Informationen aus der Gesellschaft - OUP 03/2024
ReiseberichtUSA-Travel Fellowship 2024
Bereits zum 4. Mal ausgeschrieben, genießt das USA-Travel Fellowship der VSOU großes Renommee und so durften wir uns dieses Jahr als auserwählte Stipendiaten glücklich schätzen, uns bereits ein Jahr im Voraus auf eine lehrreiche Reise in die USA zu freuen.
Uns wurde bereits auf der 71. VSOU-Jahrestagung im April 2023 in Baden-Baden die Urkunde des Stipendiums überreicht. In diesem Rahmen konnten wir bereits den Großteil unserer Vorgänger sowie einen unserer beiden Gastgeber vor Ort – den aus Deutschland stammenden Friedrich Boettner aus New York – kennenlernen und so einen kleinen Vorgeschmack auf die spannende Zeit in den Vereinigten Staaten erhalten.
Nachdem die Kontakte zu den beiden renommierten und weltweit top-gerankten Kliniken über Friedrich Boettner aus dem Hospital for Special Surgery (HSS) in Manhattan (New York City) und Daniel Berry sowie Matthew Abdel aus der Mayo-Clinic in Rochester (Minnesota) hergestellt waren, oblag die detaillierte Planung und Organisation uns Stipendiaten. Hierbei wurden wir durch die jeweiligen Sekretariate beider Kliniken im Bewerbungsprozess tatkräftig unterstützt und erhielten nach Einreichen aller erforderlichen Dokumente die Bestätigung, als „observing visitor“ im Klinikalltag teilnehmen zu dürfen. Die Buchung von Flügen und Unterkünften erfolgte durch uns selbst und führte uns von Ost nach West an die Ziele New York City, Rochester (Minnesota) und schließlich nach San Francisco (Kalifornien) zum jährlichen Kongress (Annual Meeting) der American Academy of Orthopaedic Surgeons (AAOS).
Nachdem wir beide aus unterschiedlichen Städten anreisten, trafen wir uns am 20. Januar 2024 an unserer ersten Station des Travel Fellowships im Big Apple.
Hospital for Special Surgery (HSS), New York City (20.01.–31.01.2024)
Der erste Sonntag in New York begann Jetlag-bedingt sehr früh und wir starteten bei strahlendem Sonnenschein zu einer ausführlichen Stadtbesichtigung, begleitet von eiskaltem New Yorker Atlantikwind. Für uns beide Neuland, gab es in Manhattan unglaublich viel zu entdecken und so war der Tag der Ankunft schnell gefüllt (Abb. 1, 2).
Am Folgetag starteten wir nun unseren „Academic Visitor Aufenthalt“ am HSS und wurden hier, wie auch in den folgenden Wochen, von der amerikanischen Gastfreundschaft und der exzellenten Organisation beeindruckt (Abb. 3). Allein die Lage der Klinik an der Upper East Side Manhattans ist bereits beeindruckend – so auch die Reputation als Nummer 1 in Amerika auf dem Gebiet der orthopädischen Chirurgie und Rehabilitation mit z.B. über 40.000 Eingriffen oder 14.000 endoprothetischen Eingriffen jährlich bei einem jährlichen Umsatz von über 2 Mrd. Dollar. Als alleinig auf Erkrankungen des Bewegungsapparates fokussierte Klinik hat das HSS in Amerika ein Alleinstellungsmerkmal und garantiert die Therapie auf höchstem Niveau. In rund 40 Operationssälen allein im Hauptgebäude und über 100 operativ tätigen Spezialisten, die teils in Privatpraxisstrukturen innerhalb der Klinik arbeiten, wird hier die Versorgung sichergestellt. Beeindruckend war auch, wie selbstverständlich hier auch größere Operationen als ambulante Versorgungen sichergestellt werden – ein Klinikaufenthalt über mehrere Tage ist bei elektiven Prozeduren eine Seltenheit. Die Effizienz ist vor allem durch die Arbeit der einzelnen Chirurgin/des einzelnen Chirurgen geprägt, sodass es üblich ist, dass an festgelegten OP-Tagen 2 parallel laufende Operationssäle von 2 getrennten OP-Teams bedient werden und der Operateur praktisch ohne Wechselzeit direkt zum nächsten Eingriff rotieren kann. Auffällig ist auch die große Personalpräsenz in den OP-Sälen in festgelegten Teams mit chirurgisch-technischen Assistentinnen und Assistenten, OP-Pflegekräften, radiologischen Assistentinnen und Assistenten, Vertreterinnen und Vertretern der jeweiligen Medizintechnikfirma der Implantate, Physician Assistants und Residents (Weiterbildungsassistenten) neben der Hauptoperateurin/dem Hauptoperateur. Geprägt durch andere Weiterbildungsstrukturen und ein festgelegtes Weiterbildungsprogramm wird den Assistenzärztinnen und Assistenzärzten häufig ermöglicht, die Operation selbstständig zu beginnen, noch bevor die Chirurgin/der Chirurg eingewaschen am Tisch steht – diese/dieser übernimmt im Anschluss komplexe Operationsschritte. Dies scheint das Resultat einer festen Zuteilung nicht nur zu einem Spezialisierungsbereich, sondern im Speziellen auch zu einer bestimmten Person für mehrere Wochen zu sein, von welcher somit intensiv gelernt und gelehrt wird. Von über 800 Bewerbungen auf einen Assistenzarzt-Weiterbildungsplatz werden jährlich nur 6–8 ausgewählt, d.h. in den Genuss dieses hochwertigen Trainings kommen nur Top-Bewerberinnen/Top-Bewerber entsprechend streng formulierter Auswahlkriterien.
Unser Gastgeber Friedrich Boettner organisierte für uns ein individuell angepasstes Programm für die Zeit unseres Aufenthaltes am HSS. So gewann Kristina Luz Einblicke in die Traumatologie unter William Ricci, die Sportorthopädie unter Andreas Gomoll und Gregory DiFelice, die Fußchirurgie unter Constantine Demetracopoulos und Scott Ellis sowie selbstverständlich in die Endoprothetik unter Friedrich Boettner. Felix Greimel, welcher die Endoprothetik bereits als sein Haupttätigkeitsfeld entdeckt hat, konnte sich in der Zeit an Primär- und Revisionsendoprothetikfällen unter Anwendung von verschiedenster Hightech-Vorgehensweisen (Robotik wie Mako, Rosa u.v.m., Augmented Reality Techniken, imageless Navigationstools wie IntelliJoint, OrthoAlign u.v.m.) unter Friedrich Boettner, Geoffrey Westrich, Peter Sculco und Alexander McLawhorn aktiv beteiligen. Spannend gestaltete sich, dass die Operateurinnen und Operateure die Implantatwahl treffen und entsprechend der jeweiligen Behandlungsphilosophie jede derzeit verfügbare technische Möglichkeit auch im routinierten operativen Alltag verwendet werden kann. Ein Großteil der notwendigen Dokumentation sowie Kommunikation im Klinikalltag läuft über eine klinikeigene App – die Digitalisierung ist hier in allen Bereichen beeindruckend weit fortgeschritten.
Der internationale Austausch wird hier extrem großgeschrieben – so konnten wir im Rahmen unserer Hospitation auch viele neue Kontakte zu Research Fellows oder anderen internationalen Gästen knüpfen.
Ein ganz besonderer Dank gilt Friedrich Boettner, welcher mit unermüdlichem Aufwand trotz seiner zahlreichen Verpflichtungen sowohl in der Klinik als auch in der Freizeit u.a. bei einem gemeinsamen Paddle-Spiel mit anschließendem Abendessen zu Hause, einem NBA-Basketball-Spiel im Madison-Square-Garden (Abb. 4) und einem Besuch eines außergewöhnlichen Steakhauses (Abb. 5) den Aufenthalt in NYC unvergesslich gestaltet hat.
Mayo-Clinic, Rochester, Minnesota (31.01.–10.02.2024)
Im Vorfeld der Reise wurden wir beide mehrfach auf mögliche Tiefsttemperaturen von bis zu –30° C hingewiesen – unser halbes Gepäck bestand insofern aus warmer Kleidung. Wider Erwarten warteten Minnesota und die „Twin Cities“, der Agglomeration von St. Paul und Minneapolis, mit moderatem Klima auf – kein Schnee so weit das Auge reichte, obwohl sogar in Deutschland wenige Wochen vor unserer Ankunft von schlimmsten Schneestürmen in dieser Region berichtet wurde. Nach etwa 1,5 Stunden Autofahrt durch von Landwirtschaft geprägte Landschaft erreichten wir Rochester, Minnesota, eine kleine Stadt mit ca. 150.000 Einwohnern. Gleich bei Ankunft wurde klar, dass diese Stadt im Wesentlichen aus der Mayo-Klinik und ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern besteht. Mehrere Hochhäuser im Zentrum versorgen alle erdenklichen medizinischen Bereiche auf Top-Niveau. Zudem hält die Mayo-Klinik eine eigene Medical School für auserlesene 20 Studentinnen und Studenten pro Jahrgang vor und betreibt einen riesigen Forschungscampus. Trotz der großen Klinikausmaße wird derzeit für unglaubliche 5 Mrd. Dollar ein weiterer Campus für Forschung und Klinik errichtet. Die Klinik wurde ursprünglich von den Mayo-Brüdern gegründet und arbeitet noch immer als Non-Profit-Organisation (Abb. 6). In 34 Operationssälen wird Orthopädie und Unfallchirurgie auf höchstem Niveau betrieben, allein im Zentralgebäude befinden sich 64 Operationssäle aller Fachdisziplinen – insgesamt beherbergt die gesamte Klinik über 100 Operationssäle. Unser vorgesehener Gastgeber Daniel Berry war bedauerlicherweise aufgrund außerklinischer Tätigkeiten verhindert, stattdessen durften wir seine Vertretung, Matthew Abdel, einer der Chairs der Mayo-Klinik, als unseren Ansprechpartner vor Ort wissen. Auch bei ihm möchten wir uns in besonderem Maße für die großartige Betreuung und tatkräftige Unterstützung bedanken (Abb. 7). Neben „social events“ und Übergabe von wunderbaren Gastgeschenken organisierte er uns einen detaillierten Zeitplan für unseren Aufenthalt, auf unsere Interessenschwerpunkte zugeschnitten. So war es uns möglich, bei Matthew Abdel selbst und seinen Kollegen Michael Taunton, Robert Trousdale, Nicholas Bedard, Rafael Sierra und Daniel Sarris nahezu das gesamte operative Spektrum der unteren Extremität zu erleben. Auch hier kamen jegliche, derzeit zur Verfügung stehenden High-End-Techniken, Robotik und Allograft-Rekonstruktionen zum Einsatz. Ein weiteres Highlight stellten die klinikinternen Frühbesprechungen und Fortbildungen mit Fallvorstellungen, Journal Clubs sowie Rundführungen durch die Rehabilitationsabteilungen und Experimental-Labors dar. Alleine die Matthew Abdel unterstehende orthopädische Forschungsabteilung beschäftigt über 400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Nach nunmehr 3 Wochen intensiven Eindrücken aus dem orthopädisch-unfallchirurgischen Fachgebiet in beiden Kliniken, führte uns der letzte Abschnitt der Reise an die Westküste zum weltweit größten Kongress des Fachgebietes.
AAOS Annual Meeting,
San Francisco, Kalifornien (10.–16.02.2024)
Spät abends angekommen, erwartete uns ein freies Wochenende, welches wir für eine Fahrt in den Yosemite Nationalpark nutzten. Hier zeigten sich auf unseren Wanderungen atemberaubende Landschaften und Naturschauspiele (Abb. 8) – die Yosemite Falls gehören zu den weltweit höchsten und bekanntesten Wasserfällen. Aufgrund eines Naturspektakels des „Horsetail Falls“ (Abb. 9), das nur an 3 Wochenenden im Februar und bei idealen Wetter- und Lichtverhältnissen zu sehen ist, war es denkbar schwierig, an eine Park-Admission zu kommen, und so entschlossen wir uns, eine Genehmigung inkl. einer Zeltübernachtung im Park bei Minusgraden – dank Heizlüfter im Zelt war es gut auszuhalten – zu ergattern. Belohnt wurden wir mit wolkenlosem Himmel und eindrucksvollen Aussichten. Es schloss sich eine Weiterfahrt an der kalifornischen Küste über Pebble Beach und Monterey sowie dem bekannten Küsten-Highway #1 bei traumhaftem „Calfornia-Weather“ an, die mit einer obligatorischen Fahrt über die Golden-Gate-Bridge bei Sonnenuntergang endete (Abb. 10).
Nach diesem eindrucksvollen Wochenende folgte der dritte Abschnitt unserer Reise: der jährliche Kongress für Orthopädie und Unfallchirurgie der Amerikaner, das Annual Meeting der American Academy of Orthopaedic Surgeons (AAOS).
Eine schier unglaubliche Größe an Industrieausstellungsfläche mit den neuesten Entwicklungen und Innovationen konnte bestaunt und fachliche Gespräche geführt werden. Sessions zu den unterschiedlichsten Themenbereichen konnten unsere theoretischen Skills erfreulich erweitern. Durch den engen Kontakt zu den „Vendors“, den Verkäufern im OP an den zuvor besuchten Kliniken, war es uns zudem möglich, an hochwertigen Kadaver-BioSkills-Labs kostenfrei teilzunehmen. Weiterhin ermöglichte es uns abermals Friedrich Boettner, einen traumhaften Abend mit den HSS-Almuni in einer exquisiten Location als Teil der HSS-Familie zu feiern.
Nach insgesamt 4 eindrucksvollen Wochen, großartigen persönlichen, klinischen und theoretischen Erfahrungen sowie unglaublicher erlebter Gastfreundschaft möchten wir auf diesem Wege nochmals ganz besonders Friedrich Boettner (HSS, NYC) und Matthew Abdel (Mayo Clinic, Rochester) danken. Durch beide war es erst möglich, das Fellowship auf diese besondere Art und Weise zu erleben.
Voraussetzung für die Bewerbung für eines der begehrten Reisestipendien in die USA ist die Mitgliedschaft in der VSOU (Vereinigung Süddeutscher Orthopäden und Unfallchirurgen), eine abgeschlossene Promotion, wissenschaftliches Interesse, mindestens der Abschluss des 3. Weiterbildungsjahres der Facharztweiterbildung Orthopädie und Unfallchirurgie sowie gute Englischkenntnisse. Das USA-Reise Fellowship wird zum Jahreswechsel über die VSOU ausgeschrieben und beworben.
Außerdem möchten wir dem VSOU-Vorstand, insbesondere der Initiatorin des Fellowships Prof. Andrea Meurer ganz herzlich für die erhaltene Förderung danken und können unseren Kolleginnen und Kollegen eine Teilnahme und Bewerbung um das Travel Fellowship dringend ans Herz legen. Wir wünschen bereits jetzt den nächsten Stipendiatinnen und Stipendiaten eine ebenso lehrreiche und spannende Zeit und freuen uns auf ein Treffen auf der diesjährigen Jahrestagung in Baden-Baden Ende April.
Korrespondenzadressen
Dr. med. Kristina Luz
BG Unfallklinik Frankfurt a. Main
Friedberger Landstraße 430
60389 Frankfurt am Main
kristina.luz@bgu-frankfurt.de
Prof. Dr. med. habil. Felix Greimel
Orthopädische Universitätsklinik Regensburg/Bad Abbach
Kaiser-Karl-V.-Allee 3
93077 Bad Abbach
felix.greimel@ukr.de
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