Übersichtsarbeiten - OUP 05/2024
Operative Therapie der Arthrofibrose des KniegelenksVoraussetzungen, Planung und operative Strategien
Offene Arthrolyse
Die offene Arthrolyse ist schweren Fällen, insbesondere nach Implantation einer Revisionsendoprothese vorbehalten [11]. Die Komplikationsrate steigt und somit muss auch die Aufklärung über Risiken ausführlicher erfolgen. Bei ausgedehnter Narbenbildung und bei Notwendigkeit eines Endoprothesenwechsels ist dies häufig die einzige Option, um eine Flexion von über 90 Grad zu realisieren. Der Streckapparat kann hier durch langstreckiges Ablösen der Tuberositas Tibiae (ca. 7 cm) proximalisiert werden. In der englischsprachigen Literatur wird immer wieder auf die Bedeutung der Durchtrennung der Quadricepssehne (sog. quadriceps snip) hingewiesen [13]. Dies vermeiden wir vor dem Hintergrund der daraus resultierenden und häufig lang andauernden Insuffizienz des Streckapparates. Die OP nach Judet ist nur in seltensten Fällen erforderlich (Abb. 2). Die dafür geeigneten Patientinnen und Patienten haben nach Infektion oder Trauma eine erhebliche Versteifung des gesamten Streckapparates bis hin zur Oberschenkelmitte und darüber hinaus. Hier ist eine isolierte Therapie intraartikulär oftmals nicht ausreichend, um eine Flexion von über 90 Grad zu erreichen. Vielmehr wird der gesamte Streckapparat von lateral präpariert und die Sehne des m. rectus femoris z-förmig verlängert. Der Vorteil ist der Erhalt der Streckfähigkeit unmittelbar postoperativ.
TEP Wechsel
Zwar ist der TEP Wechsel der scheinbar effektivste Eingriff, um periartikuläre Narben zu beseitigen, dieser bringt aber gleichzeitig mehrere Nachteile mit sich:
In der Regel sind als Sekundärimplantat gekoppelte Revisionssysteme mit langen Schäften erforderlich.
Die Standzeit von Revisionsimplantaten ist im Endoprothesenregister gegenüber Primärimplantaten signifikant reduziert [7, 27].
Ein Rezidiv kann sich trotz oder gerade wegen der großen Wundflächen und des möglichen hohen postoperativen Schmerzniveaus ausbilden.
Im eigenen Vorgehen wird der TEP Wechsel daher Fällen mit deutlicher Instabilität, insbesondere des medialen Bandapparates nach Arthrolyse und septischen Situationen vorbehalten (Abb. 4, 5). Der Low-Grade-Infekt nimmt hier eine Sonderstellung ein, da es hier regelmäßig nach Wechsel zu einem erheblichen fibrotischen Umbau des periartikulären Gewebes kommt. In diesen Fällen ist ein hohes Schmerzniveau zu erwarten und in der Regel ist eine Arthrolyse nach dem Implantatwechsel erforderlich. Somit zeigen im eigenen Kollektiv Patientinnen und Patienten mit durchgeführtem TEP Wechsel bei Low-Grade-Infektion das schlechteste Langzeitergebnis.
Nachbehandlung
Die Grundsätze der Nachbehandlung sind im Folgeartikel dargestellt. Zusammengefasst ist eine schmerzreduzierende Nachbehandlung abseits des operierten Gelenks (Lymphdrainage, Kontrolle des Quadriceps, Muskeldetonisierung, sicheres Gangbild und Abrollverhalten) sinnvoll. Ein Schmerzprotokoll sollte geführt werden und eine Schmerztherapie langfristig angepasst erfolgen. Die Therapiemaßnahmen können ambulant oder stationär erfolgen. Eine Bewegungsschiene sollte nicht unkontrolliert eingesetzt werden und das Anschwellen des periartikulären Gewebes durch repetitiven Dehnungsstress sollte unterbleiben. Die Grundsätze der Nachbehandlung gleichen dem Vorgehen bei postoperativer Diagnose einer Arthrofibrose und wurden bereits dargestellt [17].
Ergebnisse
Im eigenen Vorgehen konnten in den vergangenen 10 Jahren bei 272 Arthrolysen eine durchschnittliche Verbesserung des Bewegungsumfangs von 22,7 Grad nach 2 Jahren Follow-up erreicht werden. Die Verbesserung der Streckung war dabei geringer als die der Beugung (2,9 versus 19,8 Grad). Nur in wenigen Fällen (n = 3) verschlechterte sich die Beweglichkeit oder blieb unverändert. Die Ergebnisse waren abhängig von der Genese der Arthrofibrose posttraumatisch besser als nach Endoprothesenimplantation. Der Schmerz blieb durch die Arthrolyse unverändert mit hohen Schwankungen im Kollektiv. Zwischen offenen Arthrolysen mit knöchernen Eingriffen, wie bspw. einem TEP Wechsel oder einem Tuberositas-Versatz, und mini-offener Arthrolyse sowie arthroskopischer Arthrolyse zeigten sich keine signifikanten Unterschiede im Endergebnis bei höherem Komplikationspotenzial
(3 Blutungen mit Gelenkrevision, 2 Infektionen, davon 1 mit Arthrodese, über 40 % der Patientinnen und Patienten mit erneutem Schraubstockgefühl), so dass heute in den meisten Fällen eine mini-offene Arthrolyse mit kurzstationärer Behandlung erfolgt.
Interessenkonflikte:
M. Jagodzinski: Projektbezogene Forschungsförderung der AFOR Foundation.
V. Krenn, P. Traut: Keine angegeben.
Das Literaturverzeichnis zu
diesem Beitrag finden Sie auf:
www.online-oup.de.
Korrespondenzadresse
Univ.-Prof. Dr. Michael Jagodzinski
Agaplesion Ev. Klinikum Schaumburg
Zum Schaumburger Klinikum 1
31683 Obernkirchen
michael@jagodzinski.com