Übersichtsarbeiten - OUP 05/2024

Operative Therapie der Arthrofibrose des Kniegelenks
Voraussetzungen, Planung und operative Strategien

Biochemie und Pathohistologie

Die biochemischen Reaktionen einer Arthrofibrose werden vor allem durch den „transforming growth factor-beta (TGF-?)“ vermittelt [19]: Hierzu gehören Zytokine wie das „bone morphogenic protein“ (BMP) und die TGF-?-Isoformen TGF-?1, TGF-?2 und TGF-? 3. Proteasen und Glycoproteine, wie Plasmin, Matrix Metalloproteinase 2 (MMP-2) und Thrombospondin 1 (THBS-1) sind an der TGF-?-Aktivierung beteiligt. Die Signaltransduktion in den Zellkern wird durch die SMAD2/3- und SMAD4-Proteine vermittelt. Cofaktoren für die Genaktivierung sind AP-1 und „specificity protein-1“ (SP-1) [21]. Während im frühen Stadium der Erkrankung die beteiligten Cytokine wie Xylosyltransferase [19] und IL-6, IL-1, BNP-2 gebildet werden [24], sind diese im späten Stadium mit geringen Schmerzen und hochgradigem Funktionsverlust nicht mehr nachweisbar. Bei Biopsien zeigt sich daher auch im Initial- und Intermediärstadium ein deutlicher Nachweis von ?-Catenin im Zytoplasma [14] (Abb. 3), während sich später häufig nur hochdifferenzierte Fibrozyten darstellen lassen. Die Arthrofibrose wurde zunächst als eigenständige Entität aufgefasst, heute wird der Befund auch bei allen anderen Formen der Synovialitis als Zusatz Pathologie möglich. Eine Arthrofibrose kann daher auch mit Abrieb, Infektion oder beim Misch- oder Indifferenztyp gefunden werden [15]. In der späten Phase kann daher häufig nur im Befund eine Arthrofibrose „bei klinischem Kontext“ als möglich begutachtet werden.

Therapie

Nicht operative Therapie

Die nicht operative Therapie sollte mit Ausnahme einer akuten Infektsanierung oder einer operations-technisch bedingten Bewegungseinschränkung immer einer operativen Therapie vorausgehen. Wichtigste Maßnahme ist hier das Unterbrechen bzw. Beenden einer schmerzhaften Physiotherapie, die zum Bild eines CRPS beitragen kann. Stattdessen sollten abschwellende und schmerzregulierende Maßnahmen im Vordergrund stehen. Psychiatrische Ursachen (Depression) sollten ebenfalls behandelt werden, s. Artikel Traut, S. 236–245.

Operative Therapieoptionen

Rahmenbedingungen

Während bei operationstechnisch bedingten Ursachen einer Bewegungseinschränkung diese schnellstmöglich behoben werden sollte, ist bei einer arthrofibrotischen Reaktion nach regelhaft verlaufener Operation zunächst das Abklingen von Schmerz und Überwärmung zu beachten [6]. Ein Jahr nach Primäroperation ist dann in der Regel von einem Endzustand auszugehen, insbesondere wenn inflammatorische Reaktionen nicht mehr nachgewiesen werden können [26]. In diesem Stadium ist auch mit schmerzarmer Physiotherapie kein Verbesserungszustand mehr zu erwarten. Vor einer Operation sollten eine Implantatfehlposition mit Röntgen und ggf. CT, ein Low-Grade-Infekt, insbesondere bei entsprechender Vorgeschichte und Symptomen wie Nachtschweiß mittels Biopsie ausgeschlossen werden. Die Instabilität einer Endoprothese kann maskiert sein und sich erst nach Arthrolyse zeigen [9]. Oft ist ein hohes Inlay ein Indikator für eine mögliche Instabilität nach Arthrolyse. Das Patellofemoralgelenk sollte im Seitenvergleich evaluiert werden. Die Vorbereitung auf die OP sollte mentale Faktoren umfassen, Belastungssituationen wie bspw. die Pflege des Partners etc. sollte mit dem sozialen Dienst besprochen werden. Eine Nachbehandlung kann je nach Situation ambulant oder stationär erfolgen. Wegen der Rezidivgefahr mit Reaktion auf die OP werden Arthrolyseoperationen derzeit in der Regel kurz stationär geplant. Trotz aller Fortschritte ist eine generalisierte Arthrofibrose im späten Stadium eine schwerwiegende Gelenkschädigung, die viele Gleitschichten umfasst und nur eingeschränkt operativ wieder hergestellt werden kann. Auf diese Limitierungen muss die Patientin/der Patient hingewiesen werden. Eine Arthrolyse bei Beugefähigkeit von über 90 Grad sollte daher in der Regel abgelehnt werden.

Arthroskopische Arthrolyse

Eine arthroskopische Arthrolyse kommt insbesondere bei lokalisierter Arthrofibrose nach Kreuzband- oder Knorpelrekonstruktion sowie nach Operationen am Streckapparat (MPFL-Augmentation) in Betracht. Die Zugangswahl richtet sich nach dem Lokalbefund (Abb. 1, 2). Neben den alten Portalen ist häufig ein Zugang im oberen Recessus medial und lateral sinnvoll. Für die dorsale Kapsulotomie hat sich ein posteromedialer und posterolateraler Zugang bewährt. Während ein Zyklops zur Wiedererlangung der Extension ausgeräumt werden muss, kann bei großflächiger Narbenbildung das Durchtrennen der Hauptzügel sinnvoll sein. Die OP erfolgt in Rückenlage mit vorgelegter, aber nicht aktivierter Blutsperre auf dem elektrischen Beinhalter unter akribischer Blutstillung. Häufig ist die Anlage der Zugänge durch die narbige Schrumpfung des Bindegewebes erschwert. Zum Schutz des Gelenkknorpels und der verbesserten Orientierung muss daher erst ein Sichtfenster geschaffen werden und die Präparation dann schrittweise erfolgen. Über die Zugänge erfolgt dann eine Präparation der Gleitschichten mit einer Thermo-Ablationselektrode. Zentral wird das vordere Kreuzband oder Kreuzbandtransplantat präpariert und Vernarbungen mit dem hinteren Kreuzband abgelöst. Das posteriore Kniegelenkskompartiment kann mit der Optik von lateral posteromedial eingestellt und über Stichinzision eröffnet werden. Hier folgt dann die Präparation nach lateral. Der obere Recessus kann über das laterale superiore und mediale superiore Portal bis zur Mitte des Oberschenkels mit einer entsprechend langen Thermoablationselektrode eröffnet werden. Bei Patella baja wird das Narbengewebe des Hoffa-Fettkörpers im oberen und unteren Anteil inzidiert, da eine vollständige Entfernung häufig zu einer weiteren Verkürzung der Patellarsehne führt. Eine Redondrainage ist dadurch häufig vermeidbar oder kann frühzeitig nach 24 Stunden entfernt werden.

Mini-offene Arthrolyse

Im eigenen Vorgehen hat sich bei Arthrolysen nach Kniegelenksendoprothese die mini-offene Arthrolyse durchgesetzt. Das Verfahren zeigt die gleichen Ergebnisse wie offene Arthrolysen bei geringerer Komplikationsrate. Im Gegensatz zur arthroskopischen Artholyse ist das Anschwellen des Gewebes durch die Vermeidung von Spülflüssigkeit gering und die frühzeitigen Ergebnisse sind dadurch verbessert. Unter den Rahmenbedingungen der DRGs nach Reform 2024 ist die arthroskopische Arthrolyse als ambulante Operation zu planen, eine offene Arthrolyse kann aber weiterhin mit dem Code 5–800.6h kodiert werden und wird dann in die DRG I30C gruppiert. Über einen anterolateralen Zugang lassen sich Narben des oberen Recessus, bis zur Oberschenkelmitte, sowie distal bis zur Tuberositas Tibiae erreichen. Bei Patella baja können Narben peripatellär am unteren Pol über einen lateralen parapatellaren Zugang verbessert erreicht werden. Eine dorsale Kapsulotomie ist über ein posteromediales Fenster möglich (Abb. 2). Das Verfahren kann bei lateraler parapatellarer Arthrofibrose zu einer lateralen Retinaculoplastik erweitert werden. Der Verschluss des Gelenks erfolgt dann in 90 Grad Beugestellung. Eine Redon Drainage wird allenfalls kurzzeitig eingelegt. In den meisten Fällen ist ein Single Shot Femoralis Block ausreichend und die postoperative Schmerztherapie kann sogar in vielen Fällen ohne die Verwendung von Opiat-Analgesie mit einem visuellen analogen Schmerzscore von unter 5 erfolgen.

SEITE: 1 | 2 | 3