Übersichtsarbeiten - OUP 06/2020
Hyaluronsäure intraartikulär bei Gonarthrose*Katamnestische Erhebungen zur Effizienz
Im Hinblick auf das Geschlecht wurden keine signifikanten Unterschiede zwischen Männern und Frauen gefunden (Tab. 2).
Mit steigendem Lebensalter nahmen die guten Ergebnisse deutlich ab; die sehr positiven Ergebnisse bei den über 80-Jährigen lässt sich wahrscheinlich mit der eher geringen Fallzahl erklären (Tab. 3).
Mit Fokus auf die radiologische Situation war eine stetige Abnahme der guten Ergebnisse mit steigendem Arthrosegrad gegeben. In pathomorphologisch fortgeschrittenen Fällen (v.a. Grad IV) erfolgte die Hyaluronsäure-Applikation auch nur auf ausdrücklichen Wunsch der Patienten, da dieses Vorgehen nicht als leitliniengerecht anzusehen war (Tab. 4).
Femoropatellare Veränderungen (74,2 % positive Ergebnisse) sprachen im vorliegenden Krankengut günstiger auf die Hyaluronsäurebehandlung an als femorotibiale Veränderungen (65 % positive Ergebnisse; Tab. 5).
Mit steigendem BMI (Body-Mass-Index) war ebenfalls eine Abnahme der guten Ergebnisse zu verzeichnen, am auffälligsten zwischen Normalgewichtigen (80,6 % gute Ergebnisse) im Vergleich zum Adipositas Grad I (nur 64,7 % gute Ergebnisse; Tab. 6).
Diskussion
Degenerative Kniegelenkveränderungen sind mit zunehmendem Lebensalter gehäuft anzutreffen, sie verursachen Beschwerden und führen zu häufigen Arztkonsultationen. Leider sind die Behandlungsstrategien lediglich symptomatisch, regressive Veränderungen sind nicht rückbildungsfähig. Trotz großer Erfolge des alloplastischen Kniegelenkersatzes in den letzten Dekaden sollte, anders als z.B. in den Vereinigten Staaten, die konservative Behandlungspalette stets ausgeschöpft sein, bevor die Indikation zur Endoprothese gestellt wird.
Neben antiphlogistischen und chondroprotektiven medikamentösen Maßnahmen wurde und wird in den letzten 20–25 Jahren oft eine intraartikuläre Hyaluronsäure-Applikation angewendet. Da die mitgeteilten Behandlungsergebnisse noch in kontroverser Diskussion stehen, werden die Kosten für eine derartige Therapie bisher von den gesetzlichen Krankenkassen nicht übernommen, sodass der Patient auf sogenannte IGeL-Leistungen des betreuenden Arztes zurückgreifen muss.
Die hier vorliegende Studie versucht nun, im Rahmen einer retrospektiven Analyse, die Effizienz einer derartigen Behandlung zu objektivieren. Diese katamnestische Erhebung kann im Hinblick auf die Qualität natürlich nicht an hochwertige wissenschaftliche Studien heranreichen, fehlen ihr doch wesentliche Kriterien wie eine prospektive Anlage, eine Randomisierung sowie eine Doppelverblindung. Andererseits muss an dieser Stelle festgehalten werden, dass eine Doppelverblindung und eine Placebo-Kontrollgruppe aus ethischen Gesichtspunkten im Hinblick auf die Semi-Invasivität des therapeutischen Vorgehens nicht in Frage kam. Auch ein Vergleich mit lediglich einer intraartikulären Applikation von Kortikoiden oder Lokalanästhetika im Rahmen einer Vergleichsgruppe war nicht vertretbar. Auf der anderen Seite ist das hier analysierte Patientengut mit 216 behandelten Kniegelenken sowie insgesamt 317 Injektionsserien aufgrund der doch großen Fallzahl durchaus repräsentativ und erlaubt schlüssige Aussagen, zumal eine zusätzliche analgetische oder antiphlogistische Behandlung (z.B. mit NSAR) während der Injektionsserien nicht durchgeführt wurde. Von wesentlicher Bedeutung für die exakte Analyse der Behandlungsergebnisse war auch die ausführliche Dokumentation sämtlicher Behandlungsfälle sowohl bezüglich der berichteten subjektiven Behandlungsresultate als auch der objektiven Befunde.
Die Altersverteilung des untersuchten Krankenguts war für eine symptomatische Arthrose typisch, knapp 85 % der Patienten standen zwischen dem 50. und 80. Lebensjahr. Nur 13,5 % des Gesamtkrankenguts zeigten Normalgewicht, offensichtlich kann körperliches Übergewicht als möglicher Risikofaktor für eine Arthrose-Entwicklung angesehen werden.
Ein Großteil des Krankenguts zeigte, wie bei der Indikationsstellung zur Hyaluronsäure-Applikation in das betroffene Kniegelenk beschrieben, mit 57,4 % einen Gonarthrosegrad II–III nach Kellgren. Aber auch leichtere Grade mit deutlicher Schmerzsymptomatik und in Einzelfällen teilweise schwere degenerative Veränderungen Grad III–IV bzw. Grad IV wurden in das Behandlungskollektiv mit aufgenommen. Auffällig war, dass ein Großteil der Patienten vor allem über retropatellare Beschwerden klagte, wofür sich dann auch ein röntgenologisches Korrelat fand.
In jedem der behandelten Fälle war eine längere medikamentöse Vorbehandlung mit NSAR erfolgt, in knapp 30 % der betroffenen Kniegelenke sogar eine intraartikuläre Kortikoidapplikation. Das Beschwerdebild bestand bei über 70 % der Fälle über zumindest 2 Jahre. Im Rahmen der primären klinischen Befunderhebung wurde in knapp 80 % ein Gelenkreiben festgestellt, in 65 % der Fälle bestand eine auffällige femoropatellare Schmerzsymptomatik.
Bei der Indikationsstellung zur intraartikulären Hyaluronsäure-Applikation wurde streng darauf geachtet, dass kein Reizknie vorlag, um möglichen Komplikationen vorzubeugen. In aller Regel wurde eine Dreier- bzw. Fünferserie mit Einzelgaben in wöchentlichen Abständen durchgeführt. Knapp 27 % der Patienten waren Wiederholer und kamen zu späteren Zeitpunkten zu weiteren Injektionsserien in die Ambulanz.
Herausgehoben werden muss die sehr niedrige Komplikationsrate bei Beachtung einer strengen Asepsis und Verzicht auf intraartikuläre Injektionen bei vorbestehendem Reizknie. Nur in 1,3 % der Fälle kam es zu einer vorübergehenden leichteren Irritation des betroffenen Kniegelenks durch die Injektion selbst, ohne dass nachfolgend ein Abbruch der Behandlung erforderlich wurde.
Die ermittelten globalen Behandlungsergebnisse sind als erfreulich positiv einzustufen, in knapp 68 % wurde ein voller Therapieerfolg berichtet, in knapp 20 % immerhin noch ein teilweiser Behandlungserfolg mitgeteilt. 12 % der Patienten zeigten unbefriedigende Resultate, was letztendlich auch in etwa den mitgeteilten Angaben in der Literatur entspricht.
Das Geschlecht hatte auf den Behandlungserfolg keinerlei Einfluss. Im höheren Lebensalter gab es – wie eigentlich erwartet – tendenziell schlechtere Ergebnisse, was sicherlich durch eher ausgeprägtere degenerative Kniegelenkveränderungen erklärbar ist. In diesen Zusammenhang fügt sich auch das ermittelte Ergebnis im Hinblick auf den radiologischen Arthrosegrad des Kniegelenks ein: Bei leichteren und mittelschweren Fällen waren die Behandlungsergebnisse günstiger, wenngleich in Einzelfällen auch bei deutlichen degenerativen Veränderungen bei insgesamt allerdings eher wenigen Patienten durchaus noch eine Symptombesserung erzielt werden konnte. Bei entsprechender Aufklärung des Patienten spricht somit nichts gegen einen Behandlungsversuch selbst bei fortgeschrittenen Kniegelenkarthrosen, bevor dann die endgültige Indikation zur Alloarthroplastik gestellt wird.