Übersichtsarbeiten - OUP 05/2020
Interventionelle Schmerztherapie in der Behandlung chronischer SchmerzenEin „no go“ oder Option in der Komplexbehandlung?
Beim Einsatz interventioneller Verfahren müssen Rahmenbedingungen bezüglich Hygiene, Ausbildungsstand der Anwender und Zulassung der eingesetzten Medikamente beachtet werden. Die Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention beim Robert Koch-Institut (RKI) hat Empfehlungen zur Hygiene bei invasiven Verfahren publiziert [13]. Diese sind abgestuft je nach Invasivität der Maßnahme und beinhalten Angaben zur persönlichen Schutzausrüstung (Mundschutz, Handschuhe), zur Assistenz und zur Art der Hautdesinfektion und Abdeckung (Abb 1). Werden diese beachtet, ist das Infektionsrisiko äußerst gering. So wurde bei einer prospektiven Beobachtung von 10000 fluoroskopisch gestützten epiduralen Injektionen keine Infektion beobachtet [16]. Andere Studien beschreiben eine Rate schwerer Infektionen von 0,1 % [10]. Auch für intraartikuläre Injektionen im Rahmen der Schmerztherapie ist das Risiko bei korrekter Durchführung ähnlich gering. So wird das Risiko schwerer Infektionen nach Steroidinjektionen in das Kniegelenk beispielsweise mit unter 0,1 % angegeben [6]. Von höherer Relevanz ist dabei die Frage, ob eine Injektion von Kortikoiden das Infektionsrisiko bei einem späteren Gelenkersatz erhöht. Diese Frage wird zurzeit intensiver diskutiert. Ein aktuelles Review zeigt keine sicheren Hinweise für ein erhöhtes Risiko, wobei die vorhandenen Daten für eine sichere Aussage noch nicht ausreichen [18]. Auch das Risiko von Blutungen wird für alle in der interventionellen Schmerztherapie angewandten Verfahren insgesamt als gering angesehen, vorausgesetzt die Empfehlungen zum Pausieren von Antikoagulanzien vor und nach epiduralen Eingriffen werden eingehalten. Ein großes Review gibt das Risiko eines epiduralen Hämatoms bei der epiduralen Steroidapplikation zwischen 0 und 1,9 % an [8].
Andere, weniger gravierende Komplikationen sind hingegen häufiger. Gerade bei der epiduralen Kortikoidinjektion können versehentliche intravasale Injektionen (Risiko 7,9–11,6 %) und Durapunktionen (bis zu 6 %) auftreten. Weitere mögliche Risiken sind allergische Reaktionen, Harnverhalt und Luftembolien [8]. Bei weniger invasiven Techniken wie Facettengelenksblockaden ist das Komplikationsrisiko insgesamt noch geringer.
Wichtig für die Durchführung aller interventioneller Verfahren ist neben den erwähnten hygienischen Voraussetzungen eine fundierte Ausbildung der durchführenden Ärzte. Neben dem Kenntniserwerb im Rahmen der Facharztausbildung bilden Interventionskurse der Fachgesellschaften (z.B. IGOST) eine gute fachliche Grundlage zur Durchführung dieser Verfahren.
In der Summe kann postuliert werden, dass die gängigen Verfahren der interventionellen Schmerztherapie wie Facettengelenksblockaden, epidurale und intraartikuläre Injektionen bei korrekter Durchführung als sicher gelten. So werden die Verfahren auch in zahlreichen Leitlinien, wie der Leitlinie zur Gonarthrose, zum spezifischen Kreuzschmerz oder der lumbalen Radikulopathie als sichere Therapieoption genannt.
These 2: Interventionelle Verfahren sind wirksam in der Therapie chronischer Schmerzen
Die Frage der Wirksamkeit interventioneller Verfahren wird kontroverser diskutiert als die Frage nach der Sicherheit der eingesetzten Techniken. Weitgehend unumstritten ist die Feststellung, dass Injektionen von Kortikosteroiden, Lokalanästhetika und anderer Substanzen zu einer vorrübergehenden Schmerzreduktion führen. Interessanter bei der Therapie chronischer Schmerzen ist jedoch die Frage nach der langfristigen Wirksamkeit. Dazu sollen im Folgenden die am häufigsten eingesetzten Verfahren getrennt voneinander betrachtet werden. Für alle Verfahren gilt, dass die vorhandene Studienlage nicht ausreicht, um sichere Empfehlungen daraus zu formulieren.
Facettengelenkblockaden
Für die Blockade der Rami dorsalis und die periartikuläre Kortikoidinjektion konnte bislang kein über den kurzfristigen Effekt hinausreichender Nutzen gezeigt werden. Für die perkutane Neurotomie der Facettengelenke als Thermo- oder Kryodenervation hingegen, konnte inzwischen ein bis zu 1 Jahr anhaltender Nutzen gezeigt werden, so dass diese Verfahren einen etablierten Stellenwert in der Behandlung chronischer Schmerzen haben [7].
Epidurale Injektion von Kortikoiden und Lokalanästhetika
Für den Einsatz bei der lumbalen Spinalkanalstenose konnte bislang nur der kurzfristige Effekt der Injektionen von bis zu 2 Wochen relativ sicher gezeigt werden [1] (Abb. 2). Auch bei der Osteochondrose konnte durch epidurale Steroidinjektionen in Studien bisher nur eine kurzzeitige Schmerzlinderung nachgewiesen werden [14]. Besser konnte die Wirksamkeit der epiduralen Steroidinjektion bei der lumbalen Radikulopathie nachgewiesen werden. Hier existieren Hinweise für längerfristige Erfolge und die mögliche Reduktion operativer Eingriffe [21]. Fraglich bleibt weiterhin die einzusetzende Substanz. Eine Überlegenheit eines kristalloiden Kortikoids gegenüber einem nichtkristalloiden konnte bislang ebenso wenig nachgewiesen werden wie die Überlegenheit von Kortikoiden gegenüber einer alleinigen Gabe von Lokalanästhetika [21].
Intraartikuläre Injektionen
Bei den intraartikulären Injektionen liegen die besten Wirksamkeitsnachweise für die Gonarthrose vor. Bei der Injektion von Kortikosteroiden konnten schmerzlindernde Effekte in Zeiträumen bis zu einem halben Jahr nachgewiesen werden [4]. Auch durch die Injektion von Hyaluronsäure kann eine mehrwöchige Linderung der Symptome erreicht werden [5]. Unklar dabei ist nach wie vor, ob eine Mischung von Hyaluronsäure und Kortikosteroiden einen Vorteil bringt. Für den Einsatz intraartikulärer Injektionen bei anderen Gelenken existieren teilweise ähnliche Studien, wobei die Ergebnisse bei der Gonarthrose auch teilweise auf andere Gelenke extrapoliert werden können (Abb. 3).
Insgesamt kann also postuliert werden, dass es durchaus gute Wirksamkeitsnachweise für den Einsatz interventioneller Verfahren bei Nicht-Tumor-Schmerzen bezüglich einer zeitlich begrenzten Schmerzlinderung gibt. Der nachgewiesene Zeitraum variiert dabei je nach Erkrankung und eingesetzter Substanz zwischen einer Woche und ca. einem halben Jahr, bei den neurodestruktiven Verfahren auch darüber hinaus. Die Effekte der Neurostimulation sollen in diesem Artikel nicht beleuchtet werden, da sie kein typischer Bestandteil einer Komplextherapie sind.