Übersichtsarbeiten - OUP 10/2018

Qualitätsmanagement in der Schmerztherapie: KEDOQ-Schmerz

Voraussetzung für die o.g. Effektivität der MMST sind hohe Anforderungen an die Struktur- und Prozessqualität der Behandlung, wie sie von der Ad-hoc-Kommission „Multimodale Schmerztherapie“ der Deutschen Schmerzgesellschaft definiert wurde [2]. Die Deutsche Schmerzgesellschaft initiierte daher 2008 das Qualitätssicherungsprojekt KEDOQ-Schmerz [3].

Zielsetzung ist eine bundesweite und sektorenübergreifende externe Qualitätssicherung und die Entwicklung von Qualitätsindikatoren in der spezialisierten Schmerztherapie. Zudem soll eine breite Datenbasis generiert werden, die eine unabhängige Versorgungsforschung frei von Partikularinteressen ermöglicht.

Kerndatensatz KEDOQ-Schmerz

Grundlage von KEDOQ-Schmerz ist ein breit konsentierter Kerndatensatz, der wesentliche schmerzrelevante Parameter umfasst, die zu Therapiebeginn, bei Abschluss der Behandlung sowie im Follow-up erhoben werden sollen.

Als Datenbasis zu Therapiebeginn dient der von der Deutschen Schmerzgesellschaft entwickelte Deutsche Schmerzfragebogen (DSF) [6], der standardisierte Fragen zur Schmerzbeschreibung (Auftreten, Häufigkeit und Intensität), ihren Auswirkungen auf das Alltagsleben sowie zu psychologischen (Depressivität, Angst und Lebensqualität) und sozialen Aspekten (Status, Bildung, Arbeit, Familienleben) enthält. Der DSF wurde in einer umfangreichen multizentrischen Studie validiert, die verwendeten psychometrischen Tests sind international etablierte und validiert (DASS [12]. FW7 [7], Von-Korff-Schwereindex [13], VR-12) [9]. Ärztliche Informationen (Schmerzchronifizierung) [14], Hauptschmerzlokalisation, bisherige medikamentöse Therapie und relevante somatische und psychologisch/psychiatrische Diagnosen) ergänzen die Angaben aus dem DSF.

Am Ende der Behandlung werden die durchgeführten diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen erfragt und der Patient gibt in einem Verlaufsfragebogen (VFB) [6] Auskunft zu seinem körperlichen und seelischen Befinden, der Veränderung der Schmerzen, der schmerzbedingten Beeinträchtigung und dem subjektiven Behandlungserfolg.

3–6 Monate nach Therapieende wird der Patient im Follow-up nochmals gebeten, einen Verlaufs-Fragebogen auszufüllen.

Zielsetzung von KEDOQ-Schmerz

Externe Qualitätssicherung: KEDOQ-Schmerz stellt den teilnehmenden Einrichtungen unmittelbare Auswertungen als Online-Abbildungen mit Benchmarks gegenüber den anderen Teilnehmern zur Verfügung. Filter ermöglichen dabei eine Differenzierung nach Chronifizierung sowie Alter und Geschlecht der Patienten. Zudem kann auch nach dem Therapiesetting (ambulant, tagesklinisch, stationär) differenziert werden. Die Teilnehmer erhalten so für das eigene Qualitätsmanagement eine Orientierung hinsichtlich der Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität der eigenen Einrichtung.

Unabhängige Versorgungsforschung: Die Schmerztherapie in Deutschland benötigt dringend Daten zur Situation der Schmerzpatienten wie auch zur diagnostischen und therapeutischen Qualität ihrer spezialisierten Schmerzversorgungseinrichtungen. Nur so können chronische Schmerzerkrankungen adäquat beschrieben und der Versorgungsaufwand dargestellt werden. Immer noch haben Gesprächspartner bei Krankenkassen oder Politik nur eine vage Vorstellung über die biopsychosozialen Auswirkungen chronischer Schmerzen. Die aktuell zur Verfügung stehenden Daten sind nicht ausreichend. Durch Aufbau einer KEDOQ-Schmerz-Datenbank soll die Voraussetzung für eine aussagekräftige Versorgungsforschung geschaffen werden. Ein Ethikrat KEDOQ-Schmerz garantiert dabei die wissenschaftliche Qualität und Unabhängigkeit der Forschung. Der Ethikrat ist nicht weisungsgebunden, Art und Auswahl der Forschungsprojekte werden durch Berichte des Rates transparent.

KEDOQ-Schmerz ist dadurch charakterisiert, dass die Datenerhebung

programmübergreifend ist, d.h., mehrere Anbieter den Kerndatensatz in ihren Softwareprogrammen umsetzen und Schnittstellen für den Export in die KEDOQ-Schmerz-Datenbank schaffen,

sektorübergreifend ist, d.h., die Parameter werden in gleicher Form in der Ambulanz, bei der Tagesklinik und im stationären Bereich zu Beginn und im Therapieverlauf erhoben,

anspruchsvollen Vollständigkeitskriterien unterliegt, die eine wissenschaftlich repräsentative Auswertung der Daten ermöglichen,

patientenbezogen ist, d.h., jeder einzelne Anamnesedatensatz kann ein bzw. mehreren Verlaufsdatensätzen zugeordnet werden, die Datensätze sind pseudonymisiert ohne Möglichkeit, auf einen konkreten Patienten rückzuschließen. Das Datenschutzkonzept wurde vom Landesschutzbeauftragten geprüft und akzeptiert.

Das Qualitätsmanagement in der Schmerzmedizin hat sich in den letzten Jahren deutlich weiterentwickelt und konkretisiert. Die Voraussetzungen für eine Umsetzung in der täglichen Versorgungspraxis sind damit geschaffen. Der Implementierung stehen in erster Linie verbindliche Vorgaben und finanzielle Anreize entgegen, leider auch häufig in der fehlenden Innovationsbereitschaft und der fehlenden Einigkeit der Schmerztherapeuten untereinander.

Interessenkonflikt: Keine angegeben.

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. med. Hans-Raimund Casser

DRK Schmerz-Zentrum Mainz

Ärztlicher Direktor

Auf der Steig 16

55131 Mainz

hans-raimund.casser@
drk-schmerz-zentrum.de

Literatur

1. Arnold B: Versorgungskonzepte in der Schmerzmedizin. In: Casser HR et al.: (Hrsg.): Rückenschmerzen und Nackenschmerzen. Heidelberg: Springer Verlag, 2016: 551–6

2. Arnold B et al.: Multimodale Schmerztherapie, Konzepte und Indikationen. Schmerz 2009; 23: 112–20

3. Casser HR et al.: Deutscher Schmerzfragebogen (DSF) und standardisierte Dokumentation mit KEDOQ-Schmerz – Auf dem Weg zur gemeinsamen Qualitätsentwicklung in der Schmerztherapie. Schmerz 2012; 26: 168–75

4. Deming WE: Out of the Crisis. Massachusetts Institute of Technology, Cambridge 1982; 88

5. Deutsche Gesellschaft für Qualität e.V.: Begriffe zum Qualitätsmanagement (= Deutsche Gesellschaft für Qualität: DGQ-Schrift. Nr. 11–04). Neu bearbeitet durch den DGQ-Lenkungsausschuss Gemeinschaftsarbeit (LAG). 6. A. Berlin: Beuth, 1995

6. Deutsche Schmerzgesellschaft: www.dgss.org/deutscher-schmerzfragebogen

7. Herda CA et al.: Marburger Fragebogen zum habituellen Wohlbefinden. Medizinisches Zentrum für Methodenwissenschaften und Gesundheitsforschung. 1998; Band 91; Band 98 vom Arbeitspapier

8. Kayser H et al.: Struktur der ambulanten Schmerztherapie in Deutschland. Ergebnisse einer Umfrage. Schmerz 2008; 22: 424–38

9. Kazis LE et al.: Dissemination of methods and results from the veterans health study: final comments and implications for future monitoring strategies within and outside the veterans healthcare system. The Journal of ambulatory care management 2006; 29: 310–9

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