Arzt und Recht - OUP 06/2014
Regelleistungsvolumen – medizinisch Notwendiges nicht konstant vergütet: eine Begründung
Wenn der Arzt schließlich geltend macht, jedenfalls die über die Grundpauschalen hinausgehenden Leistungen würden nur noch (abgestaffelt) mit einem Fünftel des garantierten Preises vergütet, lasse er dabei (auch) außer Betracht, dass Mengenbegrenzungsregelungen nach der Rechtsprechung des Senats nicht dazu führen, dass die über die Grenze hinausgehenden Leistungen (mehr oder weniger) unvergütet bleiben, sondern lediglich die Höhe der Vergütung für jede einzelne der erbrachten Leistungen relativ absinkt (ständige Rechtsprechung des BSG).
- Regelungen des Bewertungsmaßstabs über die Bewertung der vertragsärztlichen Leistungen bewirkten keine generelle Bindung des Normgebers der Honorarverteilung. Art und Umfang der Leistungen, wie sie im einheitlichen Bewertungsmaßstab festgelegt sind, bilden nicht das alleinige Verteilungskriterium; vielmehr könnten die KVen im Rahmen ihrer Satzungsautonomie ebenso wie die Gesamtvertragspartner im Rahmen des ihnen vom Gesetz eingeräumten Handlungsspielraums daneben auch andere Gesichtspunkte berücksichtigen, auch wenn dadurch im Ergebnis von Bewertungen des einheitlichen Bewertungsmaßstabs abgewichen wird.
Soweit der Arzt geltend macht, die Bewertungen des EBM-Ä würden durch die RLV unzulässiger Weise „außer Kraft“ gesetzt, gehe er schon von einer unzutreffenden Prämisse aus: Gemäß § 87 Abs. 2 Satz 1 Teilsatz 1 SGB V bestimme der einheitliche Bewertungsmaßstab den Inhalt der abrechnungsfähigen Leistungen und ihr wertmäßiges, in Punkten ausgedrücktes Verhältnis zueinander. Der EBM-Ä stelle damit keine – der Gebührenordnung für Ärzte vergleichbare – Gebührenordnung dar. Nach wie vor erfolge die Leistungsbewertung nicht in Euro-Beträgen, sondern in Punktzahlen. Einzig feststehende Größe sei – wie gesetzlich vorgegeben – das wertmäßige Verhältnis der im Bewertungsmaßstab aufgeführten Leistungen zueinander.
Die Festsetzung des RLV verstoße auch nicht gegen den Grundsatz der Angemessenheit der Vergütung. Nach § 72 Abs. 2 SGB V ist die vertragsärztliche Versorgung durch schriftliche Verträge der KVen mit den Verbänden der Krankenkassen so zu regeln, dass eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten gewährleistet ist und die ärztlichen Leistungen angemessen vergütet werden. Ein subjektives Recht auf höheres Honorar aus § 72 Abs. 2 SGB V i.V.m. Art 12 Abs. 1 GG komme erst dann in Betracht, wenn in einem fachlichen und/oder örtlichen Teilbereich kein ausreichender finanzieller Anreiz mehr besteht, vertragsärztlich tätig zu werden, und deshalb in diesem Bereich die Funktionsfähigkeit der vertragsärztlichen Versorgung gefährdet sei (ständige Rechtsprechung des BSG). Anhaltspunkte dafür, dass eine solche Situation im Bereich der beklagten KV für die Facharztgruppe des klagenden Arztes in dem hier maßgeblichen Zeitraum eingetreten sein könnte, seien nicht ersichtlich.
Fazit
Das Bundessozialgericht zeigt in diesem Urteil auf, dass eine konstante Vergütung der medizinisch notwendigen Behandlung nach den rechtlichen Vorgaben in erster Linie nur dann erfolgen muss, wenn Krankenkassen und KVen die medizinisch notwendigen Behandlungen auch als Behandlungsbedarf vereinbaren. Nur wenn diese Vereinbarung die tatsächlichen medizinisch notwendigen Behandlungen zutreffend abbildet, kann sich eine konstante Vergütung der tatsächlich medizinisch notwendigen Behandlung ergeben.
Das Bundessozialgericht stellt jedoch zudem klar, dass bei der Vereinbarung des Behandlungsbedarfs auch „nach anderen Kriterien“ entschieden werden könne. Auch aus anderen Gründen – „aus welchen Gründen auch immer“ – könnten honorarbegrenzende Maßnahmen erforderlich werden. Es könnten „auch andere Gesichtspunkte“ berücksichtigt werden, die zu einer Abweichung von den Bewertungen des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs führen. Was mit diesen kryptischen Begriffen letztendlich gemeint sein kann und darf, lässt das Bundessozialgericht offen und verweist insofern auf den gesetzlich eingeräumten Ermessensspielraum von Krankenkassen und Kassenärztlichen Vereinigungen.
Die Entscheidung bestätigt einmal mehr, dass mit rechtlichen Mitteln eine (höhere) konstante Vergütung medizinisch notwendiger Behandlungen nicht durchgesetzt werden kann. Lediglich im Einzelfall, wenn der Grundsatz der Angemessenheit der Vergütung verletzt ist, ist eine Erhöhung der RLV-Festsetzung denkbar. Letztendlich obliegt es demnach den Kassenärztlichen Vereinigungen als Interessensvertretung der Vertragsärzte, bei der Vereinbarung des Behandlungsbedarfs mit den Krankenkassen in Anbetracht von deren Leistungsfähigkeit auf eine konstante Vergütung der medizinisch notwendigen Leistungen hinzuwirken.
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RA Dr. Christoph Osmialowski
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