Übersichtsarbeiten - OUP 04/2022
Hüftdysplasie beim SportlerAktuelle Entwicklungen in der Diagnostik und Therapie
Die Computertomografie (CT) eignet sich hervorragend, um die dreidimensionale Azetabulummorphologie inklusive Überdachung und Version beurteilen zu können [56]. Neben der azetabulären Versionsanalyse kann die CT auch genutzt werden, um die femorale Torsion zu bestimmen. Allerdings besteht eine große Diskrepanz und Variation bei der Technik und den angegebenen Referenzwerten für die femorale Torsion, wobei mindestens 5 gängige Messmethoden parallel existieren [36].
Mehrere Untersuchungen konnten zeigen, dass Torsionsfehler häufig in Kombination zu azetabulären Dysplasien auftreten [33, 40]. Obwohl eine CT-Untersuchung die genaueste und reproduzierbarste Methode zur Messung der Femurtorsion darstellt, kann eine axiale MRT-Untersuchung aus Gründen der Strahlenhygiene eine hervorragende Alternative sein [4, 67]. Die Kombination aus azetabulärer Version und femoraler Torsion wird klassischerweise über den McKibbin-Index dargestellt [39]. Wesentlicher Kritikpunkt an dieser Methode ist allerdings, dass die Messungen an Kadavern per Handwinkelmessung durchgeführt wurden. Da heutzutage die Beurteilungen der femoralen Torsion und azetabularen Version mit Hilfe einer CT oder MRT erfolgen, wird zunehmend ein aktuellerer Begriff verwendet, der COmbined femoral Torsion and Acetabular Version (COTAV) Index [6]. Der COTAV-Index ist analog zum McKibbin-Index die Summe aus femoraler Torsion und azetabulärer Version, wobei die Norm zwischen 20° und 45° liegt [6].
Magnetresonanztomografie
Die Magnetresonanztomografie (MRT) hat einen immensen Wert bei der Beurteilung weichteiliger Strukturen. Klassischerweise zeigt das MRT ein hypertrophes Labrum, wobei neuere Studien auch Korrelationen zwischen den radiologischen Instabilitäszeichen (FEAR-Index/GAA) und Labrumgröße zeigen konnten [20, 30]. Darüber hinaus weisen auch die periartikulären Muskeln eine Hypertrophie auf, einschließlich des M. iliocapsularis und der Abduktoren [1]. Dysplastische Hüften haben dabei häufig ein erhöhtes Verhältnis zwischen M. iliocapsularis und M. rectus femoris, was wiederum zur Detektion instabiler Borderline-Hüften genutzt werden kann [16]. Die Dicke der Kapsel sollte ebenfalls beurteilt werden, insbesondere die vordere Kapsel (iliofemorales Band) und die Zona orbicularis. Eine dünne oder lückenhafte Kapsel kann häufig bei Personen mit Instabilität beobachtet werden [19]. Die Integrität des Ligamentum capitis femoris (LCF) spielt ebenfalls eine wichtige Rolle und kann mittels MRT beurteilt werden. Allerdings ist unklar, welche Rolle das LCF bei der Ursache der Symptome oder den Auswirkungen der Dysplasie spielt [3, 73].
Hinsichtlich des Knorpels konnte ebenfalls gezeigt werden, dass die Morphologie des Knorpelschadens Hinweise auf die Ursache geben kann. Während beim FAIS klassischerweise ein sogenannter outside-in-Schaden, eine vom chondrolabralen Übergang beginnende Delamination, beobachtet werden kann, liegt bei der Dysplasie häufig ein inside-out-Schaden vor, wobei die chondrolabrale Verbindung intakt ist und ein von zentral beginnender Knorpelschaden zu finden ist [28].
Ganz aktuell wurde mit dem Crescent-Sign ein weiteres Merkmal beschrieben, das zur Detektion instabiler Hüften genutzt werden kann. Bei einem positiven Crescent-Sign findet sich während der MR-Arthrografie im postero-inferioren Gelenkabschnitt eine sichelförmige Kontrastmittelansammlung [75] (Abb. 5). Das Crescent-Sign wies dabei eine hohe Spezifität auf, sodass bei Vorliegen eines positiven Zeichens von einer relevanten Instabilität ausgegangen werden muss. Des Weiteren kann eine MR-Arthrografie dahingehend degenerative Veränderungen aufzeigen, die mit einer schlechten Prognose des Hüftgelenkes assoziiert sind. So konnte gezeigt werden, dass vor allem das Vorliegen von Fossa-Osteophyten, von Knorpelschäden, die 60° der Zirkumferenz umfassen, und Pfannenrandzysten das Überleben nach hüftgelenkerhaltenden Eingriffen maßgeblich beeinflusst (Abb. 5) [17].
Therapie
Die Therapie dysplastischer Sportler ist multifaktoriell, wobei diverse patientenspezifische Kriterien bei der Therapieentscheidung Berücksichtigung finden sollten. So können Alter, Beruf, Body-Mass-Index, Rauchstatus, Erwartungshaltung, depressive Erkrankungen, Symptomdauer und -schwere, Arthrosegrad und Ausmaß der Begleitpathologien einen wesentlichen Einfluss auf die Therapieentscheidung und das Outcome haben.
Konservative Therapie
Die primäre Behandlung dysplastischer Sportler sollte konservativer Art sein, wobei für symptomatische Patienten der natürliche Verlauf eine rasche Entstehung einer Arthrose schon in jungen Jahren zeigt [66]. Zu den konservativen Maßnahmen gehören eine Aktivitätsanpassung, Nicht Steroidale Antirheumatika (NSAR) und die (physiotherapeutisch angeleitete) Beübung. Angesichts der strukturellen Instabilität kann die periartikuläre Muskelfunktionsstörung mit einer qualitativ hochwertigen Physiotherapie behandelt werden, die sich auf die Stärkung der Hüfte, des unteren Rückens, der unteren Extremitäten, des Beckenbodens und des Rumpfes konzentriert. Da die Abduktoren häufig geschwächt sind, ist die Normalisierung der Gangart (z.B. Gehen, Ausdauerbelastung oder Laufen) von entscheidender Bedeutung. Analog zum FAIS sollten bei einer bewegungs- und lageabhängigen Entität wie der Dysplasie forcierte Dehnungen oder supraphysiologische Belastungen vermieden werden. Ein weiterer wichtiger Punkt der konservativen Therapie liegt in der Schulung und Aufklärung der Patienten, um ein Verständnis für die Pathologie und der verbundenen Symptome zu generieren. Bei Patienten mit symptomatischer Dysplasie können kurzfristige Verbesserungen von Schmerz und Funktion durch eine konservative Therapie erzielt werden [22].
Operative Therapie
Dysplastische Sportler, die unter konservativer Therapie keine Besserung zeigen, sollten einer operativen Therapie zugeführt werden. Hier ist vor allem bei jungen Patienten (< 40 Jahren), die keine oder allenfalls milde Arthrosezeichen (Tönnis < 2) aufweisen, ein gelenkerhaltendes Verfahren zu favorisieren [38]. Hierfür können sowohl arthroskopische als auch knöcherne Korrektureingriffe der Pfanne eingesetzt werden. Allerdings nimmt die Arthroskopie dysplastischer Hüften dabei eine kontroverse Rolle ein. Die Arthroskopie kann eingesetzt werden, um typische Begleitpathologien wie Labrumläsionen, LCF-Rupturen oder CAM-Morphologien zu therapieren, wobei eine alleinige Arthroskopie oftmals nur eine temporäre Besserung bewirken kann. Im Rahmen arthroskopischer Techniken sollten dabei folgende Punkte berücksichtigt werden: Die Arthroskopie darf nicht isoliert zur Behandlung eines Instabilitätsproblems eingesetzt werden, das mit einem strukturellen Defekt einhergeht; das Labrum muss erhalten werden und darf nicht reseziert werden; der Pfannenrand sollte nicht weiter reseziert werden (d.h. iatrogene Dysplasie); die Kapsel muss erhalten werden; Anomalien der Femurtorsion sollten korrigiert werden, und das LCF sollte erhalten werden [10].