Übersichtsarbeiten - OUP 03/2014

Minimalinvasiv durchgeführte distale Metatarsale-Schrägosteotomie zur Behandlung der Metatarsalgie
Erste klinische, radiologische und pedographische ErfahrungenFirst clinical, radiologic and pedographic experience

J. Hamel1, M. Nell2

Zusammenfassung: Es wird im Rahmen einer retrospektiven Analyse über die ersten 76 Patienten mit Metatarsalgie aus einem 2-Jahres-Zeitraum berichtet, die mit einer minimalinvasiv durchgeführten Metatarsale-Schrägosteotomie ohne osteosynthetische Fixierung (DMMO) behandelt wurden. 31 der 33 zuerst operierten Patienten konnten im Mittel 8,5 Monate postoperativ beobachtet werden, bei den 43 später operierten Patienten wurden Besonderheiten im Heilungsverlauf, Restbeschwerden und Re-Operationen anhand der Krankenunterlagen eruiert. Die vorbestehende Metatarsalgie zeigte sich in allen Fällen klinisch gebessert. Extensionskontrakturen traten nur in wenigen Fällen auf. Bei 45 Patienten konnte zusätzlich zu der präoperativ erhobenen pedographischen Untersuchung auch postoperativ die Druckverteilung gemessen werden. Es zeigte sich eine deutliche relative Umverteilung der Druckmaxima im angestrebten Sinn in allen Fällen. Radiologisch wurden Heilungsverzögerungen ohne klinisches Korrelat häufig beobachtet.

Schlüsselwörter: Metatarsalgie, minimalinvasive Metatarsal-Osteotomie, Pedographie, Weil-Osteotomie

Zitierweise
Hamel J, Nell M. Minimalinvasiv durchgeführte distale Metatarsale-Schrägosteotomie zur Behandlung der Metatarsalgie.
OUP 2014; 3: 118–122. DOI 10.3238/oup.2014.0118–0122

Abstract: A retrospective evaluation of the first 76 patients suffering from metatarsalgia treated by distal metatarsal minimally-invasive osteotomy (DMMO) without internal fixation during a 2-year-period is presented. 31 of 33 primarily operated patients were followed for 8,5 months in the mean, 43 patients, treated later, were evaluated only concerning healing abnormalities, complaints and re-operations. Metatarsalgia could be improved in all cases. Extension-contracture was observed only in few cases. In 45 patients pre- and postoperative pedography could be compared and showed improvement of relative load distribution as desired. Delayed bony healing was common, but not combined with pain.

Keywords: metatarsalgia; minimally-invasive metatarsal osteotomy, pedography, Weil’s osteotomy

Citation
Hamel J, Nell M. Minimally-invasive metatarsal osteotomy for treatment of metatarsalgia. OUP 2014; 3: 118–122. DOI 10.3238/oup.2014.0118–0122

Einleitung

Die Metatarsalgie mit chronischer mechanischer Überlastung zentraler Mittelfuß-Strahlen gehört zu den häufigsten Erkrankungen des Fußes. Nach Ausschöpfung konservativer Behandlungsmaßnahmen kommen unterschiedliche orthopädisch-chirurgische Behandlungs-Optionen in Betracht. Seit den 90er-Jahren ist die distale Metatarsale-Schrägosteotomie nach Weil [1] sehr populär, wie z.B. ein Expertengespräch der Deutschen Assoziation für Fuß und Sprunggelenk e.V. (D.A.F.) in Baden-Baden 2007 zu dieser Osteotomie-Form und den mit ihr verbundenen Problemen zeigte [2]. Auch vom Erst-Autor wurde die offene Weil-Osteotomie in vielen hundert Fällen angewandt. Mit dem Aufkommen minimalinvasiver Techniken in der Fuß- und Sprunggelenkchirurgie etablierte sich eine dem Weil-Verfahren nachempfundene Osteotomie-Technik (DMMO = distale minimalinvasive Metatarsale-Osteotomie) ohne offenen Zugang und ohne Osteosynthese. Über die ersten Erfahrungen mit dieser im deutschsprachigen Raum noch relativ neuen Methode seit Anfang 2011 soll in Form einer retrospektiven Analyse der eigenen Fälle berichtet werden.

Material und Methode

Die Indikation zur DMMO wurde gestellt, wenn – überwiegend im Rahmen weiterer Mittel- oder Vorfußchirurgischer Eingriffe – klinisch ausgeprägte konservativ therapieresistente Beschwerden im Sinne einer Metatarsalgie bestanden bei gleichzeitig pedobarographisch nachweisbarer Erhöhung des Spitzendrucks. Als weitere Kriterien flossen eine Pathologie im Bereich des Grundgelenks (Instabilität, Hyperextension, Transversal-Ebenen-Fehlstellung) und eine relative Überlänge einzelner Metatarsalia mit in die Entscheidung für eine DMMO ein. Keines dieser Indikations-Kriterien wurde quantitativ näher definiert, sodass die Festlegung für oder gegen eine DMMO im Gespräch mit dem Patienten aus der jeweiligen Symptomen-Konstellation heraus individuell entwickelt wurde. Auch wurde in einzelnen Fällen die präoperativ geplante Anzahl der Osteotomien je nach intraoperativem Röntgenbild während des Eingriffs erweitert. Als Ausschluss-Kriterien für die alleinige DMMO wurden höhergradige Instabilitäten des Metatarsophalangeal-Gelenks oder irreponible Luxationen gewertet, bei denen entweder in offener Technik (ggf. auch in Kombination) vorgegangen, oder (in 3 Fällen) ein Beugesehnentransfer zusätzlich zur DMMO vorgenommen wurde.

Im 2-Jahres-Zeitraum von Februar 2011 bis Januar 2013 wurde bei 76 Patienten mindestens eine retrokapitale Metatarsale-Schrägosteotomie in minimalinvasiver Technik durchgeführt. Alle Eingriffe wurden vom gleichen Operateur (JH) vorgenommen, der über langjährige Erfahrung mit der offenen Weil-Osteotomie verfügte. Es handelte sich insgesamt um 217 Osteotomien. Die Patienten (69 Frauen, 7 Männer) waren zum Zeitpunkt des Eingriffs im Mittel 61,5 Jahre alt (18 bis 84 Jahre). In 12 Fällen wurde kein Eingriff im Bereich des ersten Strahls durchgeführt, bei allen anderen Patienten wurden knöcherne Eingriffe am ersten Strahl in offener Technik vorgenommen (s. Tab. 1). Bei 4 Patienten bestand ein Zustand nach früherer Weil-Osteotomie in offener Technik mit ungenügender Entlastung des Metatarsale-Kopfes, sodass eine DMMO (unter Belassung der Schraube) durchgeführt wurde. Zusätzlich (in offener Technik) vorgenommene Zehenkorrekturen wurden für diese retrospektive Analyse nicht näher berücksichtigt.

Die DMMO wurde unter BV-Kontrolle in der von de Prado [5] angegebenen Technik durchgeführt. Nach einer Stichinzision leicht lateral des zu behandelnden Metatarsale wurde dieses mit Raspatorium subperiostal nach plantar und dorsal umfahren und das Periost abgeschoben. Mit einer langen, niedertourig betriebenen Fräse wurde von proximal-plantar nach distal-dorsal osteotomiert, wobei besonders auf eine möglichst schräge Osteotomie-Richtung geachtet wurde. Das distal-dorsale Ende der Osteotomie wurde soweit möglich in die Nähe der Knorpel-Knochen-Grenze des Metatarsal-Kopfs gelegt. Mittels BV wurde die Vollständigkeit der Osteotomie und die ausreichende Mobilität des Kopf-Fragments überprüft und bedarfsweise der Fräsvorgang in Einzelfällen nochmals wiederholt. Durch Redressionsverbände wurde besonders auf weitestmögliche Plantarflektion der Grundgelenke postoperativ geachtet. Postoperativ wurde 6 Wochen im steifsohligen Verbandschuh mit primärer Teilbelastung und Vollbelastung ab 3.–4. p.o. Woche behandelt. Nur bei gleichzeitig durchgeführter Lapidus-Arthrodese wurde 6 Wochen teilbelastet.

Anzahl und Verteilung der durchgeführten Osteotomien in Gruppe A und B gibt Tabelle 2 an. Für die Festlegung der zu behandelnden Strahlen wurden klinische Parameter (Schmerzangabe, Beschwielung), die pedographisch dokumentierte Lastverteilung (hier insbesondere der Spitzendruck), und das Metatarsal-Alignment bewertet. Da mit zunehmender Erfahrung mit der DMMO kein Nachteil bei Einbeziehung weiterer Strahlen gesehen wurde, wurden in zunehmenden Maße Serien-Osteotomien vorgenommen.

Die retrospektive Analyse erfolgte anhand der Krankenunterlagen. Alle Patienten wurden 6 Wochen postoperativ klinisch und radiologisch (unter Belastung des Fußes) kontrolliert. Die ersten 100 Osteotomien (33 Patienten) wurden näher nachverfolgt (Gruppe A) und Patienten, deren beurteilbare Verläufe weniger als 6 Monate betrugen, wurden nochmals einbestellt. Bei den 43 ab Juni 2012 operierten Patienten (Gruppe B) wurden ausschließlich die Unterlagen der nach der 6-Wochen-Kontrolle nur unregelmäßig durchgeführten Kontroll-Untersuchungen herangezogen. Ein klinischer Score wurde nicht verwendet.

Ausgewertet wurden die subjektiv erreichten Ergebnisse, insbesondere die Frage nach Restbeschwerden oder erforderlichen Nachoperationen, die prä- und postoperativ gefertigten Röntgenaufnahmen unter Belastung des Fußes sowie die in allen Fällen vorliegenden präoperativen Pedographien und die in 45 Fällen vorliegenden postoperativen Pedographien.

Ergebnisse

Klinische Ergebnisse (Gruppe A)

In Gruppe A liegen klinische Ergebnisse über die 6-Wochen-Kontrolle hinaus in 31 von 33 Behandlungsfällen vor (94 %). Die mittlere Beobachtungszeit betrug 8,5 Monate (1,5 bis 23 Monate). Die präoperativ bestehende Metatarsalgie war in allen Fällen deutlich gebessert, lediglich bei einer Patientin persistierte sie in leichter Form. Auffällig war im Vergleich mit der früher durchgeführten offenen Technik, dass in den ersten postoperativen Wochen auch bei Mehrfach-Osteotomien kaum über erhebliche Beschwerden geklagt wurde. Eine Patientin berichtete über unspezifische Beschwerden noch nach 11 Monaten im OP-Gebiet, eine andere entwickelte im Beobachtungszeitraum operationsunabhängig eine bandscheibenbedingte Fußheberschwäche. Folgeeingriffe waren bisher in keinem Fall erforderlich. Bei 3 Patienten wurde ein unvollständiger Bodenkontakt einer Kleinzehe festgestellt.

Röntgen-Verläufe (Gruppe A)

Die radiologischen Verläufe zeigten häufig über Monate (in einem Fall bis zu 13 Monate, vgl. Abb. 2) bestehende Heilungsverzögerungen, die jedoch in allen Fällen späterer Kontrollen (über 6 Wochen postoperativ hinaus) nicht mit Belastungs-Schmerzen verbunden waren. Das Verkürzungsausmaß erschien insgesamt eher geringer als bei den früher in offener Technik behandelten Patienten (vgl. Abb. 1). Auffällig war in mehreren Fällen erheblicher Transversalebenen-Deformität, dass es spontan zu einer z.T. erheblichen Seitversetzung des Kopffragments gegenüber dem Metatarsale-Schaft kam bei in den meisten Fällen guter Korrektur der Zehendeformität in der Transversalebene (Abb. 2 und 3).

Pedographische Ergebnisse
(Gruppe A)

In 22 der 33 Fälle konnten neben den präoperativen Pedographien auch postoperative Untersuchungen mindestens 3 Monate nach dem Eingriff durchgeführt werden. Da in den meisten Fällen auch am ersten Strahl Veränderungen vorgenommen wurden, sind die Veränderungen im zentralen Mittelfußbereich nicht leicht zu deuten. Es kam jedoch in allen diesen Fällen zu einer relativen Umverteilung der Spitzendruck- und Kraft-Verteilung im Mittelfußbereich im angestrebten Sinn (Abb. 4). Dabei sank der präoperativ erhöhte Spitzendruck allerdings nicht in allen Fällen, was auch durch die erreichte verminderte Schmerzhaftigkeit begründet sein kann (Abb. 5).

Ergebnisse Gruppe B

Die Patienten der Gruppe B mit erst kurzer Beobachtungszeit konnten bisher nur zu 79 % über die in allen Fällen durchgeführte 6-Wochen-Kontrolle hinaus beobachtet werden. Die mittlere Beobachtungszeit lag bei 5,5 Monaten (1,5 bis 12 Monate). 4 Patienten wiesen noch deutliche Restbeschwerden auf. Bei einer in offener Technik nach Weil voroperierten Patientin war etwa 8 Monate nach DMMO eine Arthrolyse wegen Extensionskontraktur der Grundgelenke erforderlich. Die in 23 von 43 Fällen vorliegenden postoperativen Pedographien ließen die gleiche Tendenz erkennen, wie für die Gruppe A oben angegeben.

Diskussion

Die Weil-Osteotomie in offener Technik zur Behandlung der Metatarsalgie führt nicht in allen Fällen zu befriedigenden Ergebnissen. So waren in einer retrospektiven Analyse des Autors nur die Hälfte der Patienten mindestens 6 Monate nach dem Eingriff subjektiv „sehr zufrieden“ [2]. Das Hauptproblem besteht in den intra- und periartikulären Vernarbungen und einer häufig zu beobachtenden Tendenz zur Hyperextension und Bewegungseinschränkung [3]. Daher erscheint es naheliegend, nach minimalinvasiven Alternativen zu suchen. Die Haupt-Unterschiede der DMMO zur offenen Weil-Osteotomie sind u.a. folgende: minimal-invasiver Zugang, meist eher extraartikulärer oder nur partiell intraartikulärer Osteotomie-Verlauf, intraoperativ nicht bestimmbare Position des Metatarsale-Kopfs ohne osteosynthetische Fixierung.

Henry et al. [3] fanden in einer vergleichenden Studie keine wesentlichen Unterschiede beider Verfahren. Die postoperative Schwellung erschien sogar prolongiert bei der DMMO im Vergleich zur offen durchgeführten Weil-Osteotomie. In der deutschsprachigen Literatur findet die DMMO in den letzten Jahren Erwähnung [4]; echte Ergebnisse liegen nach Kenntnis der Autoren aber bisher kaum vor.

Im Rahmen dieses retrospektiven Erfahrungsberichts, dem keine definierte Nachuntersuchung zugrundeliegt, sollte der Frage nachgegangen werden, wie die klinisch-radiologisch-pedographischen Frühergebnisse zu bewerten sind, insbesondere auch im Vergleich zu früheren Erfahrungen mit der offenen Weil-Osteotomie. Die dargestellten Fälle stellen zugleich die ersten Erfahrungen der Autoren mit der minimal-invasiven Technik insgesamt dar und beinhalten damit auch die Lernkurve mit dieser vollständig anderen Operationsmethode.

Als Fazit aus den dargestellten kurzfristigen Ergebnissen kann festgehalten werden: Die DMMO ist nach klinischer und pedographischer Beurteilung ein in den allermeisten Fällen wirksames Verfahren zur Behandlung der Metatarsalgie, indem sie die Lastverteilung der Metatarsalstrahlen positiv beeinflussen kann. Die klinischen Ergebnisse erscheinen im Vergleich zur offenen Weil-Osteotomie günstig, insbesondere das Problem der Hyperextension wird in deutlich reduziertem Umfang beobachtet. Die knöchernen Heilungszeiten sind deutlich prolongiert, ohne dass dies zu erkennbaren klinisch-relevanten Problemen führt. Die mit anderen Mitteln nur schwer zu korrigierenden Fehlstellungen in der Transversalebene scheinen in vielen Fällen mit der DMMO behandelbar. Es sind weitere vergleichende Untersuchungen beider Techniken erforderlich, um die Vor- und Nachteile genauer zu evaluieren.

Interessenkonflikt: Der Autor erklärt, dass keine Interessenkonflikte im Sinne der Richtlinien des International Committee of Medical Journal Editors bestehen.

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. med. Johannes Hamel

Zentrum für Orthopädische Fuß- und

Sprunggelenkschirurgie München

Schützenstraße 5

80335 München

J.Hamel@t-online.de

Literatur

1. Barouk LS. Weil’s metatarsal osteotomy in the treatment of metatarsalgia. Orthopäde; 25: 338–344

2. Hamel J. Die Weil-Osteotomie – Expertengespräch „Fuß“ der D.A.F. anlässlich des Süddeutschen Orthopäden-Kongresses am 27.4.2007 in Baden-Baden. FussSprungg 2007; 5: 220–222

3. Henry J, Besse JL, Fessy MH. Distal osteotomy of the lateral metatarsals: a series of 72 cases comparing the Weil osteotomy and the DMMO percutaneous osteotomy. Orthop Traumatol Surg Res 2011; 97(Suppl 6): 57–65

4. Mayer M, Suger G. Minimal-invasive percutane Korrekturen an Metatarsalia und Kleinzehen. FussSprungg 2013; 11: 76–82

5. De Prado M, Ripoll PL, Golano P. Minimally invasive foot surgery. About your health publishers, Barcelona 2009

Fussnoten

1 Zentrum für Orthopädische Fuß- und Sprunggelenkschirurgie München

2 Klinik Josephinum, München

SEITE: 1 | 2 | 3