Arzt und Recht - OUP 02/2018
Kündigungsfrist in der Probezeit*Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 23.3.2017 – 6 AZR 705/15 –
Der erforderliche Anhaltspunkt für die fehlende Eigenständigkeit der in § 8 Ziffer 1 des Arbeitsvertrags festgelegten Kündigungsfrist in den ersten sechs Monaten des Arbeitsverhältnisses ergibt sich entgegen der Auffassung der Revision auch nicht aus § 3 Ziffer 3 des Arbeitsvertrags. Aus Sicht des durchschnittlichen Arbeitnehmers ist mit der Festlegung, dass das Arbeitsverhältnis auch während der Befristung „nach Maßgabe der Bestimmungen des MTV und den gesetzlichen Bestimmungen gekündigt“ werden kann, allein die Kündbarkeit des Arbeitsverhältnisses als solches eröffnet. Welche Frist dabei einzuhalten ist, lässt sich aus dieser Sicht allein § 8 Ziffer 1 des Arbeitsvertrags entnehmen.
Bedeutung der vertraglich
vereinbarten Probezeit
Der Kläger musste auch nicht wegen der Vereinbarung einer Probezeit in der zweiten Ziffer 4 des § 3 des Arbeitsvertrags darauf schließen, dass die Kündigungsfrist des § 8 Ziffer 1 des Arbeitsvertrags erst nach dem Ende dieser Probezeit eigenständige Wirkung entfalten sollte.
Bereits die doppelte Vergabe der Ziffer 4 in § 3 des Arbeitsvertrags legt nahe, dass die darin erfolgte Bestimmung einer Probezeit nur versehentlich in den von der Beklagten vorformulierten Vertragstext aufgenommen worden ist. Im Übrigen enthält § 3 des Vertrags ausschließlich Bestimmungen, die im Zusammenhang mit der vereinbarten Befristung des Arbeitsverhältnisses stehen. Aus Sicht eines durchschnittlichen Arbeitnehmers ist die Vereinbarung einer Probezeit in diesem Zusammenhang verfehlt. Das spricht aus seiner Sicht für die Unbeachtlichkeit der zweiten Ziffer 4 in § 3 des Arbeitsvertrags.
Unabhängig davon konnte ein nicht rechtskundiger durchschnittlicher Arbeitnehmer allein der Vereinbarung einer Probezeit in § 3 zweite Ziffer 4 des Vertrags nicht entnehmen, dass in dieser Probezeit nicht die in § 8 Ziffer 1 des Arbeitsvertrags festgelegte Kündigungsfrist, sondern die in § 9.3 Unterabs. 2 Satz 2 MTV bzw. § 622 Abs. 3 BGB geregelte zweiwöchige Kündigungsfrist gelten sollte.
Allerdings gilt in einer vereinbarten Probezeit die Kündigungsfrist des § 622 Abs. 3 BGB grundsätzlich ohne besondere Vereinbarung (vgl. nur APS/Linck 5. Auflage BGB § 622 Rdnr. 69 mit weiteren Nachweisen). Die Arbeitsvertragsparteien können jedoch auch für die Kündigung in der Probezeit längere Kündigungsfristen vereinbaren (ErfK/Müller-Glöge 17. Auflage § 622 BGB Rdnr. 15).
Eine solche abweichende Regelung ist in § 8 Ziffer 1 des Arbeitsvertrags getroffen.
Dabei kann dahinstehen, ob einem nicht rechtskundigen durchschnittlichen Arbeitnehmer, wie die Revision annimmt, die Auswirkung der Vereinbarung einer Probezeit auf die Länge der in dieser Zeit einzuhaltenden Frist bekannt ist oder ob ein solcher Arbeitnehmer nur davon ausgeht, dass in dieser Zeit noch kein Kündigungsschutz gilt, also die Probezeit mit der Wartezeit des § 1 KSchG gleichsetzt (so vereinzelt auch die ältere Rechtsprechung des BAG, vgl. 5.2.2004 – 8 AZR 639/02 – zu II 3 a der Gründe; 20.8.1998 – 2 AZR 83/98 – zu II 3 der Gründe, BAGE 89, 307).
Jedenfalls galt nach dem Verständnis eines durchschnittlichen Arbeitnehmers aufgrund der konkreten Ausgestaltung des Arbeitsvertrags der Parteien die in dieser Klausel festgelegte Kündigungsfrist schon während der Probezeit. § 3 des Arbeitsvertrags ist mit „Beginn und Dauer des Arbeitsverhältnisses“ überschrieben. Zwar weist die Revision mit Recht darauf hin, dass der Begriff „Dauer“ deutlich macht, dass § 3 auch Regelungen enthält, die Bedeutung für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses haben. Alle folgenden Klauseln dieses Paragrafen beziehen sich jedoch bis zur ersten Ziffer 4 ausschließlich auf die Befristung des Arbeitsverhältnisses. § 3 Ziffer 3 eröffnet während des Befristungslaufs eine Kündigungsmöglichkeit, § 3 erste Ziffer 4 legt die rechtlichen Folgen des Befristungsauslaufs fest. Die folgende Regelung der Probezeit in § 3 zweite Ziffer 4 steht mit den davor stehenden Klauseln in keinem rechtlichen oder inhaltlichen Zusammenhang. Zwar steht, worauf die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hingewiesen hat, die Probezeit begriffsnotwendig am Anfang des Arbeitsverhältnisses. Gleichwohl muss der durchschnittliche Arbeitnehmer nicht davon ausgehen, dass in einem vom Arbeitgeber vorformulierten Vertrag unter der Überschrift „Beginn und Dauer des Arbeitsverhältnisses“ Bestimmungen erfolgen sollen, die die Länge der Kündigungsfrist berühren, wenn zugleich in einer anderen Klausel, die ausdrücklich mit „Beendigung des Arbeitsverhältnisses“ überschrieben ist, die Kündigungsfrist ohne jede Ausnahme festgelegt ist. Das gilt umso mehr, als der von der Beklagten vorformulierte Vertrag außerordentlich komplex ist und zahlreiche verästelte Regelungen enthält. Der Kläger konnte deshalb erwarten, dass die Beklagte in dem Vertrag die Fallgestaltungen aufführen würde, in denen sie eine von der Frist des § 8 Ziffer 1 abweichende Frist festlegen wollte. Das ist nicht geschehen. An keiner Stelle des Arbeitsvertrags wird für den durchschnittlichen Arbeitnehmer deutlich, dass die Beklagte als Verwenderin kündigungsrechtlich Konsequenzen aus einer vereinbarten Probezeit ziehen, insbesondere für den Beginn des Arbeitsverhältnisses kürzere Kündigungsfristen vorsehen wollte. Eine Kündigungsfrist ist ausdrücklich nur in § 8 Ziffer 1 des Arbeitsvertrags ohne Ausnahmeregelung für die Dauer der Probezeit festgelegt. Allein diese Frist ist deshalb aus Sicht des durchschnittlichen Arbeitnehmers von Beginn an und damit auch bereits während der Probezeit für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses maßgeblich.
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