Übersichtsarbeiten - OUP 03/2024
Matrixaugmentierte Knochenmarkstimulation (mBMS) am Schultergelenk
Die Operation erfolgt in Beachchair-Lagerung, der Arm wird in einem pneumatischen Spider-Armhalter montiert und stabilisiert. Bei der diagnostischen Arthroskopie wird ein großflächiger drittgradiger Knorpelschaden am Humuskopf bestätigt. Es erfolgt im Rahmen des CAM-Procedure nach Millet [4] die Bergung freier Gelenkkörper, ein ausgedehntes Débridement des Knorpelschadens am Humeruskopf mit Resektion von lockeren Gewebsanteilen im Sinne einer Chondroplastik und die zusätzliche Tenotomie der langen Bizepssehne. Anschließende Rotatorenmanschetten-Intervalleröffnung mit Synovektomie und Débridement der Subscapularissehne sowie die Inspektion der Supraspinatussehne aus gelenkseitiger und bursaseitiger Perspektive zum Ausschluss einer Ruptur. Das rupturierte Labrum wird nach Anfrischung mit einem knotenlosen Anker auf der 1:30-Uhr-Position refixiert. Die knorpelregenerativen Maßnahmen beinhalten eine gründliche Präparation des Defektgrundes mit abgewinkelten scharfen Löffeln und Küretten. Nach dem Débridement findet sich eine Ausdehnung des Knorpelschadens auf kreisrunder Fläche mit rund 30 mm Durchmesser. Dort wird eine Mikrofrakturierung vorgenommen. Nach Ablassen der Spülflüssigkeit wird der Austritt von Blut aus den Kanälen der Mikrofrakturierung dokumentiert. Zur Implantation der Hyalofast-Membran© wird eine für die Hüftarthroskopie entwickelte Halfpipe als Shuttle-Instrument benutzt. Mit dem Tasthaken wird die Membran, welche im Verlauf durch das austretende und gerinnende Blut aus den Knochenkanälen adhärent wird, platziert. Durch Einspülen und erneutes Ablassen von Spülflüssigkeit kann bereits nach kurzer Dauer die Anheftung der Matrix ohne Tendenz zur Dislokation dokumentiert werden. Nach Beendigung des intraartikulären Anteils der CAM-Prozedur erfolgt die subacromiale Dekompression mit Bursektomie und sparsamer Resektion des knöchernen Akromion-Sporns und die Beurteilung der Supraspinatussehne mit Feststellung intakter Strukturverhältnisse aus der bursaseitigen Perspektive (Abb. 1–5).
Postoperativer Verlauf
Im weiter ambulanten Beobachtungszeitraum erfolgen regelmäßige klinische Kontrollen sowie MRT-Bildgebungen mit Knorpelsequenzen zur Beurteilung des Regenerates nach ein und zwei Jahren. Hierbei kann ein gutes Knorpelregenerat dargestellt werden. In der Kontrolluntersuchung nach 6 Monaten berichtete die Patientin, dass sie wieder sportlich aktiv sei und auch klettern könne. Der im EQ5D-Schulter bemessene Gesundheitszustand wird nach 6 Monaten mit 81 angegeben. Nach 12 Monaten liegt die VAS bei 3, der Gesundheitszustand wird mit 65 angegeben. Klettern kann die Patientin nach einem Jahr nicht mehr, da die Kraft fehlt. Nach 2 Jahren gibt die Patientin einen Gesundheitszustand von 71 an. Der VAS-Wert liegt weiterhin bei 3. In der klinischen Nachuntersuchung bietet die Patientin unter Angabe von hoher Zufriedenheit einen Constant-Score von 65 Punkten. Somit verbleibt noch eine deutliche Einschränkung der Schulterfunktion, die jedoch im Vergleich zur präoperativen Situation (Constant Score = 16) eine erhebliche Verbesserung der Funktion bei subjektivem Wohlbefinden darstellt.
Postoperative Bildgebung
Von der Überörtlichen Gemeinschaftspraxis für Radiologie und Nuklearmedizin Duisburg-Dinslaken wurden zur postoperativen Beurteilung des Knorpels speziell entwickelte PD-Sequenzen angefertigt. Nach einem Jahr (Abb. 6, 7) war bereits ein nahezu vollschichtiges Regenerat entstanden. In der Verlaufskontrolle nach 2 Jahren fand sich ein den ehemaligen Defektbereich umfassend deckendes Knorpelgewebe (Abb. 8, 9). Die subchondrale knöcherne Grenzlamelle verblieb nach der Behandlung formverändert, bildete jedoch keinen knöchernen Bump aus, was sonst häufig nach Mikrofrakturierungen zu beobachten ist.
Diskussion
Der vorliegende Fall zeigt einen erfolgreichen Therapieverlauf nach knorpelreparativem Vorgehen durch Mikrofrakturierung und Implantation einer fermentierten Hyaluronsäure-Membran und CAM-Prozedur mit kurzzeitigem Rückgewinn der sportlichen und dauerhaftem Rückgewinn der beruflichen Aktivität. Durch Millet et al. wurde die Wirksamkeit der CAM-Prozedur nachgewiesen. Welchen Anteil die knorpeltherapeutische Behandlung am Gesamtergebnis trägt, ist nicht klar. Allerdings zeigt die bildgebende Diagnostik im Verlauf eine weitgehende Wiederherstellung des Knorpelschadens mit neu entstandenem Knorpelgewebe im ursprünglichen Defektbezirk. Ob durch die geschilderte Kombinationsbehandlung Knorpeltherapie und CAM-Prozedur ein reproduzierbares und zuverlässiges Therapieverfahren besteht, welches Vorteile gegenüber der alleinigen CAM-Prozedur zeigt, muss in weiteren Fällen untersucht und wissenschaftlich aufgearbeitet werden. Vermutlich stellt die matrixaugmentierte Knochenmarkstimulation auch am Schultergelenk eine sehr gute Therapiealternative zur aufwendigeren autologen Chondrozytentransplantation oder zur Transplantation osteochondraler Zylinder dar. Die matrixaugmentierte Knochenmarkstimulation kann somit eine weitere Behandlungsstrategie zum Hinauszögern eines Gelenkersatzes bedeuten.
Interessenkonflikte:
Keine angegeben.
Das Literaturverzeichnis zu
diesem Beitrag finden Sie auf:
www.online-oup.de.
Korrespondenzadresse
Dr. med. Christoph Werry
GFO Kliniken Niederrhein
St. Vinzenz Hospital Dinslaken
Dr.-Otto-Seidel-Str. 31–33
46535 Dinslaken
christoph.werry@st-vinzenz-hospital.de