Arzt und Recht - OUP 04/2020
Jameda-Rechtsprechung Update
Heiko Schott
Nachdem insbesondere in den letzten 2 Jahren immer wieder Status und Rechte von Bewerteten und Bewertern Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen waren, soll in diesem Artikel auf die jüngsten Entscheidungen des OLG Frankfurt am Main1, des OLG München2 sowie des OLG Brandenburg3 hingewiesen und eingegangen werden.
1. OLG Frankfurt am Main
Die Entscheidung des OLG Frankfurt hatte sich – fast schon wie üblich – mit der Frage zu beschäftigen, ob eine Ärztin die Löschung ihres Basiseintrages verlangen kann. Die Ärztin hatte hilfsweise beantragt, die sich im Portal befindlichen negativen Einträge löschen zu lassen.
Nachdem der Bundesgerichtshof letztlich positiv für Ärzte und deren Profillöschungen entschied4, sprach das OLG der Ärztin diese nun ab.
Ein Ärztebewertungsportal erfülle eine von der Rechtsordnung gebilligte und gesellschaftlich erwünschte Funktion, sofern der Betreiber als neutraler Informationsmittler auftritt. Dies ist im Hinblick auf die Jameda GmbH vorliegend der Fall. Anders als in früher vom BGH entschiedenen Konstellationen liegen keine verdeckten Vorteile für sogenannte Prämienkunden (mehr) vor. Für den Nutzer ist vielmehr klar ersichtlich, dass für geschaltete Anzeigen, die als solche bezeichnet und farblich unterlegt sind, eine Vergütung zu entrichten ist. Es fehlt demnach nicht (mehr) an der erforderlichen Transparenz.
Der Portalbetreiber hätte nach Ansicht des Gerichts nachvollziehbar dargelegt, dass der Aufbau des Portals im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zwischenzeitlich geändert wurde. Damals war es so, dass die Beklagte bei dem nicht zahlenden Arzt dem Internetnutzer dessen Basisdaten nebst Bewertung anzeigte und ihm mittels eines eingeblendeten Querbalkens „Anzeige“ Informationen zu örtlich konkurrierenden Ärzten anbot, hingegen auf dem Profil des Premiumkunden – ohne dies dem Internetnutzer hinreichend offen zu legen – keine werbenden Hinweise auf die örtliche Konkurrenz zuließ.
Heute gibt es solche Anzeigenbanner, die nur im Profil des Nichtkunden Konkurrenten (mit Bild) aus der Umgebung des Arztes einblenden, nicht mehr.
Darüber hinaus sind die Vorteile, die den Premiumkunden erwachsen, eben keine verdeckten Vorteile (mehr). Für den Portalnutzer sei also klar ersichtlich, dass für die Anzeigen, die als solche bezeichnet und farblich unterlegt sind, eine Vergütung entrichtet wird. Hier fehlt es nicht länger an der erforderlichen Transparenz. Es kommt hinzu, dass die Anzeigen Premiumkunden und Nichtkunden gleichermaßen treffen, weil auch der Arzt der Anzeige nochmals in der Liste erscheint, somit keine verdeckte Ungleichbehandlung vorliegt. Auch gibt es bei den Premiumkunden ein rotierendes System, sodass nicht immer derselbe Arzt als Konkurrent erkennbar ist.
Der Portalbetreiber schaffe zwar Anreize für eine Premiummitgliedschaft, indem darauf hingewiesen werde, dass Premiummitglieder in den vorderen Plätzen bei Google auftauchen und häufiger von interessierten Internetnutzern angeklickt würden. Das Auftauchen bei Google im Sinne einer besseren Auffindbarkeit stehe allerdings außerhalb des Systems. Der Algorithmus bei Google sei für den Portalbetreiber aber nicht beherrschbar. Auch ist mit der Funktion eines neutralen Informationsmittlers nach Auffassung des Senats nicht zwangsläufig ein Werbeverbot verbunden. Entscheidend ist vielmehr, wie verständlich die Informationen für den Nutzer des Portals der Beklagten sind und ob dieser erkennen kann, dass es Vorteile für den zahlenden Kunden gibt und dass diese Vorteile die Nichtkunden nicht unangemessen benachteiligen.
Insgesamt lässt sich daher festhalten, dass – zumindest nach der Rechtsprechung des OLG Frankfurt – eine Basisprofillöschung im Gegensatz zur letzten BGH-Entscheidung in dieser Sache nach Umstellung des Portalaufbaus und seiner Struktur deutlich erschwert wird.
2. OLG München
Das OLG München beschäftige sich in dem zitierten Verfahren mit der Frage, ob dem Arzt ein Anspruch auf Wiederveröffentlichung von positiven Nutzerbewertungen auf der Seite des Ärztebewertungsprotals zukommt.
Der klagende Arzt war ursprünglich Premiumkunde des Portals. Zeitlich nach seiner Kündigung des Premiumvertrages löschte der Portalbetreiber zahlreiche positive Bewertungen aus dem Profil des Klägers.
Das OLG München stellte fest, dass grundsätzlich das Löschen positiver Bewertungen einen Eingriff in den Schutzbereich des sogenannten eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebes darstellen kann.
Beim Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbetrieb handelt es sich um einen offenen Auffangtatbestand, der auch die Angehörigen freier Berufe, die eigentlich kein Gewerbe betreiben, wie Ärzte, schützt.
Schutzgegenstand des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbetrieb ist alles, was in seiner Gesamtheit den Betrieb zur Entfaltung und Betätigung in der Wirtschaft befähigt und damit den wirtschaftlichen Wert des Betriebs als bestehender Einheit ausmacht, also nicht nur den Bestand des Betriebs, sondern auch einzelne Erscheinungsformen, Geschäftsideen und Tätigkeitskreise, Kundenstamm und Geschäftsbeziehungen, Organisationsstruktur, Know-How und good will. Schutzgegenstand des Rechts ist auch der „gute Ruf“ eines Unternehmens, das unternehmerische Ansehen und dieses wird maßgeblich durch Bewertungen auf Bewertungsportalen mitbestimmt, sodass in einer Löschung von positiven Bewertungen auch ein Eingriff in den Schutzbereich liegen kann.
In der Löschung positiver Bewertungen auf einem Bewertungsportal kann auch ein betriebsbezogener Eingriff liegen, denn er führt zur Beeinträchtigung des Betriebs als solchem. Durch die Löschung können wesentliche Geschäftsaktivitäten, wie die Kundenakquise, unmittelbar beeinträchtigt sein.
Allerdings konnte der Arzt prozessual den entsprechenden erforderlichen Beweis nicht erbringen.
Der Portalbetreiber hatte in dem Verfahren vorgetragen, dass das Löschen der positiven Bewertungen nichts mit der Kündigung des Premiumvertrages zu tun hatte. Vielmehr wurde behauptet, dass der Portalbetreiber die streitgegenständlichen, positiven Bewertungen nicht habe als echt verifizieren können. Es stand daher zu vermuten, dass diese Bewertungen nicht den Nutzungsrichtlinien entsprochen hätten.
Der Portalbetreiber sei in diesem Zuge nach Auffassung des Gerichts nicht verpflichtet, offenzulegen, wie der eingesetzte Algorithmus zum Aufspüren verdächtiger, also nicht „authentischer“, sondern eventuell vom Arzt beeinflusster Bewertungen funktioniere. Hierbei handele es sich um ein nicht zu offenbarendes Geschäftsgeheimnis des Portalbetreibers, denn wenn dem Verkehr dies bekannt würde, würden seitens der Ärzte bzw. der seitens von diesen beauftragten Agenturen Umgehungsmöglichkeiten entwickelt. Das Portal könnte dann dem selbst formulierten Anspruch, für „echte Bewertungen“ zu sorgen, nicht mehr gerecht werden, die Plattform würde für die Nutzer an Wert verlieren und die Plattform würde somit durch die Offenlegung der Prüfungskriterien ihr eigenes Geschäftsmodell gefährden.
Der klagende Arzt hat diesen Vortrag schon nicht substantiiert bestritten, beziehungsweise vorgetragen und unter Beweis gestellt, dass die Bewertungen nicht schon deutlich vor Ausspruch seiner Kündigung als „verdächtig“ eingestuft worden seien und eine entsprechende Überprüfung angeordnet worden sei. Er konnte damit seinen ihm grundsätzlich zustehenden Anspruch schlicht nicht beweisen.
3. OLG Brandenburg
Mit dem Beschluss vom 05.02.2020 definierte das OLG Brandenburg die sogenannte prozessuale Darlegungslast detailliert. Insbesondere ging es hier um die Frage, ob und gegebenenfalls wie ein bewerteter Arzt den Patientenkontakt zu bestreiten hat. Nach dieser Entscheidung genügt es eben nicht, aus Arztsicht zu behaupten, der Bewertende wäre gar nicht Patient (gewesen).
So abstrus es erst einmal klingt:
Ein Arzt, der als Kläger gegen eine negative Bewertung seiner Person im Internet vorgeht, trägt grundsätzlich die sogenannte primäre Darlegungslast dafür, dass der Bewertungsverfasser tatsächlich Patient bei ihm war. Die beklagte Betreiberin der Bewertungsplattform trägt insofern lediglich eine sekundäre Darlegungslast. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der klagende Arzt sich mit den streitigen Behauptungen und vorgelegten Unterlagen inhaltlich hinreichend auseinandersetzt, statt den Behandlungskontakt lediglich pauschal zu bestreiten. Zu einer substantiierten Auseinandersetzung gehört es, die Patientenunterlagen in dem maßgeblichen Zeitraum auf den konkreten streitigen Vorfall hin zu durchsuchen und einen konkreten abweichenden Verlauf zu behaupten.
Rechtsdogmatisch ist der Kläger im Rahmen des geltend gemachten (Unterlassungs- und/oder Löschungs-) Anspruchs auch für das Fehlen eines Behandlungskontakts als unwahre Tatsachengrundlage für die streitgegenständliche Meinungsäußerung darlegungs- und beweisbelastet. Jeder muss in einem Zivilprozess das beweisen, was für ihn günstig ist. In dem hier in Rede stehenden Fall hat daher der Arzt zu beweisen, dass die Behandlung als solche eine „unwahre Tatsache“ darstellt. Ein pauschales Bestreiten reicht nicht aus. In dem durch das Portal zu benennenden Behandlungszeitraum hat der Arzt seine Patientendateien zu durchsuchen und schlüssig darzulegen/zu beweisen, dass der geschilderte Sachverhalt unzutreffend ist.
4. Fazit
Wie die oben aufgeführten aktuellen Fallbeispiele zeigen, sind die simpel klingenden Sachverhalte um Portalbewertungen sowohl tatsächlich, als auch rechtlich detailreich und komplex. Letztlich auch aufgrund des Umstandes, dass regelmäßig Rechtschutzversicherungen den kostendeckenden Rechtschutz für diese Streitfragen übernehmen, muss dringend empfohlen werden, nicht ohne fachkundigen Rechtsrat, beziehungsweise -vertretung gegen unzutreffende, unsachliche und/oder unrichtige Bewertungen vorzugehen.
1 Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 09.04.2020 – 16 U 218/18
2 Oberlandesgericht München, Urteil vom 27.02.2020 – 29 U 2584/19
3 Brandenburg, Beschluss vom 05.03.2020 – 1 U 80/19
4 BGH-Urteil vom 20. Februar 2018 – VI ZR 30/17
Heiko Schott: Kanzlei Schmelter & Schott, Gelsenkirchen
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