Übersichtsarbeiten - OUP 12/2013
Osteosyntheseverfahren in der Kinder- und Jugendtraumatologie
Die Frakturversorgung mittels K-Draht stellt ein insgesamt risikoarmes Verfahren dar. Das Wandern der Drähte und somit das Implantatversagen wird nur in Einzelfällen in der internationalen Literatur beschrieben. Diese Komplikationen treten meist in Fällen auf, bei denen keine zusätzliche Ruhigstellung im Gips erfolgte. Infektionen treten in bis zu 2 % aller Fälle auf, wobei es keine Unterschiede zwischen versenkten und über dem Hautniveau belassenen K-Drähten gibt [10, 27]. Iatrogene Nervenläsionen nach K-Draht-Stabilisierung und vor allem die N. ulnaris-Läsion bei supracondylären Humerusfrakturen treten mit einer Häufigkeit von bis zu 15 % auf [5, 6, 20, 21]. Sollte eine Nervenläsion postoperativ bestehen, hat eine sofortige Revision mit Entfernen oder Umsetzten des Drahts zu erfolgen. Osteonekrosen durch vermehrtes Bohren treten in bis zu 2,5 % der Fälle auf.
Die elastisch stabile intramedulläre Nagelung (ESIN)
Das Verfahren, kindliche Frakturen mittels elastischer intramedullärer Nagelung (ESIN) zu versorgen, wurde am Kinderkrankenhaus in Nancy durch Jean Prévot und Kollegen entwickelt [12, 19]. Hierbei wird die Fraktur durch eine 3-Punkte-Abstützung mittels zweier gegenläufig in den Markraum eingebrachter flexibler Titan- oder Stahlnägel stabilisiert. Scherkräfte werden in Kompressionskräfte und Zugkräfte umgewandelt. Zusätzlich bestehen Mikrobewegungen im Frakturbereich, die die Kallusbildung fördern [5, 15]. Seit mittlerweise fast 2 Jahrzehnten hat sich das Verfahren auch in Deutschland etabliert und ist aus der Kindertraumatologie nicht mehr wegzudenken. Es ist gut zu erlernen, jedoch gibt es bei der Durchführung, wie bei vielen Operationsverfahren, eine gewisse Lernkurve. Die Dicke der ESIN sollte am Humerus, Femur und an der Tibia 1/3 des Schaftdurchmessers betragen und am Unterarm ungefähr die Hälfte. Grundsätzlich sollten nur Nägel mit gleicher Stärke verwendet werden, um zu vermeiden, dass unterschiedliche biomechanische Kräfte auf die Fraktur wirken [5].
Mögliche Indikationen der ESIN Versorgung sind:
- längsstabile (Quer-) Frakturen der Diaphysen der langen Röhrenknochen,
- Unterarmschaftfrakturen (Methode der Wahl) (s. Abb. 3),
- proximale Oberarmfrakturen,
- supracondyläre Humerusfrakturen,
- Radiushalsfrakturen.
Da bei langen Spiralfrakturen meist keine 3-Punkte-Abstützung möglich ist, sollte hier auf alternative Operationstechniken zurückgegriffen werden [25]. Auch die komplikationsträchtige distale Radiusfraktur des diametaphysären Übergangs sollte nach Meinung vieler Autoren nicht mittels ESIN versorgt werden [5, 12].
Komplikationen
Schwerwiegende Komplikationen nach der ESIN, wie z.B. postoperative Infektionen oder Refrakturen sind Ausnahmefälle. In 2 Studien über kindliche Femurfrakturen konnte gezeigt werden, dass bei Kindern, die mehr als 49 kg wogen oder älter als 10 Jahre waren, häufiger Komplikationen nach der ESIN auftraten als im Vergleich zu leichteren und jüngeren [4, 17]. „Korkenzieher- oder Telescoping- Effekte“, Kortikalisperforationen oder Fragmentdislokationen mit Achsabweichungen sind meist Folge falscher Operationstechnik oder inkorrekter Indikationsstellung [7, 22].
Fixateur-externe-Stabilisierung
Die Fixateur-externe-Stabilisierung von Frakturen im Wachstumsalter ist das Verfahren der Wahl bei Knochenverletzungen, die mit einem großflächigen Weichteilschaden verbunden sind. Um eine bestmögliche biomechanische Stabilität zu erlangen, sollten proximal und distal der Fraktur 2 Schanz´sche Schrauben bikortikal in den Knochen eingebracht werden, die mit ein bis 2 Längsträgern verbunden werden. Sollte dies wie z.B. am distalen Humerus und Unterarm aus Platzgründen nicht möglich sein, empfiehlt es sich, die Fraktur mit einem zusätzlichen diagonalen K-Draht, der ebenfalls am Fixateur externe befestigt werden kann, zu stabilisieren [27] (Abb. 4). Bei Femur-/Tibiaschaftfrakturen kann postoperativ eine sofortige Vollbelastung erfolgen, wobei sich viele Kinder (und deren Eltern) erst an den Fixateur externe gewöhnen müssen und daher eine Mobilisation meist erst nach 1–2 Wochen möglich ist. Abbildung 5 zeigt die Versorgung einer Femurspiralfraktur bei einem 3½-jährigen Jungen nach Fahrradsturz. Die Metallentfernung sollte erst erfolgen, nachdem mindestens 3 von 4 Kortikalices eine knöcherne Konsolidierung aufweisen [5, 15, 21, 26].
Mögliche Indikationen zur Fixateur-externe-Stabilisierung sind:
- längsinstabile diaphysäre Spiral- und Mehrfragmentfrakturen der langen Röhrenknochen,
- supracondyläre Humerusfrakturen,
- diametaphysäre Radiusfrakturen,
- offene Frakturen und Frakturen in Kombination mit großem Weichteiltrauma,
- Frakturversorgung bei polytraumatisierten Kindern.
Komplikationen
Die meisten Komplikationen, die in der Literatur beschrieben werden, beziehen sich auf die Behandlung femuraler Frakturen mittels Fixateur externe. Hierbei wird in bis zu 72 % der Fälle die Infektion der Pinkanäle angegeben, wobei zu beachten ist, dass von einigen Autoren Pinreizungen und Pinirritationen ohne systemische Infektzeichen nicht von Pininfektionen unterschieden werden. Tiefere Infektionen und sogar Osteolysen im Bereich der Schanz´schen Schrauben sind viel seltener [21]. Einige Autoren haben die Infektrate infolge einer Fixateur-externe-Behandlung reduzieren können, in dem sie die Patienten anhalten, den Fixateur täglich abzuduschen und zu säubern [25]. Femur-Refrakturen nach Fixateur-externe-Behandlung treten in bis zu 4 % der Fälle auf [21, 26].
Die Schraubenosteosynthese
Die Schraubenosteosynthese wird bei Frakturen angewendet, bei denen eine Kompression auf die Fraktur ausgeübt werden muss, um so das korrekte Repositionsergebnis zu stabilisieren und eine sekundäre Dislokation durch Muskelzug zu vermeiden. Hierbei muss darauf geachtet werden, dass die Wachstumsfuge nicht tangiert wird. Bei der Condylus-radialis-Fraktur kann bei kleinen Fragmenten ein zusätzlich eingebrachter K-Draht eine Rotation des Fragments vermeiden (Abb. 6). Ziel der Stabilisierung der Condylus-radialis-Fraktur ist es, eine Konsolidierungsverzögerung und die Entwicklung einer Pseudarthrose und der damit verbundenen Valgusfehlstellung und sekundären Instabilität zu verhindern [9, 29]. Bei der Übergangsfraktur der distalen Tibia ist die Schraubenosteosynthese ebenfalls die Therapie der Wahl. Da es sich um eine intraartikuläre Verletzung handelt, ist eine anatomische Reposition zur Minimierung des Risikos einer posttraumatischen Arthrose angebracht [3].