Originalarbeiten - OUP 02/2019
Kleinzehendeformitäten: ein Update
Ebenso ist eine Spreizfuß- und Hallux-valgus-Fehlstellung mit zu beachten. Auch bei einer asymptomatischen Hallux-valgus-Deformität ist eine Stellungskorrektur am 1. Strahl empfehlenswert, um die Lastaufnahme durch den 1. Strahl wiederherzustellen und die krankhaft gesteigerte Überbelastung des zentralen Mittelfußes zu reduzieren [12].
Die Notwendigkeit zur Längenanpassung der Metatarsalia II–IV wird unverändert kontrovers beurteilt. Liegt eine dorsale Subluxation im Zehengrundgelenk II–IV mit propulsiver Metatarsalgie vor und besteht gleichzeitig eine relative Überlänge des betreffenden Mittelfußstrahls, so sollte die Indikation zur Längenangleichung großzügig gestellt werden, um eine Belastungsreduktion unter dem Mittelfußkopf zu bewirken.
Oft ergibt sich intraoperativ nach Stellungskorrektur einer einzelnen Zehe die Indikation zu einem Weichteileingriff an den benachbarten Zehen (z.B. Verlängerung der langen Strecksehne oder Tenotomie der langen Beugesehne). Diese Zusatz-Eingriffe sollten präoperativ mit dem Patienten besprochen werden.
Zehengrundgelenke
Chronische dorsale Subluxation (Abb. 2): Die Patienten berichten in aller Regel über eine Metatarsalgie und/oder Schmerzen über dem beugekontrakten Kleinzehenmittelgelenk.
Klinisch stehen die dorsale Subluxation im Zehengrundgelenk und die Schwielenbildung unter dem betreffenden Mittelfußkopf im Vordergrund. Meist ist diese Fehlstellung kombiniert mit einer Beugestellung im Kleinzehenmittelgelenk. Das Druckschmerzmaximum befindet sich in aller Regel unter dem Mittelfußkopf. Ein positiver Schubladentest deutet auf ein Versagen der plantaren Stabilisatoren hin. Die dorsale Subluxation kann fixiert oder beim Push-up-Test passiv ausgleichbar und ggf. mit einer transversalen Fehlstellung kombiniert sein. In diesem Fall ist das Vorliegen einer Insuffizienz der plantaren Platte wahrscheinlich (Abb. 3). Röntgenologisch ist neben der Einschätzung des Gelenkzustands die Beurteilung des metatarsalen Alignments von Bedeutung.
Die operative Behandlung beginnt mit einer Entspannung der streckseitigen Weichteile. Hierzu wird eine Z-förmige Tenotomie der Extensor digitorum longus (EDL)-Sehne durchgeführt. Die Länge der Tenotomie sollte in Abhängigkeit vom Befund 1–2 cm betragen und bevorzugt proximal des Zehengrundgelenks angelegt werden. Die Extensor digitorum brevis (EDB)-Sehne wird, soweit kein subligamentärer Transfer zum Ausgleich einer transversalen Zehenfehlstellung geplant ist, in Höhe des Zehengrundgelenks quer tenotomiert. Nun erfolgt das Kapselrelease in Höhe des Zehengrundgelenks. Der Gelenkspalt kann in aller Regel durch manuellen Längszug an der betreffenden Zehe identifiziert werden. Ist dies bei chronischen Luxationen nicht möglich, beginnt das Kapselrelease an der Grundgliedphalanx. Nach diesem Schritt ist der Mittelfußkopf dargestellt und kann hinsichtlich seines Knorpelzustands beurteilt werden. Besteht im dorsalen und zentralen Drittel ein relevanter Knorpelschaden oder eine durch das nach dorsal luxierte Grundglied hervorgerufene sekundäre Deformierung des Mittelfußkopfs, so ist eine Osteotomie (dorsale Closing-Wedge-Osteotomie oder distale Verkürzungsosteotomie) empfehlenswert.
Durch einen intraoperativen
Push up-Test lässt sich erkennen, ob es nach diesen Maßnahmen zu einem spannungsfreien Ausgleich der Fehlstellung (ohne Subluxationsneigung) im Zehengrundgelenk kommt. Ist auch der Schubladentest negativ, kann der Eingriff nun am Kleinzehenmittelgelenk fortgesetzt werden. Besteht bei dieser Befundkonstellation jedoch eine anlagebedingte Überlänge des Mittelfußstrahls, so sollte die Indikation zu einer verkürzenden metatarsalen Osteotomie großzügig gestellt werden, um die Belastung auf das Zehengrundgelenk zu reduzieren und einem Fehlstellungsrezidiv vorzubeugen.
Besteht beim Push up-Test unverändert eine dorsale Subluxation, so kann bei negativem Schubladentest ein Transfer der Flexor digitorum longus (FDL)-Sehne (Girdlestone-Taylor-Prozedur) angeschlossen werden [1]. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass es sich um eine Tenodese handelt, sodass postoperativ die aktive Beweglichkeit im Zehengrundgelenk eingeschränkt ist.
Bei einer klinisch nachvollziehbaren sagittalen Instabilität mit positivem Schubladentest oder einer zusätzlichen transversalen Instabilität muss der Eingriff erweitert werden. Nach Anlegen einer distalen Metatarsale-Osteotomie (z.B. Weil-Osteotomie) und Verschieben des Mittelfußkopfs nach proximal wird die plantare Platte inspiziert.
Je nach Befund [10] kann eine direkte Naht oder transossäre Reinsertion der phalangealen Insertion erfolgen. Das metatarsale Alignment sollte anschließend ausgeglichen werden (I = II oder I > II), um einer vermehrten mechanischen Belastung der plantaren Platte vorzubeugen. Bei ausgeprägter degenerativer Rissbildung ist eine Rekonstruktion hingegen nicht erfolgversprechend, sodass nach der Osteosynthese der distalen Metatarsale-Osteotomie ein FDL-Transfer indiziert ist.
Flint et al. [4] haben eine prospektive Studie (12 Monate) an 97 Patienten (138 Zehengrundgelenke) mit einer operativ behandelten Ruptur der plantaren Platte publiziert. Die aktive und passive Beweglichkeit im Kleinzehengrundgelenk war postoperativ signifikant reduziert. Der Bodenkontakt der betroffenen Zehen konnte signifikant verbessert werden. Der AOFAS-Score verbesserte sich von 49 Punkten (präoperativ) auf 81 Punkte (postoperativ). Zu berücksichtigen ist bei diesen Ergebnissen allerdings, dass bei allen Patienten eine metatarsale Verkürzungsosteotomie und bei 90 % der Patienten weitere Korrekturmaßnahmen am Vorfuß durchgeführt wurden, sodass die Behandlungsergebnisse nicht allein auf die Rekonstruktion der plantaren Platte zurückgeführt werden können.
Transversale Fehlstellung
Eine transversale Achsenabweichung in Höhe des Zehengrundgelenks (z.B. Cross-over-toe) ist meist die Konsequenz einer Instabilität der plantaren Platte. Insoweit orientiert sich der Behandlungsalgorithmus an der Therapie der dorsalen Subluxation.
Bei lange vorbestehender medialer Deviation der Zehe im Grundgelenk kann ein FDL-Transfer mit asymmetrischer Anspannung der Sehnenzügel oder ein subligamentärer Transfer der lateral liegenden EDB-Sehne durchgeführt werden. Ist auch durch diese Weichteiltechnik keine orthograde Ausrichtung der Zehe in der Transversalebene zu erreichen, besteht die Möglichkeit einer suprabasalen Closing-Wedge-Osteotomie am Zehengrundglied. Die Fixation erfolgt über eine transossäre Naht oder einen axial eingebrachten Kirschner-Draht.
Zehenmittelgelenke
Isolierte Deformitäten der Zehenmittelgelenke sind selten; meist handelt es sich um eine Beugefehlstellung, die flexibel oder kontrakt ist. Die Patienten berichten über Druckschmerzen und einen Schuhkonflikt über der Streckseite des Gelenks. Klinisch korrespondieren diese Angaben mit einer Rötung oder Schwielenbildung über dem streckseitigen Mittelgelenk. Auch bei scheinbar isolierter Flexionsfehlstellung im Zehenmittelgelenk muss durch den Push up-Test sichergestellt sein, dass keine begleitende dorsale Subluxation im Zehengrundgelenk vorliegt. Eine flexible Beugefehlstellung im Zehenmittelgelenk kann durch einen Transfer der FDL-Sehne behandelt werden [1]. Zu beachten ist, dass sich die Zehenlänge durch diese Operation relativ verlängert. Bei einer anlagebedingten griechischen Vorfußkonstellation (Zehe II > I) ist die Indikation deshalb kritisch zu überprüfen bzw. Begleiteingriffe (z.B. Verkürzung des Grundglieds) zu erwägen.