Übersichtsarbeiten - OUP 01/2016
Knochenstrukturanalyse nach Oberflächenersatz an der Schulter
Bei der Korrelationsanalyse der gemessenen Parameter am Interface ergeben sich weder bei der Membrandicke, der Membranlänge noch bei den direkten Knochenkontakten zum Implantat statistisch erkennbare lineare Zusammenhänge.
Die Knochenstrukturparameter BV/TV, Tb.Th. und Tb.N. zeigen bis zu einer Standzeit von ca. 20 Monaten eine Streuung der Werte und folgen dann der linearen Trendlinie. Bei Tb.Sp. liegen die Werte bei geringerer Standzeit näher an der Trendlinie als bei längerer Standzeit.
Die negativen Steigungen der Trendlinien zeigen an, dass mit längerer Standzeit das Knochenvolumen und die Trabekeldicke abnehmen, wobei die Anzahl der Trabekel nahezu unverändert bleibt. In der Folge ist eine tendenzielle Zunahme des Trabekelabstands zu beobachten.
Die Reduzierung des Knochenvolumens im Bereich der Kappe mit zunehmender Standzeit ist signifikant, wobei der niedrige r-Wert anzeigt, dass hier kein linearer Zusammenhang besteht. Die Abnahme der Trabekeldicke ist sehr signifikant und erfolgt linear zur Standzeit (Tab 5).
Ein Zusammenhang zwischen den Strukturparametern des Knochens und dem Alter der Patienten konnte statistisch nicht nachgewiesen werden.
Diskussion
Bei einer Kopfnekrose, einer Omarthrose ohne Glenoidbeteiligung oder einer Defektarthropathie ist prinzipiell der Oberflächenersatz indiziert [5, 6, 7, 8]. Sogar die Kombination mit einem Lattissimus-dorsi-Transfer ist möglich [9].
Radiologische Untersuchungen [10, 11, 12] oder computertomografische Auswertungen [10] nach Humeruskappen-Implantation finden sich nur wenige. Systematische Studien, die sich mit der Knochenstruktur unter der Humeruskappe befassen, liegen nach Wissen der Autoren noch nicht vor. Solche Studien finden sich lediglich zum Oberflächenersatz der Hüfte [13, 14]. Mit bildgebenden Verfahren ist die Knochenstruktur unterhalb einer Kappenprothese nicht darstellbar. Eine histologische Beurteilung des Knochengewebes kann nur mit Hilfe entsprechend aufgearbeiteten Präparaten durchgeführt werden.
Die im Rahmen dieser Studie aufgezeigten, altersunabhängigen Knochensubstanzverluste unter den Humeruskappen sind z.T. bereits nach relativ kurzer Standzeit hoch. Eine vergleichbar rasche Reduzierung der Knochenstruktur zeigte sich bei Studien an Hüftkappenendoprothesen nicht [15, 16, 17]. Bereits in früheren Untersuchungen konnte ein Zusammenhang zwischen der neuen Belastungssituation nach Implantation einer Endoprothese und Veränderungen des periprothetischen Gewebes aufgezeigt werden [18, 19]. Auch bei den Humeruskappen wird die progrediente Knochenabnahme als Folge einer Gewebeentlastung unterhalb der Kappe interpretiert. Die beobachtete Verdichtung der Knochenstruktur in Arealen am Kappenrand (Abb. 4) scheinen dagegen aus einer lokalen Überbelastung mit Mikrokallusbildung [20] zu resultieren. Da keine Angaben zum Zustand der Kappenverankerung (Lockerung) vorlagen, kann nur spekuliert werden, ob erst in der Lockerungsphase Relativbewegungen der Kappe zur Entstehung der Randverdichtung beigetragen haben. Zumindest in den Fällen mit ausgeprägter, bindegewebiger Menbran im Interfacebereich wäre dies zu erwarten.
Die Bewertung der Knochenstruktur wird allerdings durch die Tatsache limitiert, dass keine Informationen zum Knochenstatus zum Zeitpunkt der Kappenimplantation vorliegen. Damit können die Fälle nur in ihrer Gesamtheit in Relation zur Standzeit und unter Berücksichtigung des individuellen Alters bewertet werden. Einzelne Entwicklungsverläufe des Knochengewebes unterhalb der Kappe sind nicht möglich. Auch konnten bisher nur wenige Fälle mit Standzeiten von mehr als 2 Jahren untersucht werden. Unabhängig davon stellt sich aber die Frage, welche Bedeutung die Veränderung der Knochenstruktur für die Verankerung einer Endoprothese im Zuge einer nachfolgenden Wechseloperation hat.
Aus klinischer Sicht lässt sich dazu feststellen, dass das Versagen des Oberflächenersatzes trotz dieser Befunde nicht aufgrund der reduzierten Knochenqualität bedingt ist, sondern aufgrund von Weichteilproblemen (Rotatorenmanschette) oder aufgrund einer Glenoidarosion. Die schlechte Knochenqualität bei Revision eines Oberflächenersatzes erlaubt es jedoch nicht, eine rein metaphysär verankerte Prothese als Revisionsprothese zu wählen. Wählt man in einer solchen Situation als Revisionsprothese beispielsweise eine rein metaphysär verankerte TESS Prothese ohne Stielverlängerung, muss man mit einer erhöhten Rate an Frühlockerungen rechnen [21].
Fazit
Die in der vorliegenden Arbeit durchgeführten quantitativen Untersuchungen zur Veränderung der Knochenstruktur am Humeruskopf nach Implantation einer Oberflächenersatz-Endoprothese zeigen einen Knochenabbau unter der Kappe und eine Knochenstrukturverdichtung am lastaufnehmenden Rand. Die Knochenveränderungen sollten bei einer nachfolgenden Wechseloperation berücksichtigt werden.
Interessenkonflikt: Keine angegeben
Korrespondenzadresse
Prof. Dr. med. Dr. h.c. Jörg Jerosch
Klinik für Orthopädie, Unfallchirurgie und Sportmedizin
Johanna-Etienne-Krankenhaus
Am Hasenberg 46
41462 Neuss
J.Jerosch@ak-neuss.de
Literatur
1. Liem D, Marquardt B, Witt KA, Steinbeck J. Schulterendoprothetik – Biomechanik und Design. Orthopäde. 2007; 36: 1027–36
2. Fink B, Niemeier A, Rüther W. Oberflächenersatz des Humeruskopfs. Orthopäde 2013; 42: 490–4
3. Hahn M, Vogel M, Delling G. Undecalcified preparation of bone tissue: report of technical experience and development of new methods. Virchows Arch A Pathol Anat Histopathol. 1991; 418: 1–7
4. Busse B, Niecke M, Püschel K, Delling G, Katzer A, Hahn M. Polyethylen-Abrieb: Ursache oder Folge einer Endoprothesenlockerung? Untersuchung an festen und gelockerten Hüftendoprothesen. Z Orthop Unfall. 2007; 145: 452–60
5. Jerosch J. Klinische Aspekte des Oberflächenersatzes an der Schulter. Technik in der Orthopädie und Unfallchirurgie 2007; 1: 2–5
6. Jerosch J, Moursi MG, Schunck J. Der Oberflächenersatz bei der degenerativen Omarthrose – klinische und radiologische Ergebnisse. Orthopädische Praxis 2007; 43: 635–641
7. Jerosch J, Moursi MG, Schunck J. Der Oberflächenersatz des Humeruskopfes bei avaskulären Nekrosen und posttraumatischen Zuständen. Obere Extremität 2007; 2: 180–186