Originalarbeiten - OUP 06/2012

Hyaluronsäure mit Sorbitol – Wirksamkeit und Verträglichkeit
einer intraartikulären Behandlung der Gonarthrose
Hyaluronic acid with sorbitol – efficacy and tolerability
of the intra-articular therapy of gonarthritis

J. Heisel1, C. Kipshoven2

Zusammenfassung: In einer nicht-interventionellen Studie unter Praxisbedingungen wurden 101 Patienten mit langjährig bestehender Gonarthrose (ca. 55% weiblich) im Durchschnittsalter von 58 Jahren mit 3 in wöchentlichen Abständen applizierten intraartikulären (i.a.) Injektionen eines neuen Präparates (hochdosiertes Natriumhyaluronat [Hyaluronsäure] und Sorbitol [GO-ON matrix]) behandelt.

Bei Therapiebeginn waren bezüglich der Gonarthrose nur 4% der Patienten schmerzfrei, während 21,8% der Patienten über starke oder sehr starke Schmerzen klagten. Der Anteil schmerzfreier Patienten nahm nach jeder der 3 Injektionen stetig zu. Schon nach der ersten Injektion waren 16,8% der Patienten schmerzfrei, 24 Wochen nach Therapiebeginn waren es 40,6%. Gleichzeitig nahm der Anteil der Patienten mit mäßiggradigen, starken oder sehr starken Schmerzen unter der Therapie deutlich ab. So fiel bereits nach der ersten Injektion der Anteil an Patienten mit starken und sehr starken Schmerzen von 21,8 auf 5%. 24 Wochen nach Therapiebeginn beurteilten 74,3% der Patienten ihre Beschwerden als gelindert. Zeitgleich verbesserte sich auch das Ausmaß der funktionellen Beeinträchtigung: Nach der ersten Injektion klagten, von anfänglich 14,9%, nur noch 4% der Patienten über starke und sehr starke Beeinträchtigungen. Der Anteil der Patienten ohne funktionelles Defizit nahm von 31,7 auf 51,5% zu. 24 Wochen nach Beginn der Injektionstherapie berichteten 45,5% der Patienten über eine Verbesserung gegenüber dem Ausgangsbefund.

Patienten und behandelnde Ärzte beurteilten die globale Wirksamkeit der Injektionen sehr ähnlich. Der Anteil der Patienten mit berichteter Besserung stieg von 64,4% eine Woche nach der ersten auf 87,1% eine Woche nach der dritten Injektion, die positive Bewertung der behandelnden Ärzte von 57,4 auf 82,2%. Unerwünschte Nebenwirkungen lokaler oder systemischer Art traten nicht auf.

Schlüsselwörter: Gonarthrose, Hyaluronsäure, Sorbitol, intraartikuläre Injektionstherapie

Abstract: In a non-interventional study under real-world conditions, 101 patients (mean age 58 years; 55% female) with longstanding osteoarthritis of the knee joint were treated with three-weekly intra-articular (i.a.) injections of a new preparation containing high-dose sodium hyaluronate and sorbitol (GO-ON matrix). At baseline only 4% of the patients had no gonarthrosis related pain while 21.8% showed severe or very severe pain. The proportion of painless patients increased with each of the three injections. The percentage of patients reporting no pain increased to 16.8% following the first injection, and to 40.6% at 24 weeks. In parallel, the proportions of patients with moderate, severe or very severe pain decreased markedly. After the first injection the proportion of patients with severe and very severe pain decreased from 21.8 to 5%, 24 weeks after start of therapy improvements in pain were observed in 74.3%. Functional impairment recovered concommitantly. After the first injection only 4% complained of a severe or very severe impairment compared to 14.9% before therapy. The proportion of patients without functional impairment increased during the treatment from 31.7% to 51.5%. 24 weeks after baseline 45.5% of the patients showed an improvement. The patients’ and investigators’ assessments of global efficacy of the therapy were very similar. The proportion of patients reporting an improvement increased from 64.4% one week after the first injection to 87.1% one week after the third, and the proportion of the investigators from 57.4% to 82.2%, respectively. No adverse medical device reaction was seen.

Keywords: osteoarthritis of the knee, hyaluronic acid, sorbitol, intra-articular injection therapy

Einleitung

Eine Arthrose ist eine irreversible und progredient verlaufende degenerative Veränderung synovialer Gelenke, die vom Gelenkknorpel ausgeht, die artikulierenden Knochenstrukturen angreift und schließlich alle Gelenkkomponenten betrifft. Ihre häufigste Lokalisation ist das Kniegelenk. Ein wesentlicher Risikofaktor für die Entwicklung einer Gonarthrose ist, neben der biomechanischen Überlastung durch Übergewicht, sicherlich das höhere Lebensalter. Nach Expertenschätzung weisen etwa 10% der über 50-Jährigen eine klinisch manifeste Gonarthrose auf [1]. Eine US-amerikanische Untersuchung beziffert das Lebenszeitrisiko für eine symptomatische Gonarthrose auf 45% [2].

Bei einer Gonarthrose sind sowohl Viskosität als auch Menge der Synovialflüssigkeit vermindert. Dieser Umstand beeinträchtigt die Gleitfähigkeit der Gelenkanteile, verringert die Fähigkeit zum Abfedern axial einwirkender Kräfte und fördert so die weitere Gelenkschädigung. Klinische Folgen sind Schmerzen sowie schließlich eine Funktionsbeeinträchtigung des Kniegelenks.

Hyaluronsäure ist ein Hauptbestandteil der Synovia und bestimmt deren Gleitfähigkeit. Neben viskoelastischen Eigenschaften wurden in präklinischen und klinischen Studien auch chondroprotektive [3–6] und antiinflammatorische [5, 7, 8] Effekte der Hyaluronsäure im Gelenk beschrieben.

Aktuelle Studien und frühere Anwendungsbeobachtungen mit unterschiedlichen intrartikulär (i.a.) injizierten Hyaluronsäure-Präparaten (ohne Sorbitol) konnten die klinische Wirksamkeit bei Gonarthrose im Hinblick auf Beschwerdereduktion und funktionellem Gewinn belegen [9–18]. Diese positiven Effekte wurden darüber hinaus auch in Metaanalysen nachgewiesen [19, 20]. Gleichzeitig wurden die gute Verträglichkeit und Sicherheit der Therapie dokumentiert [9–11, 14, 16–19]. Zwischenzeitlich zählt eine i.a.-Applikation von Hyaluronsäure zu den anerkannten Therapieoptionen im Falle einer Gonarthrose.

Biochemische Untersuchungen belegen, dass freie Radikale gewebszerstörend wirken und inflammatorische Vorgänge fördern [21, 22]. Im Gelenk bauen diese Substanzen Hyaluronsäure auf direktem Wege zu Oligosacchariden um, was eine Verminderung der Viskosität und des Molekulargewichts der Synovialflüssigkeit zur Folge hat [23].

Sorbitol gilt als effektiver Radikalfänger (Scavenger). In Kombination mit Hyaluronsäure wirkt es auf 2 Ebenen: Einerseits schützt Sorbitol die Hyaluronsäure vor dem direkten Angriff freier Radikale und sorgt so dafür, dass die Wirksubstanz Hyaluronsäure länger intakt bleibt. Andererseits wird durch die Verringerung der Konzentration der freien Radikale die Makrophagenmigration in die Synovia vermindert, was eine Reduzierung des Entzündungsgeschehens und somit eine Schmerzreduktion zur Folge hat [24].

Material und Methoden

In der hier erstmals vorgelegten prospektiven, nicht-randomisierten, nicht-interventionellen Beobachtungsstudie ohne Kontrollgruppe wurde der klinische Verlauf von Patienten mit symptomatischer Gonarthrose, die unter Praxisbedingungen i.a.-Injektionen von hochdosiertem Natriumhyaluronat (Hyaluronsäure) und Sorbitol erhielten, im zeitlichen Längsschnitt dokumentiert. Die Studie hatte das Ziel, die bisherigen Kenntnisse zur Wirksamkeit und Verträglichkeit dieses neuen Präparates in der klinischen Praxis zu erweitern. Die behandelnden Ärzte entschieden über Indikation und Auswahl der Patienten für diese Behandlungsoption. Diagnostische und sonstige therapeutische Maßnahmen wurden hierbei nicht beeinflusst.

Das in dieser Studie eingesetzte Hyaluronsäure-Präparat GO-ON matrix (Rottapharm Madaus GmbH) besteht aus hochdosiertem Natriumhyaluronat mit einem mittleren Molekulargewicht (2 Mio Da) sowie Sorbitol: Eine 2-ml-Fertigspritze enthält 40 mg Hyaluronsäure (2%-Gel), 80 mg Sorbitol und gepufferte Salzlösung. Der Radikalfänger Sorbitol dient hier nicht nur als Adjuvans zur Stabilisierung der Hyaluronsäure, sondern soll auch zur Beschleunigung der Therapiewirkung beitragen.

Alle Studienteilnehmer erhielten 3 i.a.-Injektionen des Präparates in das betroffene Kniegelenk, jeweils im Abstand von einer Woche. Das zu untersuchende orthopädische Patientengut sollte mindestens 18 Jahre alt sein und eine röntgenologisch bestätigte Gonarthrose zumindest von Grad I nach Kellgren aufweisen. Unabhängig von der geplanten Anwendungsbeobachtung musste in jedem Fall eine i.a.-Hyaluronsäure-Therapie bereits vorab indiziert worden sein. Es wurden keine Patienten in die Studie aufgenommen, die unmittelbar zuvor oder gleichzeitig eine sonstige i.a.-Therapie (z. B. Kortikoide) erhalten hatten.

Der Studienplan der Anwendungsbeobachtung sah 5 Arztkontakte (A1–A5) vor (Tab. 1).

Zur Analyse der Daten wurden deskriptive statistische Verfahren verwendet. Für quantitative Variablen wurden Mittelwert, Median, Standardabweichung und interquartile Bereiche berechnet. Für qualitative Variablen wurden absolute und relative Häufigkeiten erfasst. Die wichtigsten Ergebnisse wurden grafisch dargestellt.

Ergebnisse

101 Patienten mit Gonarthrose (55% Frauen, 45% Männer) mit einem Durchschnittsalter von 58,4 Jahren (Min.: 18, Max.: 88, SD: 12,83) nahmen an der Studie teil. Ihr mittleres Körpergewicht betrug 81,7 kg (Min.: 47, Max.: 135, SD: 17,12). Die degenerativen Kniegelenksveränderungen der Patienten bestanden im Durchschnitt seit 7,5 Jahren (Angaben zu 86 Patienten). Alle Patienten konnten bezüglich Wirksamkeit und Verträglichkeit der Therapiemaßnahme analysiert werden.

Die häufigsten Gonarthrose-Beschwerden und -Befunde zu Beginn der Therapie waren Anlaufschmerzen in 90,1% der Fälle, retropatellare Schmerzen bei 80,2% und ein positives Zohlen-Zeichen bei 75,2%. Eine Gelenkfehlstellung (v. a. Achsfehler) hatten 41,6%, eine Gelenkkontraktur 19,8% der Patienten.

Als häufigste bisherige Vorabbe-handlungen wurden Physiotherapie (63,4%), NSAR-Abdeckung (62,4%), topische Maßnahmen (51,5%) und Analgetika-Abdeckung (29,7%) angegeben. Im Laufe der i.a.-Therapie erhielten 12,9% der Patienten zusätzlich eine Physiotherapie, 6,9% sonstige nicht medikamentöse Maßnahmen.

Zu Beginn der Studie gaben nur ganz wenige Patienten keine wesentlichen Schmerzen an, während etwa jeder fünfte Patient über starke oder sehr starke Beschwerden klagte. Der Anteil der Patienten ohne Gelenkschmerzen nahm im Laufe der 3 i.a.-Hyaluronsäure/Sorbitol-Injektionen stetig und auch noch bis 24 Wochen nach der ersten Injektion beträchtlich zu. Gleichzeitig ging der Anteil der Patienten mit mäßiggradigen, starken oder gar sehr starken Schmerzen unter der Behandlung deutlich zurück. In dieser klinisch bedeutsamen Gruppe nahm die Anzahl der Patienten bereits nach der ersten Injektion beträchtlich ab. 24 Wochen nach Therapiebeginn beurteilten drei Viertel des untersuchten Krankengutes ihre Schmerzen als gelindert, eine Verschlechterung wurde nur in 2 Fällen angegeben. Der zeitliche Verlauf der Gelenkschmerzen ist aus Tabelle 2 und Abbildung 1 ersichtlich. Im Zusammenhang mit diesen Resultaten erscheint es durchaus folgerichtig, dass im Laufe der Behandlung bei 30,7% der Patienten die gleichzeitige Applikation von NSAR bzw. Analgetika reduziert werden konnte.

Auch der Anteil der Patienten ohne wesentliche funktionelle Beeinträchtigung des betroffenen Kniegelenkes nahm im Laufe der Behandlung stetig zu. Gleichzeitig nahm der Anteil der Patienten mit mäßiggradiger, starker oder sehr starker Bewegungslimitierung deutlich ab. 24 Wochen nach Beginn der Injektionstherapie zeigte knapp die Hälfte der Untersuchten eine Besserung gegenüber dem Ausgangsbefund. Den genauen Verlauf der funktionellen Beeinträchtigung dokumentieren Tabelle 3 und Abbildung 2.

Sowohl die Patienten als auch die behandelnden Ärzte beurteilten die globale Wirksamkeit der i.a.-Hyaluronsäure/Sorbitol-Therapie im Laufe der Studie ziemlich ähnlich. Schon 1 Woche nach der ersten Injektion sahen 57,5% der Ärzte und 64,4% der Patienten eine Besserung. Bis zum 4. Untersuchungszeitpunkt, also eine Woche nach der dritten Injektion, stieg dieser Anteil auf 82,1% bei den Ärzten und 87,2% bei den Patienten. Ein halbes Jahr nach Therapiebeginn bzw. 22 Wochen nach der letzten Injektion sahen noch 80,4% der Ärzte und 78,3% der Patienten eine nachhaltige Besserung. Die Detailergebnisse der globalen Wirksamkeitsbeurteilung sind in Tabelle 4 zusammengestellt. Das Patientenurteil wird zudem in Abbildung 3 präsentiert.

Sicherheit

Bei jedem Arztkontakt wurde speziell nach unerwünschten Ereignissen gefragt. Alle Veränderungen im Allgemeinzustand der Patienten, alle Symptome und Beschwerden, die nach Beginn der Injektionstherapie auftraten, sowie alle Veränderungen von Laborparametern wurden beachtet und auf ihre Therapiebedingtheit hin beurteilt. Hier ergab sich kein Befund, der als unerwünschte Nebenwirkung zu bewerten war, weder als Lokalreaktion an der Injektionsstelle noch als systemische Störung.

Abschließende Bewertung und Fazit

Nach 3 i.a.-Injektionen des Hyaluronsäure/Sorbitol-Präparates verringerten sich im Patientenkollektiv, darunter auch Patienten mit Grad 3 nach Kellgren, die subjektiv vorbestehenden Kniegelenkschmerzen im Falle einer Gonarthrose beträchtlich. Der Anteil schmerzfreier Patienten war bereits nach der ersten Applikation deutlich und nahm nach jeder weiteren Gabe stetig zu. Der Anteil der Patienten mit mäßiggradigen Schmerzen nahm nach jeder Injektion gleichzeitig kontinuierlich ab. Das Patientengut mit starken und sehr starken Schmerzen ging besonders nach der ersten Injektion erheblich zurück. Ein deutlich messbarer Therapieerfolg war auch 24 Wochen nach der ersten Injektion noch vorhanden.

Die Besserung funktioneller Beeinträchtigungen im betroffenen Kniegelenk verlief weitgehend parallel zur berichteten Schmerzlinderung.

Patienten und behandelnde Ärzte beurteilten die Wirksamkeit der i.a.-Hyaluronsäure/Sorbitol-Injektionen in ähnlicher positiver Weise. Der Anteil der Patienten, die eine Besserung testierten, erreichte eine Woche nach der dritten Injektion 87%, die entsprechende Bewertung der betreuenden Ärzte lag bei 82%.

Im Laufe der Studie wurden keine Nebenwirkungen der i.a.-Hyaluronsäure/Sorbitol-Injektionen gesehen.

Es bleibt festzuhalten:

Die hier vorgelegte Anwendungsbeobachtung an Patienten mit meist langjähriger, symptomatischer Gonarthrose belegt die Effizienz dreier i.a.-Hyaluronsäure/Sorbitol-Injektionen (GO-ON matrix) im Hinblick auf subjektives Beschwerdebild und beeinträchtigte Gelenkfunktion oft schon nach der ersten Injektion. Nach 3 Applikationen erfuhren fast 9 von 10 Patienten eine Besserung. Kein Patient berichtete über unerwünschte Wirkungen, weder an der Injektionsstelle noch systemischer Art. Der positive Therapieeffekt war auch ein halbes Jahr nach Therapiebeginn noch bei der überwiegenden Zahl der Patienten zu beobachten. Künftige prospektive Studien sollten an einem vielleicht noch größeren Krankengut die Effizienz dieser Behandlungsstrategie an Kniegelenken mit unterschiedlichem Ausprägungsgrad der degenerativen Veränderungen differenzieren.

Korrespondenzadressen

Prof. Dr. med. Dr. h.c. mult. Jürgen Heisel

Chefarzt Orthopädie

m&i-Fachkliniken Hohenurach

Immanuel-Kant-Straße 33

72574 Bad Urach

E-Mail:
juergen.heisel@fachkliniken-hohenurach.de

 

Dr. med. Christoph Kipshoven

Medical Department

Rottapharm|Madaus GmbH

Colonia Allee 15

51067 Köln

E-Mail:
c.kipshoven@rottapharm-madaus.de

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Fussnoten

1 Fachkliniken Hohenurach, Orthopädische Abteilung, Bad Urach

2 Rottapharm/Madaus GmbH, Köln

DOI 10.3238/oup.2012.0261-0266

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