Übersichtsarbeiten - OUP 01/2014
Läsionen des vorderen Kreuzbands im Kindes- und Jugendalter
Verschiedene Autoren zeigten, dass ein Teil der Kinder bei konservativer Therapie einer intraligamentären VKB-Ruptur innerhalb des ersten Jahres sekundäre Meniskusschäden entwickelt [2, 6, 9, 13, 14, 15], die Inzidenzen werden bis zu 75 % angegeben. Bei McCarroll [13] entwickelten von 38 Kindern nach konservativer Behandlung ihres Kreuzbandschadens 27 Kinder Meniskusläsionen. Bei Mizuta [14] entwickelte die Hälfte der Kinder (9 von 18) einen sekundären Meniskusschaden.
Die Menisken stellen bei einer vorderen Kreuzbandruptur den sekundären Stabilisator dar, sodass es wahrscheinlich aufgrund der sagittalen Instabilität zu rezidivierenden Läsionen an den Menisken kommt. Bei anhaltender Instabilität, dies wird in bis zu 90 % angegeben, kann im Laufe der Zeit der Gelenkknorpel vor allem posteromedial geschädigt werden. Nur ein kleiner Prozentsatz der konservativ behandelten Kinder erreicht nach einer VKB-Ruptur eine vollständige Wiederaufnahme ihrer sportlichen Aktivitäten. In einer selektiven Literaturrecherche [5] mit Auswertung des Sportniveaus zeigte sich ein signifikanter Unterschied zugunsten der operativen Therapie. Das ursprüngliche Sportniveau wiedererlangen konnten in der operierten Gruppe 91,2 %, in der konservativ versorgten Gruppe 30,9 % der Kinder [5].
Es wird auch vereinzelt über gute Ergebnisse nach konservativer Behandlung berichtet, jedoch mussten die Kinder hier konsequent Orthesen tragen und erhielten ein strenges Sportverbot. In den allermeisten Fällen sind es gerade jene Kinder mit einem hohen Aktivitätsniveau, die sich eine Kreuzbandruptur zuziehen. Es ist zweifelhaft, ob sich gerade Kinder mit einer hohen Affinität zum Sport an das Verbot halten. Mit schmerzlosem Knie und häufig schlechter Instabilitätswahrnehmung ist es für die Kindern schwierig, den Sinn des Verbotes dauerhaft nachzuvollziehen [3, 15, 20].
Versuche einer primären Naht unter der Vorstellung, dass sich das vordere Kreuzband beim Kind mit seinem hohen Regenerationspotenzial möglicherweise stabil regenerieren könnte, scheiterte mit chronischen Instabilitäten und schlechten klinischen Ergebnissen [2, 14, 15]. Auch die Augmentation des intraligamentär rupturierten VKB führte beim Kind und Jugendlichen zu schlechten Ergebnissen mit chronischen Instabilitäten.
Problematisch ist, dass Kinder das subjektive Gefühl der Instabilität häufig nicht als solches erkennen und benennen können. Die Instabilitäts- und Subluxationsphänomene werden vom Kind meist nicht als problematisch erkannt. Dass die Instabilität doch schwerwiegend ist, erkennt man daran, dass Kinder mit der verbliebenen Stabilität häufig nicht mehr zurechtkommen und sie sportlich weniger aktiv sind als vor dem Unfall oder den geliebten Sport sogar aufgeben.
Entscheidet man sich für eine konservative Therapie, sollten die Kinder regelmäßig nachuntersucht und geführt werden. Es kann sich als schwierig herausstellen, die Kinder in ihrem Bewegungsdrang und ihrer Aktivität zu bremsen. Aus unserer Erfahrung heraus sind es gerade die sportlich aktiven Kinder, die eine Kreuzbandruptur erleben. Manche Autoren empfehlen für den Sport eine Bandage [15, 20]. Sollte ein Kind mit einer VKB-Ruptur über Beschwerden am Kniegelenk klagen, sind wir aufgrund der hohen Inzidenz eines sekundären Meniskusschadens von bis zu 75 % der Auffassung, zügig ein NMR durchzuführen.
Die komplette Ruptur des VKB hat auch beim Kind kein Potenzial zur Regeneration. Das Kreuzband wird entweder resorbiert oder es kommt zu einer Vernarbung auf dem hinteren Kreuzband.
Wegen der schlechten Ergebnisse der konservativen Therapie wurden verschiedene Kreuzbandersatztechniken eingesetzt.
Die kniegelenknahen Wachstumsfugen sind für ca. 70 % des Längenwachstums des Beines verantwortlich. Aufgrund der Befürchtung, dass es
bei epiphysenfugenkreuzenden Rekonstruktionen insbesondere femoral zu
einem vorzeitigen Wachstumsfugenschluss mit Entwicklung von Achsabweichungen bzw. Beinlängendifferenzen kommen könnte, wurden Techniken entwickelt, die die Wachstumsfugen nicht verletzen.
Eine dieser Techniken ist das transepiphysäre tibiale Vorgehen mit Umgehung der femoralen Wachstumsfuge mit der sog. „Over-the-top“-Technik. Mit dieser Technik sind mittelfristig gute Ergebnisse erzielt worden [11]. Sie wird vor allem bei Kindern mit einem erheblichen Restwachstum empfohlen. Es wird dabei ein Kompromiss zwischen nicht-anatomischer und nichtisometrischer Position der Ersatzplastik einerseits und der Schonung der femoralen Wachstumsfuge andererseits eingegangen. Vorstellbar ist dennoch, dass es bei dieser Technik bei aggressiver Präparation zu einer Verletzung der perichondralen Strukturen und damit zu einem Fehlwachstum kommen kann. Um sowohl die tibiale als auch die femorale Wachstumsfuge zu schonen, hat Anderson [1] eine rein epiphysäre Technik vorgestellt. Problematisch ist bei einer tangentialen Verletzung der Wachstumsfuge die Wahrscheinlichkeit, dass es zum Fehlwachstum kommt.
Bekannt ist aufgrund tierexperimenteller Untersuchungen [7, 8, 16], dass die Epiphysenfuge ein bestimmtes Ausmaß an Verletzung toleriert, ohne dass es zur Epiphyseodese kommt. Im Tierexperiment wurde gezeigt, dass bei einer Epiphysenverletzung zwischen 5–10 % der Fläche der Wachstumsfuge eine Wachstumsstörung nicht zu erwarten ist. Kerscher [10] konnte in einer 3D-MRT Untersuchung zeigen, dass ein Bohrkanal von 8 mm bei Kindern über 10 Jahren zu einem Verletzungsvolumen der Fuge unter 3 % führt. Eine Erhöhung des Bohrkanaldurchmessers um 1 mm führt zu einer zusätzlichen Schädigung von 1,1 %.
Im Tierexperiment [4, 18] konnte gezeigt werden, dass eine Durchbohrung der Epiphysenfuge mit Einzug einer Sehne zu keinen Wachstumsstörungen der Epiphysenfuge führt. Anders ist dies, wenn der Bohrkanal nicht mit einem Weichteilinterponat besetzt wird, hier kann es zu einer Knochenbrückenbildung mit konsekutivem Epiphysenfehlwachstum im Sinne einer Entwicklung einer Beinachsenfehlstellung bzw. Beinlängendifferenz kommen.