Übersichtsarbeiten - OUP 02/2015
Minimalinvasive Zugangswege zur Hüfte
Für die Schaftpräparation wird das Bein in Überstreckung gebracht und ein Knochenhaken in den Calcar femoris eingehängt und damit der Eingang in den Femurkanal angehoben. Diese Position wird durch einen Retraktor gehalten, der hinter den Trochanter major im Bereich des Ansatzes der Musculi glutaeus medius und minimus eingesetzt wird. Liegen Kontrakturen vor, die die Darstellung des Schafteingangs erschweren, können die Sehnen der Musculi obtoratorius und gemelli ansatznah abgesetzt werden. Reicht dies nicht aus, kann auch die Sehne des Musculus piriformis zusätzlich abgelöst werden. Mit einem gekröpften Handgriff werden die Schaftraspeln eingeschlagen, um das Lager für die Schaftprothese herzustellen. Um mit den Schaftraspeln an der Spina iliaca anterior superior vorbeizukommen, muss das Bein adduziert und überstreckt werden.
Die Schaftkomponente kann nun eingebracht werden. Nach Reposition wird die Fascie über dem Musculus tensor fasciae latae vernäht.
Fehler und Gefahren
Beim vorderen Zugang ist der Nervus cutaneus femoris lateralis in Gefahr. Dehnung des Nerven und Narbenbildung im Zugangsgebiet können zu Missempfindungen und Schmerzen führen, der Meralgia paraesthetica. Hypaesthesien nach definitiver Verletzung des Nerven werden weniger störend empfunden. Ein über dem Muskelbauch des Musculus tensor fasciae latae angelegter Hautschnitt hilft, dieses Problem abzumildern.
Andererseits besteht insbesondere bei beleibteren und kontrakten Patienten die Gefahr, dass der Vorderrand des Musculus tensor fasciae latae einreißt, was die Invasivität des Vorgehens deutlich erhöht. Um dem zu begegnen, wäre ein weiter medial angelegter Hautschnitt wiederum günstiger.
Vor- und Nachteile
Der anteriore Zugang eröffnet einen günstigen Zugang zur Hüftpfanne. Es besteht aber eine Tendenz zu einer vermehrten Anteversion der Pfanne, was zu einer Luxationsgefahr bei Außenrotation des Beins führen kann. Bei der Schaftpräparation besteht die Gefahr
einer zugangsbedingten Varusfehlpositionierung.
Der anterolaterale Zugang
Der Hautschnitt erfolgt nach Palpation des Trochanter majoris auf einer Länge von etwa 7 cm. Die Fascia lata wird nach Durchtrennung der Subcutis dargestellt und posterior des Musculus tensor fasciae latae in Faserrichtung inzidiert (Abb. 1). Mit dem Zeigefinger wird die Lücke zwischen den Musculi tensor fasciae latae und glutaeus medius getastet, durch die dann die anteriore Seite des Schenkelhalses palpiert werden kann. Nach Einsatz der Hohmannhebel nach superior und inferior sowie auf den Pfannenrand nach medial wird die Kapsel visualisiert und im anterioren Drittel exzidiert (Abb. 2). Die Hohmannhebel werden nach intraartikulär versetzt, sodass die Ebene für die Schenkelhalsosteotomie gut eingeschätzt werden kann. Es erfolgen dann die doppelte Osteotomie und Entfernung des Femurkopfs mit dem Hüftkopfextraktor [5].
Der Oberschenkel wird nun mit einem 30° gebogenen Hohmannhebel bei leicht gebeugtem Bein nach hinten gehalten, 2 spitze Hohmannhebel werden am Pfannenrand platziert. Trotz des kleinen Hautschnitts gewinnt man eine gute Einsicht auf die Pfanne. Nach Entfernung von Kapselresten erfolgen dann die technisch üblichen Operationsschritte: Fräsen (Abb. 3), Probesitz mit der Frage der suffizienten Pfannenverklemmung und Setzen der Original-Hüftpfanne inklusive Inlay (Abb. 4).
Wie beim anterioren Zugang ist der Zugang zum Acetabulum unproblematisch. Vom Zugang nach Watson-Jones ist bekannt , dass der M. glutaeus medius ein Hindernis für die Schaftpräparation darstellt [6]. Bei gestrecktem Bein im Hüftgelenk beträgt der Winkel zwischen Glutaeusfasern und der Schaftachse 40–80°. Um die Schafteingangsebene frei zu bekommen, muss die Muskulatur nach hinten weggehalten werden. Der über den Trochanter major eingesetzte Hohmannhebel verursacht immer wieder einen nicht unerheblichen Schaden am M. glutaeus medius.
Beim minimalinvasiven Vorgehen ist es daher wichtig, das Bein so zu positionieren, dass die Einflugschneise für die Schaftraffeln in das Muskelintervall zwischen M. glutaeus medius hinten und den M. tenso fasciae latae vorn zu liegen kommt. Durch Überstreckung, Außenrotation und Adduktion des Beins wird der Winkel zwischen Muskulatur und Eingangsebene verringert. Diese Position erreicht man nur, wenn der Unterschenkel unter dem gegenseitigen Bein hindurch zur anderen Seite gereicht wird. Der 2. Assistent hält den Unterschenkel am Sprunggelenk waagerecht, der erste Assistent bewirkt die Hyperextension und Adduktion (Abb. 5). Die Resektion von am Trochanter major anhaftenden Kapselresten ermöglicht es, Glutaeusfasern und Schaftachse in eine Linie zu bekommen. Es bedarf dann nur eines geringen Hebeldrucks zur Darstellung der Osteotomiefläche und damit der „Einflugschneise“ der Raffeln für die Schaftprofilierung. Es folgen die üblichen Operationsschritte der Schaftpräparation und Einbringen der endgültigen Prothesenkomponente. Quintessenz ist es also, durch Positionierung des Beins, eine „ungestreifte“ Schaftpräparation durchzuführen und nicht durch Hakendruck (Abb. 6 und 7)[ 7].
Der anterolaterale Zugang wird von einigen Operateuren in Seitenlagerung durchgeführt [8]. Hierfür gibt es gute Argumente, da in Seitenlagerung das umgebende Gewebe der Schwerkraft folgend leicht beiseite zu halten ist. Zudem lässt sich die Einflugschneise für die Schaftraffeln noch besser freilagern. Das nach hinten gelagerte Bein wird so weit außenrotiert, dass der Unterschenkel senkrecht nach unten zeigt. Die erforderliche Adduktion folgt dann wieder der Schwerkraft. Es handelt sich also um dieselbe Positionierung wie oben beschrieben, nur eben um 90° gedreht, bedingt durch die Seitenlagerung. Diese Vorteile werden aber durch die aufwändigere und unsichere Lagerungstechnik erkauft. Die intraoperative Röntgenkontrolle ist in Seitenlagerung ebenfalls schwieriger und die Lernkurve flacher, insbesondere wenn man gewohnt ist, in Rückenlagerung zu operieren.