. Bei einem vorderen Überhang sollte die Vorderwand im mittleren Drittel des Femurkopfradius liegen [55]. Bei einer hinteren Korrektur sollte sich die Hinterwand auf das mittlere Drittel des Femurkopfes projizieren. Ein Crossover-Zeichen sollte behoben werden. Eine Überresektion des Pfannenrandes ist strikt zu vermeiden, da dies zu einer Überlastung im Pfannendachbereich und zu einer raschen Arthroseprogression führen kann. Zur Beurteilung eines lateralen Überhanges dient der CE-Winkel. Dieser variiert je nach Autor zwischen 23° und 33°, wobei bei > 33° von einer vermehrten und > 40° von einer exzessiven Überdachung ausgegangen wird [30, 84]. Betrachtet man die Literatur, so scheint auch für das Pincer zu gelten, dass dies häufig nicht ausreichend adressiert wird [35, 44, 66]. Passend zu der individuellen Varianz bestehen keine einheitlichen Zielwerte für eine adäquate Pincerresektion, am ehesten liegt der angestrebte Bereich bei 30° bis 35° [55, 68]. Manche Autorinnen und Autoren beschreiben für den CE-Winkel recht niedrige Zielwerte von 25° [13, 44].
Additive Rekonstruktionen am Gelenkknorpel und an der Gelenklippe
Liegen Labrumschäden vor, so sollte der Knochen vor einer Rekonstruktion mit Nahtankern angefrischt werden. Dies sichert die Einheilung. Bei der Pincerabtragung empfehlen wir die schonende Knochenabtragung von oberhalb des Labrums kommend. So kann das Labrum auch im Bereich Junction Zone mit dem angrenzenden Knorpel in seiner Kontinuität erhalten bleiben [88]. Ist das Labrum im Anschluss instabil oder wurde es vorher abgelöst, kann es wiederum mit Nahtankern refixiert werden. Die Refixation erscheint, bspw. aufgrund der besseren Zentrierung, sinnvoll. Wichtig bei der Labrumnaht ist zudem die Prophylaxe von Adhäsionen bspw. zur Kapsel, weshalb wir v.a. in diesen Fällen Motorschienen verordnen, um die Hüfte schonend passiv zu bewegen [89]. Wird bei einer Labrumschädigung eine Gelenklippenrekonstruktion durchgeführt, so zeigte dies wiederum signifikant bessere Outcome-Ergebnisse als eine Entfernung [2, 31, 45]. In der Literatur wird der Rekonstruktion der Gelenklippe ein positiver Einfluss bei der Prävention einer Arthrose zugesprochen [38].
Um hinsichtlich Gelenklippen- und Knorpelschäden ein Fortschreiten dieser Schäden zu verhindern, sehen wir auch hierfür eine frühzeitige Therapie als wesentlich an. Erfolgt eine Labrumrekonstruktion oder ein knorpelregeneratives Verfahren, so ist sowohl das in Heilung befindliche als auch das perfekt abgeheilte Konstrukt niemals so stabil wie die zuvor bestandene intakte Gelenklippe oder der intakte Gelenkknorpel. Vor diesem Hintergrund ist es einleuchtend, warum eine möglichst genaue und adäquate knöcherne Korrektur die Grundvorrausetzung für eine gute Prognose ist [90]. Knorpelschäden erlauben ein sehr differenziertes Vorgehen. Oberflächige Auffaserungen, teilweise abgelöste Fasern, Lappen etc. können zu mechanischen Symptomen wie Einklemmungen und schmerzhaften Reizzuständen führen. Hier kann ein einfaches Debridement u./o. eine thermische Chondroplastie mittels schonender bipolarer Sonden ein adäquates und schonendes Therapieverfahren darstellen [19, 82, 90]. In eigenen Untersuchungen am Kniegelenk konnten wir nach 10 Jahren mit einer schonend durchgeführten, stabilisierende Knorpelplastik mit speziellen bipolaren Radiofrequenzsonden bessere Langzeitergebnisse zeigen als mit einem Debridement zur Knorpelglättung [82]. Größere, bis auf den Knochen reichende dritt- und viertgradige Knorpeldefekte bedürfen andersartiger Konzepte [19]. Optionen sind knochenmarkstimulierende Verfahren wie die Mikrofrakturierung sowie zellbasierte und zellfreie Matrixverfahren. Bei der Mikrofrakturierung erfolgt eine Eröffnung des subchondralen Knochens mit kleinkalibrigen Bohrern oder Ahlen. Über einen Blutclot kann sich ein faseriger Ersatzknorpel bilden [63]. Nachdem nachgewiesen ist, dass diese Techniken mit Schäden der subchondralen Knochenlamelle mit Knochennekrosen, Zysten, u./o. intraläsionalen Osteophyten einhergehen [6, 26], sind wir mit diesen Verfahren zurückhaltend. Gute Erfahrungen haben wir mit dem matrixgekoppelten Knorpelaufbau mit Typ-1-Kollagen. Neben zellbasierten Techniken werden auch zellfreie Methoden verwendet. Die Matrix kann als zähflüssiges, aushärtendes Präparat in die angefrischte Defektzone eingebracht werden. Bei den zellfreien Verfahren wurde in vitro und in vivo eine Zelleinwanderung aus dem umgebenden Gewebe gezeigt [22, 77]. In einer Fallserie von Macek et al., aber auch in unseren eigenen Nachuntersuchungen, konnten wir unter Verwendung einer solchen zellfreien, aushärtenden Kollagenmatrix (Chondro Filler liquid, Meidrix) gute Outcome-Ergebnisse nachweisen [7, 49, 87]. Vorteile eines zellfreien Systems sehen wir im einzeitigen Vorgehen, wobei es gelegentlich schwierig ist, die präparierte Defektzone vollständig trocken zu bekommen. Bei der matrixgekoppelten autologen Chondrozytentransplantation erfolgt die Zellentnahme am Schenkelhals-Kopf-Übergang im Rahmen der Erstoperation. Die von der Patientin/vom Patienten entnommenen, angezüchteten Chondrozyten werden für den Zweiteingriff in eine Kollagenmatrix eingebracht [8, 40]. Nachdem im Rahmen der Erstoperation die Impingementoperation inkl. knöcherner Korrektur etc. bereits erfolgt ist, ist im Rahmen der Zweitoperation dann nur noch die Anfrischung und Auffüllung der Defektzone nötig. Damit ist es unserer Erfahrung nach besser möglich, halbwegs trockene Verhältnisse für die Matrixapplikation zu erzielen. Ein Reviewartikel zu den zellbasierten knorpelregenerativen Verfahren an der Hüfte zeigt signifikant bessere kurz- und mittelfristige Outcomes als das Debridement oder die Mikrofrakturierung [73]. In einem Konsensuspapier der Arbeitsgemeinschaft Geweberegeneration der DGOU wurden bei Knorpelschäden ab 1,5 cm2, insb. bei sportlich aktiven Menschen, die zellbasierten Matrixverfahren empfohlen. Altersgrenzen wurden keine festgelegt, vielmehr wurde auf das medizinisch relevante biologische Alter verwiesen [19].