Übersichtsarbeiten - OUP 09/2014

Konservative Therapie bei Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises

Zusammenfassend gilt es, eine mögliche Inaktivität des Patienten zu vermeiden und eine dem Ausmaß der entzündlichen Aktivität angepasste Form der Bewegungstherapie durchzuführen. Regelmäßige Bewegung senkt die Mortalität um bis zu 30 % [11]. Die Anwendung der verschiedenen Therapiemöglichkeiten ist abhängig vom akut entzündlichen oder nicht entzündlichen Stadium.

Florides/akut entzündliches
Stadium

Hier bieten sich eher passive Maßnahmen an, z.B. Traktion/passive und assistive Bewegungen sowie die Anwendung von Kryotherapie zur Schmerzlinderung und zum Erhalt der Beweglichkeit. Der von der Applikationsart und -dauer abhängige, antiphlogistische Effekt von lokaler Kurzzeit- und Langzeitkryotherapie konnte mittels Powerdopplerultraschall bei Rheumatoider Arthritis gezeigt werden [12]. Die Erhöhung der Toleranz des Patienten gegenüber einer aktiven Therapie kann ebenfalls zum Positiven beeinflusst werden. Durch Lymphdrainage und isometrische Übungen wird begleitend die Trophik des Gewebes verbessert. Mit der manuellen Therapie können Muskeldetonisierungen sowie Entlastungen von entzündeten Strukturen und Gelenken erreicht werden. Manipulationen sind im akuten Stadium kontraindiziert.

Zusätzlich können Verfahren der Elektrotherapie angewandt werden. Man unterscheidet die Niederfrequenz- sowie die Mittel- und Hochfrequenztherapie. Die Niederfrequenztherapie (z.B. TENS, Iontophorese) dient der Muskelrelaxation und der Analgesie. Mit der Mittelfrequenztherapie (Interferenzstrom) kann die muskuläre Schmerzkomponente gut behandelt werden, während die Hochfrequenztherapie hauptsächlich subakute und chronisch-entzündliche Beschwerden gut anspricht.

Nicht-entzündliches Stadium

Im nicht-entzündlichen Stadium profitiert der Patient von aktiven Bewegungsübungen, die die körperliche Aktivität fördern. Dagfinrud et al. konnten die positive Beeinflussung der Wirbelsäulenbeweglichkeit bei Patienten mit Spondylitis ankylosans nachweisen [13]. Durch die Kräftigung der Muskulatur und Förderung der Koordination können die angrenzenden bzw. betroffenen Gelenke entlastet werden, wodurch eine Schmerzlinderung erreicht wird. Die Schmerzlinderung sollte auch das führende Therapieziel darstellen. Die jeweiligen Therapieformen müssen dem aktuellen Zustand des Patienten angepasst werden. Es sind sowohl konzentrische, exzentrische als auch ausdauernde und koordinative Übungen zu empfehlen. Auf den entsprechenden Gelenkschutz ist zu achten. Hier ist eine fachkundige Anleitung unerlässlich. Die Anwendungen können in einer Einzel- oder Gruppentherapie durchgeführt werden. Durch Aufklärung und Schulung können dem Patienten Therapieinhalte besser vermittelt und eine bessere Compliance erreicht werden. Innerhalb des Krankheitsverlaufs leistet dies auch einen wichtigen Beitrag zur körperlichen und psychischen Stabilisierung des Patienten [14]. Durch isometrisches Training konnte beispielsweise eine Reduktion der Synovitis erreicht werden [15]. Isometrisches Training ist besonders sinnvoll, da der Körper keinen Impulsbelastungen ausgesetzt wird und die Übungen nach entsprechender Anleitung entweder zu Hause oder im Rahmen einer Medizinischen Trainingstherapie an Geräten ausgeführt werden können (Abb. 1).

Van den Ende et al. konnten beispielsweise für Patienten mit Rheumatoider Arthritis über 65 Jahren einen positiven Einfluss auf Muskelstärke und Body-Mass-Index (BMI) durch Medizinische Trainingstherapie (MTT) nachweisen [16]. Mithilfe eines speziellen Gelenkschutzübungsprogramms konnte eine Besserung der Morgensteifigkeit sowie eine Minderung der Handdeformitäten erreicht werden [17, 18]. Allgemein ist zum Einstieg von Bewegungsübungen eine geringe Trainingsintensität zu empfehlen, die entsprechend den geäußerten Beschwerden des Patienten gesteigert oder auch reduziert werden kann. Auch geringe Gewichte können mit mehrfachen Wiederholungen bereits einen entsprechenden Muskelaufbau bewirken. Bei länger anhaltenden Schmerzen nach dem Training sollte eine Änderung des Behandlungsplanes vorgenommen werden. Besonders wichtig ist die aktive körperliche Beanspruchung auch zur Therapie möglicher Begleiterkrankungen, die sich aus den bestehenden, schmerzhaften Bewegungseinschränkungen bei Rheumatoider Arthritis entwickeln können. Hierzu zählen etwa die Osteoporose, Herz-Kreislauf- und Stoffwechselerkrankungen (Tab. 2). Regelmäßige Trainingseinheiten führen zu einer Verbesserung der aeroben Kapazität und Muskelkraft [19].

Sinnvolle Bewegungssportarten für Rheumatiker können in diesem Zusammenhang Walking, Radfahren und Schwimmen sein. Wenn diese nach Anleitung ausgeführt werden, sind kontinuierliche Bewegungsabläufe ohne hohe Belastungsspitzen zu erwarten.

Weitere physikalische Alternativen bietet das Bewegungsbad. Es ist eine sehr gute Möglichkeit, den gesamten Körper aktiv unter Aufhebung der Schwerkraft zu mobilisieren. Zusätzlich kommen lokale Wärmeanwendungen in Betracht, z.B. in Form von Fango oder Moorpackungen. Hier wird durch eine Durchblutungssteigerung und Muskelentspannung im Behandlungsareal eine Schmerzlinderung erreicht.

Zudem dient die Therapie mit Schlingentisch zur Schmerzlinderung und zum Funktionserhalt. Durch die Abnahme der Schwerkraft können Gelenke und umgebende Strukturen entsprechend entlastet, aber auch mit entsprechenden Übungen gekräftigt werden (Abb. 2).

Als weitere Option zeigen Ultraschallapplikationen eine Wirksamkeit auf die Gelenkfunktion bei Rheumatoider Arthritis [20]. Die Wirksamkeit dieser Therapieform beruht auf einer thermischen und mechanischen Wirkung.

Auch die Lasertherapie („low-level laser“) kann zur Schmerzlinderung bei Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises eingesetzt werden. Laut Studienlage kann hiermit eine Linderung der Morgensteifigkeit erreicht werden [21].

Ergotherapie

Die Ergotherapie ermöglicht dem Patienten durch gezielte Übungen der ADL die Selbstständigkeit zu erhalten sowie durch Anpassung spezieller Hilfsmittel (z.B. ergonomisch geformtes Essbesteck) die Eigenversorgung zu ermöglichen. Zu den Hauptaufgaben gehört die Therapie der Hand und Fingergelenke. Bewegungsabläufe, die täglich ausgeführt werden müssen, werden trainiert und bestmöglich für den Patienten angepasst. Verschiedene Studien zeigen einen positiven Effekt bei Rheumatoider Arthritis [22] und den Spondyloarthritiden [23]. Es finden Gelenkschutzunterweisungen und die Vermittlung von Eigenübungsprogrammen zur Kontrakturprophylaxe statt. Auch die Schulung von Angehörigen gehört zu den Aufgaben der Ergotherapie.

Orthopädietechnik

Ein weiteres, wichtiges Glied in der Versorgung der Patienten stellt der Orthopädietechniker / Orthopädieschuhtechniker dar. Die individuelle Anpassung von Hilfsmitteln, z.B. Einlagenversorgung/Maßschuhe/Schuhzurichtungen, ermöglicht dem Patienten einen Erhalt der Selbstständigkeit unter Beachtung einer möglichst geringen Einschränkung durch die orthopädietechnische Versorgung selbst.

Medizinische Beratung und
psychologische Betreuung

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