Übersichtsarbeiten - OUP 09/2014

Rheumatoide Arthritis – für den Langzeitverlauf kritische diagnostische und therapeutische Entscheidungen

Aufgrund seines höheren Vorhersagewerts hat Anti-CCP (Antikörper gegen cyclisches citrulliniertes Peptid) den Rheumafaktor weitgehend ersetzt. Die Sensitivität von Anti-CCP für die RA liegt bei 70 %, vergleichbar der Sensitivität des Rheumafaktors, die Spezifität von Anti-CCP für die RA liegt aber mit mehr als 90 % weit über der Spezifität des Rheumafaktors. Anti-CCP prognostiziert einen chronischen Verlauf und markiert Patienten mit einem hohen Risiko für einen destruktiven Verlauf [6].

Röntgendiagnostik

Die Röntgen-Übersichtsaufnahme ist für die Frühdiagnose nicht geeignet. Die für die RA charakteristischen Röntgenmerkmale – Gelenkspaltverschmälerung, entzündliche Erosionen, Fehlstellungen – sind der Ausdruck bereits eingetretener Schäden. Der Schwerpunkt der Röntgenologie liegt auf der Differenzialdiagnostik.

Sonografie

Die B-Bild-Sonografie ist in geübten Händen eine sehr sensitive Methode für die Verifizierung einer Arthritis [7]. Sie hat die früher verbreitete Mehrphasen-Skelettszintigrafie weitgehend verdrängt. Sie stellt zudem Weichteilbefunde dar, die szintigrafisch nicht erfasst werden (Tenonsynovialitis, Bursitis). Zeitaufwendiger, aber von hohem Wert für die Prognoseabschätzung ist der sonografische Nachweis von knöchernen Früherosionen, die einen aggressiven Krankheitsverlauf ankündigen. Der Zeitvorteil der B-Bild-Sonografie gegenüber der Röntgen-Übersichtsaufnahme beträgt hier mehrere Monate. Die Powerdoppler-Sonografie erlaubt die Beurteilung der Vaskularität der Synovialmembran. Aktive Entzündung geht mit einer erhöhten Vaskularität/Durchblutung einher. Diese Methode hat ihren Schwerpunkt weniger bei der Frühdiagnose als bei der Verlaufsbeurteilung.

Magnetresonanz-
tomografie (MRT)

Insbesondere bei der Prognoseabschätzung von Arthritiden, die klinisch und serologisch nicht sicher zu klassifizieren sind, kann die MRT wichtige Hilfen bieten. Mit ihrer hohen räumlichen Auflösung kann sie nicht nur bereits manifeste Früherosionen nachweisen, sondern auch Vorläuferläsionen (Abb. 1), z.B. Knochenmarködeme, die sich in flüssigkeitssensitiven MRT-Sequenzen als signalintense Knochenareale darstellen. Ihre Grundlage sind Osteitiden, die mittels Immunsuppression zu terminieren sind, die Progression zur entzündlichen Erosion wird damit aufgehalten [8].

Risikoabschätzung

Das Risiko eines aggressiven Verlaufs lässt sich mithilfe klinischer und serologischer Indikatoren recht zuverlässig abschätzen. Aus diesen lassen sich Scores ableiten, die aggressive Verläufe mit einer hohen Vorhersagegenauigkeit prognostizieren [9, 10]. Eine adäquate Prognoseabschätzung hilft, Übertherapie bei Arthritiden mit geringem Schädigungsrisiko zu vermeiden, hilft aber auch, Zeitverluste zu vermeiden durch die Markierung von Patienten, die eine intensive Initialtherapie benötigen.

In der orthopädischen oder hausärztlichen Praxis ist Anti-CCP der Einzelfaktor mit dem höchsten Vorhersagewert. Wird Anti-CCP nachgewiesen, besteht die Indikation für einen sofortigen Beginn der Immunsuppression. Insbesondere für diese Patienten müssen Rheumatologenpraxen zugänglich sein mit kurzfristigen Vorstellungsterminen. In der rheumatologischen Facharztpraxis oder Ambulanz hat neben Anti-CCP der sonografische Nachweis von Früherosionen an den kleinen Gelenken der Hand und des Fußes besonderen Vorhersagewert. Insbesondere bei abortiven klinischen Bildern, z.B. der isolierten Carpitis, kommt zudem der MRT-Diagnostik prognostische Bedeutung zu [11].

Es ist mittlerweile gut belegt, dass Patienten mit Indikatoren für einen ungünstigen Spontanverlauf gleichermaßen auf Immunsuppression ansprechen wie Patienten ohne diese Indikatoren. Anti-CCP-positive Patienten sind also ein Segment, bei dem in besonderem Maße die Möglichkeit besteht, einen schädigenden Verlauf abzuwenden.

Aufklärung und Akzeptanz

Die Risiken des unbehandelten oder ungenügend behandelten Verlaufs (Entwicklung irreversibler Strukturschäden, Einbußen bei der Alltagskompetenz und Erwerbsfähigkeit) sind den Patienten bei der Erstdiagnose in aller Regel nicht bekannt. Nur bei einem Teil der Betroffenen führt die RA frühzeitig zu gravierenden Beschwerden und zur unmittelbaren Bereitschaft, eine Immunsuppression zu beginnen. Bei einem Teil der Patienten wird die Einwilligung in die Therapie also zu einem Zeitpunkt verlangt, zu dem der Aufwand und die Risiken der Behandlung als eingreifender empfunden werden als die Krankheit selbst. Die individuelle Risikoabschätzung und die Erläuterung des prospektiven Krankheitsverlaufs sind erfahrungsgemäß entscheidende Bedingungen, um in dieser Situation Akzeptanz und eine positive Erwartungshaltung herzustellen.

Die kritischen ersten Monate

Die Notwendigkeit eines frühen Beginns der Immunsuppression ist umfangreich belegt (Leitlinie Frühe RA). Das Zeitfenster, in dem eine vollständige Wiederherstellung von Struktur und Funktion möglich ist, bemisst sich definitiv nicht in Jahren, sondern in Monaten. Wird dieses Zeitfenster nicht genutzt, bringt die Immunsuppression symptomatische Besserung und Progressionshemmung, eine vollständige Wiederherstellung von Struktur und Funktion lässt sich aber nicht mehr erreichen. Die Forderung, bei einer anhaltenden Polyarthritis die Immunsuppression innerhalb der ersten 6 Krankheitswochen zu beginnen, ist keineswegs überzogen.

Initialtherapie,
Therapiesteuerung

Die Behandlung der RA mittlerer oder hoher Aktivität wird üblicherweise mit konventionellen Immunsuppressiva begonnen. Bei niedriger Krankheitsaktivität und Anti-CCP-negativen Patienten kann zunächst versucht werden, den Therapiebedarf mit einem Prednisolon-Stoß abzuschätzen. Wird dabei eine Entzündungsremission mit einer Prednisolon-Erhaltungsdosis von nicht mehr als 5 mg erreicht, kann zunächst auf ein Immunsuppressivum verzichtet werden. Diese Patienten sollten von einem Rheumatologen gesehen werden, wenn es in den nächsten Monaten nicht gelingt, das Steroid graduell zu entziehen oder im Verlauf ein zunehmender Steroidbedarf erkennbar wird.

Bei einem Prednisolon-Bedarf von mehr als 5 mg und bei Patienten mit Prädiktoren eines schädigenden Verlaufs ist bereits initial ein Immunsuppressivum zu addieren. Dabei wird versucht, die Therapieintensität der Schwere des Krankheitsbilds anzupassen (Abb. 2). Bei den konventionellen Immunsuppressiva lässt sich der Therapieeffekt mehrheitlich nach 8–10 Wochen beurteilen. Wird nach Ablauf dieser Zeitspanne nur eine Teilremission festgestellt, muss das Regime modifiziert werden. Bedarfsweise müssen weitere Modifikationen in Zeitintervallen von 2–3 Monaten folgen, bis die Vollremission oder zumindest ein remissionsnaher Zustand erreicht ist [12, 13].

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