Übersichtsarbeiten - OUP 05/2023

Interventionelle Maßnahmen beim Therapieren eines CRPS
Welche Therapie ist evidenzbasiert?

Entscheidend für ein positives Ergebnis ist eine prä- und postinjectionem durchgeführte Temperaturmessung an den jeweiligen Extremitäten. Es sollte zu einer Temperaturerhöhung von mindesten 2–3 Grad kommen.

Wissenschaftlich gesehen wird der Erfolg der Sympathikusblockade mittlerweile kritischer beurteilt als dies in früheren Jahren der Fall war. Noch vor ca. 10 Jahren wurden teilweise Injektionsserien mit 8–10 Injektionen empfohlen. Neuere wissenschaftliche Ergebnisse zeigen eine doch reduzierte Wirksamkeit der Grenzstrangblockaden. Eventuell ist dies auch von der Technik abhängig. In einer Studie zeigte de Oliveira [1], dass ein thorakaler Sympathikusblock, der an das 2., teilweise 3. thorakale sympathische Ganglion adressiert war, gegenüber einer Sham-Gruppe keine Verbesserung nach einem Monat, jedoch nach 12 Monaten aufweist. R. Aleanakian et al. [2] wiesen in einer Studie 2020 nach, dass Stellatumblockaden unter Sonografie sicher sind. Es bestehe eine Effektivität bei sympathisch unterstützten neuropathischen Schmerzen. Dabei sei es wesentlich, dass nach der ersten Blockade eine Schmerzreduktion vorhanden sei, denn dies sei ein Prädiktor für die Wirksamkeit einer Injektionsserie. Dagegen zeigte eine frühere Metaanalyse aus dem Jahr 2013 von Stanton [3], in die 12 Studien inkludiert wurden, dass betreffend Sympathikusblockaden mit Lokalanästhetikum zu anderen Therapien kein zusätzlicher Effekt vorhanden sei. Auch seien diese Injektionen anderen Therapien nicht überlegen.

Neurostimulation

Hier soll zunächst die rückenmarksnahe Elektrostimulation (SCS = Spinal Cord Stimulation) betrachtet werden. Diese Art der Neurostimulation wird seit einigen Jahren auch für ansonsten therapieresistente Patientinnen und Patienten mit CRPS an der unteren Extremität empfohlen. Vorab ausgeschlossen sein sollte eine gravierende psychologische Erkrankung, eine weitere Voraussetzung für eine endgültige Implantation ist eine sogenannte positive Probestimulation. Hinsichtlich der Wirkweise wird davon ausgegangen, dass eine Stimulation über den Hintersträngen des Rückenmarks stattfindet und damit hemmende Systeme aktiviert werden. Optimal ist eine Platzierung der Elektroden im Bereich des thorakalen Rückenmarks. Dabei werden die Elektroden auf den Rückenmarkshautsack aufgelegt (Abb. 5, 6). In der Regel erfolgt die Implantation von 2 parallelen Elektroden mit jeweils mindestens 8 Kontakten, es sind bis zu 16 Kontakte/Elektroden möglich.

Wie bereits erwähnt, findet die Stimulation über die sog. Hinterstrangbahnen, hier den Fasciculus gracilis und den Fasciculus cuneatus, statt. Dabei liegen die Bahnen für die sacralen Segmente nahe der Mittellinie, für den cervicalen Bereich lateral. Für die unteren Extremitäten wird eine Positionierung in Höhe Th7–Th10 bevorzugt.

Mittlerweile haben sich in der Software deutliche Verbesserungen ergeben, sodass unterschiedliche Bereiche durch besondere Applikationen angesteuert werden können. Etabliert hat sich die sogenannte High-Frequency-Technik, wobei mit Frequenzen im Bereich bis 10.000 Hz gearbeitet wird im Gegensatz zur üblichen tonischen Stimulation von ca. 50–80 Hz. Ein Vorteil bietet dabei, dass keinerlei Parästhesien mehr erzeugt werden müssen, sodass diese teilweise unangenehmen Empfindungen für die Patientin/den Patienten entfallen. Eine weitere Technologie ist die sog. Burst-Applikation. Dabei erfolgt die Stimulation in kurzen Sequenzen mit tonischer Frequenz, welche von Pausen unterbrochen wird. Hier wird davon ausgegangen, dass nicht nur das laterale System der Schmerzrezeption sondern auch das mediale System der affektiven Schmerzkomponente mitbehandelt wird.

Hinsichtlich der Evidenz konnten erstmals Kemler at al. im Jahr 2000 [4] zeigen, dass ein analgetischer Effekt der SCS in einer selektionierten CRPS-Patientengruppe, welche bei den üblichen Therapiemethoden resistent war, auftrat. Der Effekt der SCS hielt 2 Jahre an, allerdings war bei einer Nachuntersuchung in den Jahren 2006 bzw. 2008 keinerlei Unterschied mehr zu einer Behandlungsgruppe mit Physiotherapie alleine vorhanden. Neueren Datums ist ein Review von Eugene Visnjevac at al. [5] von 2016. Hier wurden 16 Studien untersucht, es zeigte sich eine Level 1B+-Evidenz für die Schmerzreduktion sowie den Quality of Life. Für die Verbesserung der Funktion konnte keinerlei Evidenz nachgewiesen werden.

Bezü glich der neueren Technik mit High-Frequency-Stimulation sind die Ergebnisse der SENZA-RCT-Studie von Kapural [6] wegweisend. Dabei konnte die HF-10-Therapie eine Überlegenheit gegenüber der traditionellen tonischen SCS zeigen. Lamer et al. [7] untersuchten 2019 in einer Metaanalyse vorhandene Literatur auf Vergleiche zwischen SCS und Medikamententherapie. Sie fanden unter 12 Studien, dass die Spinal Cord Stimulation eine bessere Schmerzreduktion brachte. Insbesondere die neuen Techniken mit High-Frequency- und Burst-Stimulation waren mit einer höheren Rate an Pain-relief kombiniert. Ebenso galt dies für die DRG-Stimulation. Hier wird gezielt das Dorsal-Root-Ganglion, eine subdurale intraspinale Nervenstruktur, welches primär sensorische Neuronen beinhaltet, stimuliert. Grundlagenmedizinische Untersuchungen haben gezeigt, dass bei chronischen Schmerzen das DRG eine Veränderung der Membranfunktion zeigt, was es für eine selektive Stimulation empfänglich macht. Dadurch können Schmerzen im Bereich des Fußes, aber auch im Bereich der Hand behandelt werden. Insbesondere die umgebende Liquor-Flüssigkeit macht geringere Energien möglich, sodass im Gegensatz zur klassischen SCS keinerlei Parästhesien ausgelöst werden müssen. In der Accurate-Studie [8] wurde die DRG-Stimulation mit der SCS-Stimulation verglichen. Es zeigte sich im primären Outcome betreffend die Schmerzreduktion nach der sog. Trial-Phase und 3 Monate nach Implantation mit 81,2 % die DRG-Stimulation gegenüber 50,7 % der SCS-Stimulation überlegen. Auch in den sekundären und tertiären Endpunkten der Studie zeigte sich eine Überlegenheit der DRG-Stimulation bezüglich des funktionellen Status, der Patientinnen-/Patientenzufriedenheit und der Reduktion von Positionseffekten. Außerdem konnte nach 12 Monaten keinerlei Habituation, d.h. Nachlassen der Wirkung bei der DRG-Stimulation im Gegensatz zur klassischen SCS gefunden werden [9, 10]. Während bei den unteren Extremitäten die Nervenwurzeln L3 (Abb. 7, 8) und 4 für das Kniegelenk sowie L5 für den Fuß stimuliert werden, zeigt für die obere Extremität die Stimulation von C8 die besten Ergebnisse (Abb. 9).

Intrathekale
Baclofen-Applikation

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