Übersichtsarbeiten - OUP 06/2022
Periprothetische Acetabulumfrakturen geriatrischer Patienten
Sollte die intraoperative Fraktur erst postoperativ erkannt werden, sind bei stabilen Situationen engmaschige Röntgenkontrollen indiziert. Bei instabiler Situation ist eine Revision mit Wechsel der Pfanne notwendig.
Postoperative Frakturen
Zur Planung der konkreten operativen Versorgungsstrategie ist, wie bereits ausgeführt, eine gründliche Analyse der Situation erforderlich.
Bei fester Pfanne also einer ausreichenden knöchernen Ummantelung der Pfanne, dass eine knöcherne Konsolidierung der Fraktur möglich ist, kann die Pfanne belassen werden. Gemäß Pascarella et al. und Patsigiannis et al. kann eine konservative Therapie oder eine Osteosynthese erfolgen [4, 8]. Im eigenen Vorgehen wird zur sicheren Konsolidierung der Fraktur, zur Vermeidung einer sekundären Dislokation und zur rascheren Mobilisierung der Patienten zumeist eine Osteosynthese durchgeführt (Abb. 1).
Die Versorgungsstrategie in dieser Situation ist analog der osteosynthetischen Versorgung geriatrischer Acetabulumfrakturen. Abhängig vom Frakturtyp erfolgt die Stabilisierung über einen ventralen oder einen dorsalen Operationszugang. Als dorsaler Operationszugang ist nach wie vor die Verwendung des Kocher-Langenbeck-Zugangs gebräuchlich. Über den Operationszugang kann bei Bedarf auch der Wechsel der Pfannenkomponente vorgenommen werden [11].
Die Frakturmorphologie bei traumatischen periprothetischen Acetabulumfrakturen ähnelt der Frakturmorphologie geriatrischer Patienten mit Acetabulumfraktur [12]. Sehr häufig handelt es sich aufgrund des Unfallmechanismus mit einem Sturz auf die Seite um eine Fraktur des vorderen Pfeilers mit zentraler Impression (Abb. 3, 4).
Für die Versorgung von vorderen Pfeilerfrakturen haben sich in den letzten Jahren reduziert invasive Zugänge durchgesetzt. Der ilioinguinale Zugang wird nur noch in Ausnahmefällen verwendet.
Eine Möglichkeit ist, die operative Stabilisierung über den sog. modifizierten Stoppa-Zugang durchzuführen [13]. Vorteile dieses Zugangsweges liegen nach Ansicht der Autoren in der relativ einfachen Durchführung und der guten Exposition der quadrilateralen Fläche. Über den Stoppa-Zugang kann sehr gut eine Abstützung von medial erfolgen. Der erhebliche Nachteil liegt allerdings in einer Limitation des Zugangs nach kranial, da die Exposition medial der großen Gefäße erfolgt. Falls notwendig, kann der Stoppa-Zugang über das 1. Fenster des ilioinguinalen Zugangs erweitert werden. Es resultiert allerdings ein zusätzlicher operativer Zugang und eine Verlängerung der Operationszeit. Eine weiterhin bestehende Limitation ist darin zu sehen, dass auch mit Hilfe des 1. Fensters keine gute Exposition bzw. Abstützung von ventral direkt über dem Acetabulum möglich ist.
Nach Ansicht der Autoren bietet sich als sehr gute Alternative ein pararectaler Zugang lateral der Iliacalgefäße an. Der Hauptzugangsweg entspricht dabei dem 2. Fenster des ilioinguinalen Zugangs. Eine Möglichkeit ist die von Keel vorgestellte Variante des pararectalen Zugangs [14]. Im eigenen Vorgehen wird mit dem von Ruchholtz et al. entwickelten sog. TIMI-Zugang (Two Inzision Minimal Invasive) in ähnlicher Art und Weise pararectal vorgegangen [15] (Abb. 2). Die Etablierung dieser Zugangswege ist zwar etwas anspruchsvoller, sie bieten aber eine sehr gute Exposition der ventralen Acetabulumstrukturen und eine sehr gute Möglichkeit einer Abstützung von ventral. Zusätzlich ist problemlos eine Verlängerung nach proximal bis hin zum ISG möglich.
Im Großteil der Fälle hat sich die Pfanne durch die Fraktur gelockert (Abb. 3, 4). In diesen Fällen ist nur in Ausnahmefällen ein Erhalt des Implantates möglich.
MERKE: Bei gelockerter Pfanne ist zumeist ein Pfannenwechsel notwendig.
Zur Revision der Pfanne stehen verschiedene Implantattypen zur Verfügung. Bei größeren knöchernen Defekten muss zusätzlich eine Augmentation erwogen werden. Diese kann durch allogene Knochen oder mittlerweile auch zunehmend durch künstliche Knochenaugmentationen erfolgen. Mittlerweile gibt es mit der Trabecular-Metall-Technologie sehr differenzierte Möglichkeiten der Knochenaugmentation mittels hochporösen Tantal-Augmenten (sog. „Cup-and-Augment“-Technik). Diese besitzen aufgrund ihrer Oberflächenstruktur eine sehr gute Osteointegrität [16]. Bei stark limitierter Prognose der Patienten kann auch eine Auffüllung mit Zement zur Erhöhung der Primärstabilität erfolgen. Es sollte allerdings klar sein, dass dadurch eine biologische Heilung verhindert wird, wodurch langfristig die Lockerung des Implantates begünstigt wird.
Zur Überbrückung der Frakturzone wird im eigenen Vorgehen bei geriatrischen Patienten ein Burch-Schneider-Ring eingesetzt. In diesen wird im Sinne eines „Cup-in-
Cage“-Konstruktes eine tripolare Pfanne zementiert. Die Vorteile liegen in einer primär belastungsstabilen Überbrückung der Fraktur und einem hohen Luxationsschutz für die Patienten (Abb. 5).
Sollte es aufgrund der Fraktursituation nicht möglich sein, den Burch-Schneider-Ring sicher im Sitzbein zu verankern, wird additiv zur medialen Abstützung eine Platte implantiert. Diese kann im Regelfall in gleicher Sitzung über einen ventralen Operationszugang, wie oben beschrieben, implantiert werden (Abb. 5).
Zusammenfassung und Fazit
Periprothetische Frakturen sind seltene Frakturen, die aber bedingt durch die große Anzahl implantierter
Hüftendoprothesen und die steigende Lebenserwartung zunehmend auftreten. Bisher liegen in der Literatur nur die Ergebnisse kleinerer Fallserien vor, sodass keine evidenzbasierte Therapieempfehlungen gegeben werden können. Die beschriebenen Therapieoptionen reichen von einer konservativen Behandlung bis hin zu aufwendigen Beckenteilersätzen [4, 5, 8].
Für jeden Patienten muss ein individuelles Therapiekonzept erstellt werden. Zur Planung der konkreten Therapie sind eine genaue Einschätzung des Patienten (Anamneseerhebung und Untersuchung) und eine detaillierte Analyse der Fraktur mittels CT notwendig.
Für die häufig multimorbiden Patienten ist eine frühzeitige Mobilisation – möglichst unter Vollbelastung – anzustreben. Dieses Ziel kann in den meisten Fällen nur durch eine operative Therapie erreicht werden.
Bei fest sitzender Prothese kann unter Erhalt der Prothese eine Stabilisierung mittels Plattenosteosynthese erfolgen. Das operative Vorgehen orientiert sich dabei an der Operationsstrategie für Acetabulumfrakturen ohne Prothese. Häufig ist der vordere Pfeiler betroffen, sodass ventrale Zugänge zum Einsatz kommen. Dabei haben sich insbesondere bei geriatrischen Patienten reduziert invasive Zugänge wie der modifizierte Stoppa-Zugang oder pararectale Zugänge bewährt.