Übersichtsarbeiten - OUP 02/2014
Leitlinie zur konservativen und rehabilitativen Versorgung bei Bandscheibenvorfällen mit radikulärer Symptomatik1Gekürzte Version der Originalfassung vor Bestätigung der Aktualisierung durch die DGOOC
V. Stein, B. Greitemann, H. Bork
Zusammenfassung: Die Leitlinie wurde in einem Konsensusverfahren einer interdisziplinär aufgestellten Expertengruppe erarbeitet, bestehend aus Vertreterinnen und Vertreter des Berufsverbands für Orthopäden und Unfallchirurgen, der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie, Sektion Physikalische Therapie und Rehabilitation, der Sektion Technische Orthopädie und Orthopädieschuhtechnik der DGOOC (VTO), des Deutschen Verbands für Physiotherapie, des Deutschen Verbands der Ergotherapeuten, der Deutschen Gesellschaft für Psychologische Schmerzforschung und -therapie sowie durch Beteiligung eines Vertreters der Sportwissenschaften und Vertretern der Deutschen Rentenversicherung.
Die neu erstellte Leitlinie wurde auf der bisher bei der AWMF veröffentlichten Leitlinie „Rehabilitation bei Bandscheibenvorfall … und nach Bandscheibenoperation“ aufgebaut, von der Sektion Physikalische Therapie und Rehabilitation der DGOOC unter Begleitung der Autoren Greitemann und Stein erarbeitet. Die jetzt neu erstellte Leitlinie wurde der Kommission 05 der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie zur Bestätigung als aktualisierte Leitlinie der DGOOC zugeleitet und soll dann die alte Leitlinie (Register-Nr. 033/48) ersetzen.
Die Originalfassung der neuen Leitlinie wird nachfolgend als gekürzte Version publiziert, die notwendigen Textauslassungen sind durch „…“ kenntlich gemacht.
Schlüsselwörter: Leitlinie, Bandscheibenvorfall mit radikulärer Symptomatik, Rehabilitation
Zitierweise
Stein V, Greitemann B, Bork H. Leitlinie zur konservativen und rehabilitativen Versorgung bei Bandscheibenvorfällen mit radikulärer Symptomatik.
OUP 2014; 2: 052–063. DOI 10.3238/oup.2014.0052–0063
Abstract: The article includes the short form of the new
guideline on non-operative (conservative) and rehabilitative treatment of patients with radicular symptoms due to disc degeneration which will be published by German Association of Orthopaedic and Trauma Surgeons (DGOOC). It has been developed in an interdisciplinary group of orthopedic surgeons and other health care specialists including psychologists, physiotherapists, occupational therapists and other specialties. It includes a treatment algorithmus and recommendations based on literature review.
Keywords: guideline, disc degeneration with radicular symptoms, rehabilitative treatment
Citation
Stein V, Greitemann B, Bork H. Guideline on non-operative and rehabilitative treatment of disc degeneration with radicular symptoms.
OUP 2014; 2: 052–063. DOI 10.3238/oup.2014.0052–0063
Inhaltsverzeichnis
Algorithmus der Behandlung bei
bandscheibenbedingten Beschwerden
Vorwort
1. Definition der Krankheitsbilder
2. Grundlegendes Vorgehen
2.1 Grundlegende Diagnostik
2.2 Allgemeine Hinweise zu den Therapieformen
2.2.1 Schmerztherapie
2.2.2 Gesundheitsbildung und Information
2.2.3 Bewegungstherapie
2.2.4 Physiotherapie
2.2.5 Ergotherapie
2.2.6 Manuelle Therapie
2.2.7 Orthesen
2.3 Nachsorge und berufliche Reintegration
2.3.1 Nachsorgekonzept
2.3.2 Berufliche Wiedereingliederung
3. Empfehlungen (? Originalfassung der Leitlinie)
4 Glossar
5 Literatur (? Originalfassung der Leitlinie)
6 Autorenverzeichnis
Vorwort
Die vorliegende Leitlinie behandelt die konservative und rehabilitative Versorgung bei Bandscheibenvorfällen. Dabei sollen bewusst die akuten, subakuten, chronischen Zustände des Krankheitsbildes dargestellt und besprochen werden. Die operativen Verfahren sind Bestandteil einer separaten Leitlinie und werden hier nicht behandelt. …
Ziele der Leitlinie
Leitlinien stellen eine Orientierungshilfe für den klinischen Alltag dar. In ihnen wird das umfangreiche Wissen der beteiligten Berufsgruppen unter Beachtung der aktuellen Forschungsergebnisse zusammengefasst. Dieses Wissen wird den klinisch tätigen Ärzten und Therapeuten als konkrete und explizit ausformulierte Entscheidungshilfe zur Verfügung gestellt. Sie sollten als Handlungs- und Entscheidungskorridor gesehen werden, von dem in begründeten Fällen auch abgewichen werden kann.
Der Leitlinie ist ein klinischer Algorithmus vorangestellt (s. Abb. 1), der die Abläufe übersichtlich darstellt und die unterschiedlichen Anforderungen bezüglich konservativer und operativer Behandlungsoptionen berücksichtigt. Den jeweiligen Elementen des Algorithmus sind im Textteil dieser Leitlinie die notwendigen Informationen zugeordnet.
Bei der Bearbeitung wurde nach Würdigung der Literatur eine Empfehlung zu den jeweiligen Therapiearten gegeben, die sich an folgendem Schema orientiert:
- Kann angewendet werden: Es liegen keine überzeugenden Studien mit Wirknachweis vor, es gibt aber auch keine generellen Kontraindikationen.
- Sollte angewendet werden: Es gibt einzelne Studien mit Nachweis einer Wirkung.
- Soll angewendet werden: Es handelt sich um evidenzbasierte Therapien auf der Basis hochwertiger Studien.
- Patientenzielgruppe
Die vorliegende Leitlinie gibt Handlungsempfehlungen und legt die notwendigen diagnostischen und therapeutischen Schritte fest, auf Basis derer Patientinnen und Patienten mit Bandscheibenvorfall und radikulärer Symptomatik bzw. nach Bandscheibenoperation behandelt werden sollen. Ziel der Leitlinie ist, die Einschränkungen der Gesundheit und körperlichen Leistungsfähigkeit dieser Patienten zu reduzieren oder zu beseitigen und die Ursachen der Beschwerden aufzudecken.
Berufszielgruppen
Die vorliegende Leitlinie wendet sich an alle Berufsgruppen, die an der medizinischen Rehabilitation von Patienten mit Bandscheibenvorfall oder nach Bandscheibenoperation beteiligt sind.
Dies sind die Ärzte, Ergotherapeuten, Krankenschwestern/-pfleger, Ökotrophologen, Physiotherapeuten, Psychologen, Sozialarbeiter, Sozialpädagogen und Sportlehrer mit Schwerpunkt Rehabilitationsmedizin.
Ferner wendet sich diese Leitlinie auch an die Leistungsträger und die Patienten.
1 Definition der Krankheitsbilder
Bandscheibendegenerationen können prinzipiell in jedem Wirbelsäulenabschnitt auftreten, bevorzugt aber in der Hals- und Lendenwirbelsäule. In diesen Bereichen dominieren die Areale, die Übergangsregionen zwischen festen Skelettelementen und flexiblen Wirbelsäulenanteilen sind, so die untere Halswirbelsäule (im räumlichen Kontakt zum fixierten Brustkorb) und die untere Lendenwirbelsäule (im räumlichen Kontakt zum Becken). Durch Bandscheibendegeneration hervorgerufene Krankheitsbilder als Hals- und Lendenwirbelsäulen-Syndrome sind häufig. Epidemiologische Praxisstudien [160] zeigten, dass 36 % der Erkrankungen auf die Halswirbelsäule und 62 % auf die Lendenwirbelsäule entfallen. 1/3 entfallen auf die HWS, 2/3 auf die LWS, Thorakalsyndrome sind mit 2 % eher selten.
Die Angaben in der Literatur über die Punktprävalenz (Rückenbeschwerden heute) variieren zwischen 30 % und 40 %. Dagegen liegen die Zahlen über die 12-Monats-Prävalenz mit über 60 % weit höher [164, 165, 163, 161, 162]. Lockerungen, Vorwölbungen und Vorfälle des Bandscheibengewebes können die Ursachen sein.