Übersichtsarbeiten - OUP 01/2016
Knochenstrukturanalyse nach Oberflächenersatz an der Schulter
Aufarbeitung der Präparate
Alle Kappenpräparate mit den anhaftenden Humeruskopfanteilen wurden zunächst in 3,5 % gepuffertem Formalin fixiert. Danach wurde je eine Gewebeprobe zu Schliffpräparaten, bei denen das Knochengewebe im Verbund mit dem Implantat bearbeitet werden kann, aufgearbeitet und jeweils eine weitere Gewebeprobe zu Schnittpräparaten, für die eine Gewebeprobe vorsichtig vom Implantat abgelöst wurde. Zusätzlich wurden in einigen Fällen Blockpräparate von 1 mm Dicke erstellt, um einen besseren Eindruck der 3D-Knochenstruktur im Bereich des Implantats zu erhalten [3].
Schliffpräparate
Mit einer Bandsäge mit diamantbeschichtetem Trennband (Exakt) wurden aus jeder der Kappenendoprothesen 4 mm dünne Präparatescheiben aus der Medianebene mit den darin befindlichen Resten des Humeruskopfs herausgetrennt (Abb. 2a). Anschließend wurden von den 4 mm dicken Scheiben zur Dokumentation und ersten Beurteilung der Gewebestruktur eine Kontaktradiografie (Abb. 2b) sowie eine Makroaufnahme angefertigt (Abb. 2a).
Die weitere Aufarbeitung der Präparatescheiben zu unentkalkten Schliffen erfolgte nach der in früheren Veröffentlichungen im Detail beschriebenen Technik [3] (Abb. 3). Das Gewebe wurde zunächst über eine aufsteigende Ethanolreihe entwässert und anschließend mit Kunststoff (Technovit 7200, Kulzer) infiltriert. Nach der Polymerisation durch Blaulicht wurden die im Kunststoff eingebetteten Proben auf einen Objekträger geklebt und mit Hilfe von automatischen Tellerschleifmaschinen (Exakt) und Sandpapieren unterschiedlicher Körnung planparallel auf eine Dicke von etwa 100 µm geschliffen. Anschließend wurde die Oberfläche poliert und Toluidinblau gefärbt (Abb. 3).
Schnittpräparate
Die Gewebeproben, die für die Schnittpräparation entnommen wurden, wurden ebenfalls entwässert, dann aber unentkalkt in PMMA (Merck) eingebettet. Mit Hilfe eines Rotationsmikrotoms (Jung) wurden 4 µm dicke Schnitte angefertigt und nach Standardprotokoll Toluindinblau, Kossa-van-Gieson und Masson Goldner gefärbt.
Histomorphometrische Auswertung: Zur Beurteilung der Gewebeveränderungen wurden die Präparate histomorphometrisch ausgewertet. Hierfür wurde das mikroskopische Bild der Präparate mithilfe einer Digitalkamera erfasst und mit einer speziellen Software analysiert (Osteomeasure). Da die Kossa-van-Gieson-Färbung den größten Kontrast bietet, wurden die so gefärbten Präparate für die Messungen gewählt. Zur Charakterisierung der Knochenstruktur wurden die Parameter prozentuales Knochenvolumen (BV/TV), die Trabekeldicke (Tb.Th.), der Abstand zwischen den Trabekeln (Tb.Sp.) und die Trabekelanzahl (Tb.N.) mit dem Analyseprogramm ermittelt.
Um die Reaktionen des Gewebes im Grenzbereich (Interface) zum Implantat zu erfassen, wurden folgende Parameter bestimmt: Die Membrandicke, die Membranlänge in Relation zur Länge des Interface als Bezugsgröße und der prozentuale Knochenkontakt zum Implantat. Eine breitere und durchgehende, bindegewebige Interfacemembran wird als Zeichen einer Lockerung interpretiert, wohingegen direkte Knochenkontakte als Maß der Integration gesehen werden [4].
Statistische Auswertung: Zur Untersuchung der Zusammenhänge von Standzeit bzw. Alter zu den einzelnen Knochenstrukturparametern und diesen untereinander wurde die 2-seitige Korrelationsanalyse nach Pearson verwendet. Als Signifikanzniveau wurde p ? 0,05 gewählt, als sehr signifikant ein p ? 0,01.
Ergebnisse
Qualitative Auswertung
In einem ersten Untersuchungsgang erfolgte eine qualitative Beurteilung der histologischen Situation im Bereich der Kappenendoprothesen. Hierfür wurden auffällige Gewebeveränderungen erfasst und in Verbindung mit Angaben aus den Operationsberichten und den Gutachten der Pathologie dargestellt.
In den histologischen Präparaten sind in den meisten Fällen bindegewebige Membrane im Grenzbereich zum Implantat und Implantatmaterial in Form kleiner Partikel erkennbar (Abb. 4). Auch zeigen sich Knochenverdichtungen und Mikrokallusformationen in Implantatnähe als Folge einer lokal überbelasteten Knochenstruktur. Die Knochenzellaktivität erscheint reduziert, neue Knochenanbauzonen mit Osteoid sind kaum nachweisbar. In den histologischen Präparaten mit längeren Standzeiten der Kappen zeigt sich eine stark reduzierte Spongiosa, es dominieren dünne, schlecht vernetzte Trabekel (Abb. 5).
Quantitative Auswertung
Knochenstruktur: Das Knochenvolumen (BV/TV) unter den Kappen variiert in den untersuchten Fällen stark und beträgt minimal 1,84 % bis maximal 26,98 %. Die Dicke der Trabekel liegt zwischen 28,21 µm und 95,31 µm, deren Anzahl (Tb.N.) in einem Bereich von 0,65 mm–1 bis 3,52 mm–1 und der Abstand (Tb.Sp.) reicht von 221,83 µm bis 1502,87 µm (Tab 2).
Interface: In der Tabelle 3 sind die Ergebnisse zur Messung der Interfacemembran und die anteiligen direkten Knochenkontakte zum Implantat zusammengestellt. Die Werte für die Membrandicke liegen bei minimal 340,58 µm und maximal bei 1395,71 µm, wobei die Länge der Membran zwischen 3,55 mm und 15,50 mm schwankt. Die Interfacelänge beträgt maximal 23,43 mm und mindestens 8,68 mm, der direkte prozentuale Knochenkontakt zur Oberfläche des Implantats liegt zwischen 0 % bis maximal 45,41 %. Bei Fall 8 waren diese Parameter nicht messbar, weshalb er bei der Auswertung nicht weiter berücksichtigt wurde. Da sich bei den Fällen 1, 9 und 12 keine Interfacemembran gebildet hatte, wurden die Werte bei der Auswertung gleich Null gesetzt und tauchen in der Korrelationsanalyse nach Pearson für die Membran nicht auf.
Statistische Auswertung
Die statistische Auswertung der Daten zeigt, dass BV/TV mit Tb.Th. und Tb.N. einen positiven linearen Zusammenhang hat und mit Tb.Sp. ein negativ linearer Zusammenhang besteht. In Tabelle 4 sind die Werte, die einen linearen Zusammenhang aufweisen, rot gekennzeichnet. Es ist zu sehen, dass die Korrelationen sehr signifikant sind, da sie alle einen p-Wert von < 0,01 aufweisen. Weiter ergibt sich auch ein sehr signifikanter negativer linearer Zusammenhang zwischen Tb.N. und Tb.Sp..