Informationen aus der Gesellschaft - OUP 07/2018

Interview mit den Kongresspräsidenten der 66. Jahrestagung der VSOU

Univ.-Prof. Dr. med. Steffen Ruchholtz und Univ.-Prof. Dr. med. Maximilian Rudert nach dem Kongress im Gespräch.

Was ist Ihr persönliches Kongress-Resümee?

Ruchholtz: Mein Fazit des Kongresses ist sehr positiv. Wir haben in Baden-Baden drei spannende, abwechslungsreiche und intensive Tage erlebt. In den vielen qualitativ sehr hochwertigen Sitzungen zeigte sich Dank des großen Einsatzes der Vorsitzenden und Referenten einmal mehr das große Spektrum und die Vielseitigkeit unseres Fachgebiets. Nach meiner Einschätzung hat der Kongress vom studentischen Nachwuchs bis zum niedergelassenen Orthopäden und Unfallchirurgen oder Chefarzt jeden angesprochen.

Neben dem wissenschaftlichen Programm konnten in vielen Gesprächen „am Rande“ alte Kontakte gepflegt und neue aufgebaut werden. Ich persönlich bin froh über die Gelegenheit, gemeinsam mit Prof. Rudert und unserem Team diesen traditionellen Kongress in diesem Jahr ausgerichtet zu haben. Mit einigen Neuerungen, wie der Kongress-App, den Industriesessions und der Herausarbeitung eindeutig zukunftsorientierter Sitzungen und Vorträge, konnten wir dazu beitragen, den Kongress erfolgreich weiterzuentwickeln.

Rudert: Für mich war es eine perfekte Kombination aus Networking, Wissenstransfer, Kommunikation und Kursangeboten. Ich bin froh, dass wir den Kongress gemeinsam ausrichten durften und bin mir sicher, dass wir die uns wichtigen Inhalte gut transportieren konnten.

Welche Veranstaltung war Ihr persönliches Kongress-Highlight?

Ruchholtz: Es ist bei der Vielseitigkeit und der hohen Qualität der Sitzungen nicht wirklich möglich, DAS absolute Highlight zu benennen. In den Sitzungen, die ich besucht habe, gab es aufgrund des starken Engagements von Referenten und Rednern nahezu ausschließlich hervorragende Beiträge und Diskussionen. Persönlich haben mich die Vorträge in der Sitzung „Ein Leben für O und U“ sehr beeindruckt. Es war nicht nur unterhaltsam, den fünf Referenten mit ihren sehr unterschiedlichen Vorträgen zuzuhören, man konnte aus den persönlichen Einblicken in „Ein Leben für O und U“ auch Anregungen für die Zukunft gewinnen. Ein weiteres Highlight war die Sitzung von Prof. Schäfer, dem deutschen „Dr. House“, zu seltenen Erkrankungen in O und U. So eine Session sollte Bestandteil jedes Medizinerkongresses sein. Sie öffnet den Blick in alle Winkel eines Fachs und gibt damit einem Fachkongress sowohl Tiefgang als auch Weite. Es gab aber auch hervorragende Sitzungen zur Umsetzung digitaler Kommunikationstechnologien in O und U, die mich begeistert haben.

Rudert: Alle Veranstaltungen hatten aus meiner Sicht ihren eigenen Reiz. Da wir die ganzen Tage über bis zu 16 Parallelveranstaltungen hatten, konnte ich naturgemäß nicht allen beiwohnen. Wir hatten aber so viele spannende Themen, dass ich gern mehr angehört hätte.

Für mich persönlich war ein besonderes Highlight die Eröffnungsveranstaltung mit Tiki Küstenmacher über die mit seinem Namen verbundene Thematik „Simplify your life“. Im Auditorium war ich sehr beeindruckt von der Sitzung „Ein Leben für O und U“.

Welche Erkenntnisse haben Sie gewonnen?

Ruchholtz: Die Jahrestagung der VSOU in Baden-Baden hat ihre große Bedeutung auch darin, die verschiedenen Spezialgebiete, die das Fach für O&U heute bestimmen, zusammenzuführen. Dies ist sowohl notwendig, um die Abstimmung bei Überschneidungen in verschiedenen Schwerpunkten zu ermöglichen (z.B. erfolgt die Wirbelsäulenchirurgie durch den Spezialisten als auch den Alterstraumatologen) als auch um übergeordnete Aufgaben, die uns Fachärzte für O&U alle angehen (z B. Notfallversorgung) zu thematisieren.

Des Weiteren kann eine optimale Integration von modernen Kommunikationstechnologien (E-health) in Klinik und Praxis nur dann funktionieren, wenn die Schnittstellen möglichst untereinander abgestimmt werden. Denn insbesondere mit Blick auf moderne Kommunikationstechnologien muss festgestellt werden, dass die Umsetzung in der täglichen Praxis häufig weit hinter den heutigen Möglichkeiten steht. Im gesamten E-health-Bereich müssen in den nächsten Jahren intensive Anstrengungen unternommen werden, um von diesen Technologien profitieren zu können. Dies betrifft sowohl die flächendeckende Umsetzung einer Telemedizin, die Verbesserung der Schnittstellen von Klinik- und Praxisinformationssystemen, die Einführung von elektronischen Patientenakten, sowie die poststationäre Rehabilitation auf Basis von individuell angepassten, ubiquitär abrufbaren Nachbehandlungsprogrammen.

Rudert: Der VSOU-Kongress hat als zeitgemäßer Kongress für O&U in Deutschland seinen absoluten Platz behauptet. Hier treffen sich junge mit erfahrenen Ärzten, tauschen Wissen aus und motivieren für den beruflichen Alltag und die Zukunft in Praxis und Klinik. Die Zukunft wird immer digitaler, und das auch in der Medizin. Diese Prozesse aktiv zu begleiten birgt riesige Chancen für unser Fach.

Bei welchen Programmpunkten war das Interesse am größten?

Ruchholtz: Neben den Sitzungen „Ein Leben für O und U“ und „Dr. House“ waren auch die Sitzungen zu den orthopädisch-unfallchirurgischen Dauerthemen „Endoprothetik“, „Alterstraumatologie“, „Sporttraumatologie“ und „konservative Orthopädie“ sehr gut besucht, was die hohe Relevanz dieser Themen für die Kongressteilnehmer im klinischen Alltag unterstreicht.

Rudert: Besonders hat mich gefreut, dass die Podiumsdiskussionen und Veranstaltungen im Auditorium immer sehr gut besucht waren.

Wie wurden die wissenschaftlichen Industriesessions angenommen?

Ruchholtz: Mit diesem neuen Format haben wir versucht, das partnerschaftliche Verhältnis zwischen uns wissenschaftlich-klinisch tätigen Ärzten und der Industrie in einer Sitzungsreihe umzusetzen. Seitens der Partner der Industrie wurden die Sitzungen sehr gut angenommen und auch die Resonanz der Kongressteilnehmer war – soweit bekannt – gut. Basierend auf den gewonnenen Erkenntnissen kann dieses Format gegebenenfalls noch weiterentwickelt werden.

Rudert: Aus meiner Sicht positiv. Es ist ja ein ganz junges Format, das sich erst noch etablieren muss. Die Chancen für die Industrie sind aber groß und sollten auch in Zukunft genutzt werden.

VSOU-Arthroskopie-Challenge – ist dies das Kurskonzept der Zukunft für den Nachwuchs?

Ruchholtz: Die sehr gute Resonanz der Studenten und jungen Kollegen, an der VSOU-Arthroskopie-Challenge teilzunehmen, belegt das Potenzial moderner technischer Mittel in der Nachwuchsförderung. Selbstverständlich kann ein
Simulator die tägliche Ausbildung im Operationssaal nicht ersetzen, aber zur Vorbereitung und Ergänzung werden
Simulationstrainings in Zukunft sicher
einen zunehmenden Stellenwert haben.

Rudert: Ich finde ja! Neue Technologien für die Weiterbildung und Wissensvermittlung werden in der Zukunft immer wichtiger. Aufgrund der Arbeitsverdichtung und Personalknappheit müssen wir nach neuen Modellen suchen, um die notwendige Ausbildung zu gewährleisten und zu verbessern.

Gibt es weitere Neuigkeiten zur Nachwuchsförderung, die sich ergeben haben?

Ruchholtz: Der Kongress und insbesondere unsere Sitzung „Wissensvermittlung und Ausbildung in der Medizin von morgen“ haben gezeigt, dass neben dem Einsatz von Simulatoren auch andere technische und moderne Formen der Wissensvermittlung, z.B. über Apps, Augmented Reality und E-Learning schon jetzt einen Stellenwert haben, der in Zukunft zunehmen wird.

Rudert: Mit unseren über 200 Anmeldungen nach dem ersten Abstract-Call haben wir den Eindruck gewonnen, dass sich der Nachwuchs in Baden-Baden wieder mehr wissenschaftlich engagiert. Das lässt uns hoffnungsvoll in die Zukunft blicken.

Wie wurde die Kongress-App angenommen?

Ruchholtz: Passend zu unserem Kongressmotto „Mobilität durch Fortschritt“ haben wir mit der App den Teilnehmern eine moderne und zeitgemäße Form der individuellen Kongressgestaltung geboten. Sie ist – basierend auf einem leistungsstarken WLAN-Netz – regelhaft von einem Großteil der Kongressbesucher genutzt worden. Auch wenn die App in einigen Bereichen noch verfeinert werden muss, ist sie meines Erachtens vom VSOU Kongress in den kommenden Jahren nicht mehr wegzudenken.

Rudert: Die Kongress-App war ebenfalls ein technologisches Novum auf diesem Kongress. Es braucht sicher etwas Zeit, bis sich alle daran gewöhnt haben. Aus meiner Sicht führt langfristig kein Weg daran vorbei.

Podiumsdiskussion Junges Forum: Arzt sein ist kein Wunschkonzert – was wünscht sich die neue Ärztegeneration von ihrem Arbeitgeber?

Ruchholtz: Für mich als Teilnehmer der Diskussion war es beeindruckend, wie offen und ohne große Zurückhaltung mit den Studenten und jungen Ärzten diskutiert werden konnte. Es wurde klar, dass die Erwartungen seitens der neuen Ärztegeneration an ihre (zukünftigen) Arbeitgeber und Vorgesetzten individuell unterschiedlich sein können. Fragen wie „Ist die Tätigkeit in O und U auch für Frauen geeignet?“, „Was ist der Vorteil einer Ausbildung in Deutschland gegenüber dem Ausland?“ und „Was passiert, wenn man den Anforderungen im Job nicht gerecht wird?“ wurden diskutiert. In der Diskussion wurde aber vor allem klar, dass bei den zukünftigen Kolleginnen und Kollegen der Wunsch nach einem transparenten und strukturierten Ausbildungsprogramm im Vordergrund steht. Es wurde in den Gesprächen herausgearbeitet, dass nur durch eine klare Darstellung der Anforderungen und der Angebote („Win-win“-Situation) an den/die junge/n Assistenzarzt/ärztin ein hohes und den heutigen Anforderungen entsprechendes Engagement erzielt werden kann. Angesichts der Diskussionsfreude der Teilnehmer braucht man sich allerdings über die mangelnde Einsatzbereitschaft der nachfolgenden Ärztegeneration keine großen Sorgen machen.

Rudert: Es war deutlich sichtbar, dass bei der jungen Generation eine eklatante Diskrepanz zu den Vorstellungen der „Etablierten“ vorliegt. Wir sehen die Bedürfnisse unseres Berufs, die nächsten Generationen insbesondere ihre eigenen. Es wurde offensichtlich, dass sich beide Standpunkte annähern. Auch das lässt hoffnungsvoll in die Zukunft blicken.

Herr Prof. Ruchholtz, Herr Prof. Rudert, vielen Dank für das Gespräch. Das Interview führte Inge Kölle/SEMIKOLON im Auftrag der VSOU.

Podiumsdiskussion BVOU/VLOU: Honorierungssysteme: Sinnhaftigkeit, Gerechtigkeit, Rationierung, Priorisierung

(Anmerkung der Redaktion: Dazu hat uns Prof. Dr. med. Karl-Dieter Heller, Chefarzt der Orthopädischen Klinik und Leiter des EndoProthetik Zentrums der Maximalversorgung des Herzogin Elisabeth Hospitals in Braunschweig, geantwortet.)

Heller: Im Rahmen der drei Grundsatzreferate von Dr. Norbert Metke, Norbert Müller sowie Prof. Dietmar Pennig, wurden die aktuellen und z.T. problematischen Aspekte der Honorierungssysteme klar dargestellt.

Die aktuelle Koalition erwartet eine Angleichung der Wartezeiten zwischen GKV und PKV Patienten, um das angebliche Zweiklassensystem zu entschärfen. Hierfür werden seitens der KV erhebliche Anstrengungen unternommen. Die Arbeitszeit der niedergelassenen Kollegen soll diesbezüglich von 20 auf 25 Stunden ausgeweitet werden. Nur wenn dieses Vorhaben gelingt, kann auch auf eine Umsetzung der neuen GOÄ und Fortsetzung des Systems gehofft werden.

Die sektorenübergreifende Versorgung, die auch aktuelles Thema ist, ist derzeit relativ einseitig und lässt nur den Weg von der Niederlassung in das Krankenhaus zu, der umgekehrte Weg ist nicht gegeben. Von Krankenhausseite wäre hier eine Öffnung auch in Richtung Niederlassung erstrebenwert.

Rationierung und Priorisierung sind klare Mittel der Politik und des GBA, wobei die Rationierung hier eher über den pekuniären Weg erfolgt. In diesem Zusammenhang genannt wurden die entsprechenden Abwertungen der DRG im vergangenen Jahr, die letztendlich indirekt eine Rationierung bedingen sollten. Letztendlich bestraft diese aber gerade die Leistungserbringer, die qualitativ hochwertig arbeiten und spezialisiert sind.

Zusammenfassend bergen die derzeitigen Honorierungssysteme gravierende Probleme, die einerseits durch verschiedene Versicherungssysteme und anderseits durch eine Mengenausweitung bedingt sind, wobei gerade die Mengenausweitung im stationären System, dem derzeitigen Honorierungssystem, sprich DRG-System, geschuldet wird.

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